prev-arrow Projekte
Team Peter Heilbronn
Thema Gewerkschaft 2010 - Arbeiter und Bürger ( original )
Argumente und Kleingedrucktes 2
Letzte Bearbeitung 07/2003, 05/2006
Home www.mxks.de

1. Gewerkschaft 2010 - ein Schritt vor, zwei zurück
1.1. Gewerkschaft der Lohnabhängigen
1.2. Kurz zur Geschichte
1.3. Zwischen Klientel, Eigeninteresse und Gemeinwohl
1.4. Gesamtgesellschaftlicher Zusammenhang
1.5. Das Verhältnis Gewerkschaft zum Arbeitskampf
2. Ausblick
2.1. Das Fanal
2.2. Rahmenbedingungen gewerkschaftlichen Handelns
2.3. Bürgerbewußtsein muss finanzierbar bleiben
2.4. Gleichheit als Verlierer

1. Gewerkschaft 2010 - ein Schritt vor, zwei zurück

In diesem Artikel geht es um ganz allgemeine Betrachtungen zur Lage der Gewerkschaften besonders in der BRD. Im Fokus der Darstellung liegt nicht der einzelne engagierte Gewerkschaftler oder die berechtigten Interessen der Lohnarbeitenden. Hier geht es um die prinzipielle und wissenschaftliche Einordnung der Gewerkschaften an Hand von Phänomenen, die jedem alltäglich einsichtig sind. Es soll nicht moralisiert werden, sondern nüchtern der Gang der Dinge analysiert und ausgewertet.
An Hand unserer Betrachtungen können wir auch die Wurzel vieler Mißverständnisse und Fehlanalysen aufdecken, wenn es um die Interessen von Menschen geht. Etwas, was zu verstehen ja ganz viele Leute vorgeben und vor allem besser wissen, was für uns alle gut ist, als wir selbst. Das reicht von linksradikalen Sekten bis zum Bundestag, der ja rechtskräftig unsere Interessen beschließt.
Als wichtiges Mittel stellt sich im Folgenden die scheidende Betrachtung der Menschen einerseits als Bürger und andererseits als Arbeiter dar. Wir betreiben also hier eine Analyse der verschiedenen Charaktermasken derselben Menschen. So haben Bürger und Arbeiter gleiche, aber auch völlig unterschiedliche, sich widersprechende Interessen. Diese lassen sich nun in Grundzügen besonders gut an Hand ihrer institutionalisierten Interessenvertreter, der Gewerkschaften, zeigen.

1.1. Gewerkschaft der Lohnabhängigen

Von seiten des (Lohn)Arbeiters hat die Gewerkschaft eine klare Funktion. Sie ist Ausdruck des gemeinsamen Interesses der Arbeiter an Arbeitsbedingungen auf Höhe der Zeit (z.B. Arbeits- und Kündigungsschutz) und einer irgendwie als "gerecht" empfundenen Entlohnung, also Arbeitszeit und Lohnhöhe. Diese Rahmenbedingungen werden einerseits in Gesetze gegossen, bzw. in Verträgen zwischen den Gewerkschaften und den Körperschaften des gemeinsamen Interesses der Unternehmer für eine bestimmte Zeit fixiert (Tarifvertrag). Für den ordnungsgemäßen Ablauf von Auseinandersetzungen der beiden Parteien in diesem Spiel gibt es eine Fülle von gesetzlichen Regelungen, bis in die Statuten der Gerwerkschaften hinein.
Was sind nun die Grundlagen, auf denen dieses Modell funktioniert. Wenn ich Hoffnung auf einen Anteil auf gesellschaftlichen Reichtum habe, dann muß es:
  1. Recht auf privates Eigentum ("eigene Hände Arbeit") geben und das Recht
  2. einen Vertrag zu schließen (Vertragsfreiheit).
Also habe ich die Freiheit das Unternehmen zu wählen, für das ich arbeiten will und kann die Bedingungen aushandeln, zu denen ich arbeite. Der Lohn und alles, was sich daraus machen lässt ist mein Privateigentum, über das ich frei verfügen kann und dessen Schutz gewährleistet ist.
Diese Freiheiten haben wir alle und das sind die bürgerlichen Freiheiten, wie sie nicht zuletzt im Grundgesetz verankert sind. Es sind z.B. keine Freiheiten des Feudaladels, welcher nach Gutdünken auf seinem Stück Land Recht sprechen konnte, das ist vorbei. Also Bürger sein heißt hier einerseits Staatsbürger und Rechtssubjekt, andererseits auch Anerkennung der bürgerlichen, demokratischen Spielregeln. Diese Spielregeln werden zu den eigenen gemacht und sie werden als die natürlichen und notwendigen vertreten. Man hat ein Selbstbewusstsein als Bürger mit Rechtssicherheit und dem Schutz vor Willkür. Das ist in diesem Bezugssystem auch richtig. Der Arbeiter ist so gesehen ein Bürger wie jeder andere auch mit seinen Rechten und Pflichten.
Wessen Interessen vertritt denn nun die Gewerkschaft. Das sieht man am besten, wenn man in der Geschichte zurückgeht und sich die einfachen Formen ansieht.

1.2. Kurz zur Geschichte

Nun etwas schattenrißartig Gewerkschaftsgeschichte in Deutschland. Wie der Name 'Gerwerkschaft' schon sagt, vertraten diese Vereinigungen im Deutschen Kaiserreich vornehmlich Interessen der Meister, Handwerker, der proletarisierten Handwerker bzw. der Facharbeiter. Sie war also hier bestimmt durch die Interessen einer privilegierten Schicht innerhalb der Arbeiter. Am Anfang durften auch keine einfachen Arbeiter in die Gewerkschaften eintreten. Im Gegensatz dazu sagt der Name 'Trade Union', wie die Gewerkschaften im angelsächsischen Raum heißen, dass diese Art Differenzierung so nicht gegeben war (es waren andere). Man muss allerdings bemerken, dass in den USA z.B. die Gewerkschaften eine völlig andere Entwicklung genommen haben als in Europa, von Asien ganz zu schweigen. Hier gibt es erhebliche Unterschiede. Auf jeden Fall ist zu sagen, dass die Gewerkschaft als solche einen gewaltigen Fortschritt für die Arbeiter darstellte. Da sie erstmals zusammen mit der Arbeiterpartei den Interessen der Arbeiter eine gesellschaftsweite Organisationsform gab, die in der Folgezeit immer stärker politische Relevanz bekommen sollte.
Im Deutschen Reich zumindest vertraten die Gewerkschaften die sehr spezielle Interesses der Besser- und Bestqualifizierten. Bis heute ist es ebenfalls so, dass nichtarbeitende Arbeiter keine oder nur rudimentäre Vertretung in der Gewerkschaft hatten und haben. Die Gewerkschaften differenzieren sich nach Branchen und Bundesländern, was auch ihre Aktionsformen weitestgehend bestimmt.
Das heißt, dass die Parzellierung der Gewerkschaften mit der Borniertheit, Beschränkung auf die eigenen Interessen, ein Grundmoment in den deutschen Gewerkschaften ist und damit die Konkurrenz innerhalb der Arbeiterschichten ausdrückt. Sie schleppt somit den Keim der alten feudalen Kleinteiligkeit der unterentwickelten deutschen Verhältnisse mit sich.
 
[Die feudalen Reste]
Die anfängliche Zusammensetzung der Gewerkschaftler bedeutet aber auch, dass der Handwerkerstolz und überhaupt der Stolz auf die eigene Arbeit ein konstituierendes Moment darstellen. Das biblische 'Du sollst das Brot im Schweiße deines Angesichts brechen' ähnelt nur zu sehr dem gewerkschaftlichen 'Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen'. Aber über diesen Aspekt gerade der deutsche Arbeitsmoral und überhaupt des Nationalstolzes bis Patriotismus als Teil gewerkschaftlichen Selbstverständnisses wollen wir hier nicht sprechen. Dies bricht im 1.Weltkrieg als offener Widerspruch auf und führte zur Spaltung der deutschen Arbeiterpartei der SPD in den kriegsbefürwortenden und nationalchauvinistischen Hauptstrom und seinen linken bis radikalen Widerpart in der KPD.
Wie aber sahen nun die Interessen aus, die die Gewerkschaften zu vertreten hatten. Zuerst einmal ging es zusammen mit den Arbeiterparteien um ganz grunsätzliche demokratische, also bürgerliche, Rechte, wie freies, allgemeines und gleiches Wahlrecht gegenüber dem feudalen Ständewahlrecht. Das ist grundsätzlich gegenüber der damaligen hinterwäldlerischen Entwicklung im Deutschen Kaiserreich ein Fortschritt. Es ging um den Sonntag als freien Tag, Pausen, Einschränkung von Frauen- und Kinderarbeit, Festlegung von Obergrenzen für die Arbeitszeit.
Allgemeine Nothilfeorganisationen hingegen für Arbeiter setzen sich nicht durch. Dagegen gab es wohl solche, deren Hilfe aber an die Betriebszugehörigkeit gebunden blieb und damit als Disziplinierungsmittel diente. Die Arbeitsbedingungen in der entstehenden Industrie waren teilweise katastrophal und unterlagen keinerlei gesetzlicher Regelung und Kontrolle. Der Unternehmer war absoluter Herrscher in seiem Privateigentum, der Fabrik. Er war der Patriarch über sein Privateigentum an Maschinen und Menschen, weil er sie bezahlte.
Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (1863) Lasalles z.B. wollte seinen Verbündeten eher im preußischen Obrigkeitsstaat sehen, als im liberalen Bürgertum. Politisch gesehen kann man sagen, dass die Gewerkschaften teilweise eine sehr unrühmliche Rolle gespielt haben. Gerade die 'Freien Gewerkschaften' waren von ihrer Ausrichtung her streng konservativ. Ihr Ziel war, wie es heute noch ist, dem Arbeiter einen erträglichen Platz in der sich entwickelnden bürgerlichen Gesellschaft zu verschaffen, nicht diese abzuschaffen. Es war doch das Vaterland, um was es ging. Man war doch kein 'vaterlandsloser Gesell'. (Natürlich ist der Proletarier ökonomisch betrachtete vaterlandslos.)
 
[Die Politik der Gewerkschaft]
Wie auch heute lag damals ein Hauptaugenmerk auf den Gewerkschaftskassen, welche ja jeden Arbeitskampf und die Nothilfemaßnahmen, das Unterstützungswesen zu finanzieren hatten. Richard Müller sagte dazu:
" Die Gewerkschaftsführer mußten den Inhalt ihrer Kassenschränke bei jedem Kampfe berücksichtigen. Sie gingen aber weit darüber hinaus und verlegten den ganzen Schwerpunkt ihrer Entscheidung auf diese Stelle. Wesen und Inhalt der Gewerkschaftsbewegung wurde dadurch bestimmt. " (Richard Müller 'Vom Kaiserreich zur Republik', S. 19)
Politische Fragen durften von den einfachen Gewerkschaftsmitgliedern im Gegensatz zu den Gewerkschaftsführern nicht diskutiert werden. Die Führungen hatten immer Angst, dass ihnen das Heft aus der Hand gleiten konnte und die Mitglieder nicht mehr unter ihrer Konrolle waren. Ihr Einfluß auf die Sozialdemokratie war immer ein mäßigender, z.B. 1906 beim Abwenden politischer Massenstreiks auf dem Mannheimer Parteitag.
Es wäre noch eine Menge über Streikverbote, Burgfrieden und den revisionistischen Einfluß auf die sozialdemokratische Reichstagsfraktion dieser Zeit zu sagen. Aber das ist die Aufgabe einer anderen Arbeit. Hier ging es nur darum ein kurzes Schlaglicht zu geben.

1.3. Zwischen Klientel, Eigeninteresse und Gemeinwohl

Kommen wir nun zu den unterschiedlichen Interessen, welche die Gewerkschaften vertreten. Betrachten wir sie dazu unter jeweils verschiedenem Blickwinkel.
Es gibt für verschiedene Branchen verschiedene Gewerkschaften. Diese sind nun die Funktionsträger der dortigen Arbeiter. Schon auf organisatorischer Ebene findet eine Trennung statt und die gemeinsamen Interessen der Arbeiter äußern sich nur in ihren brancheneigenen Forderungen. Weiterhin existiert in der BRD ein Verbot solidarischer Streiks von Arbeitern in verschiedenen Branchen für einander. Generalstreik ist natürliche ebenso verboten. Denn Generalstreik gilt als politischer Streik und nicht mehr einer für die vom Staat anerkannten Interessen der Lohnabhängigen. Welche Arbeiter in welcher Gewerkschaft in Vertretung stehen ist ebenso rechtlich genau geregelt.
 
[Teilung in Branchen und Arbeitslose]
IG-Metall Vize Peters im ZDF 'Fernwirkungen von Streiks sind nicht das Ziel, aber auch manchmal nicht zu vermeiden' in der Diskussion um den gerade verlorenen Metallerstreik.
In diese Parzellierung fällt auch das Gerede vom "ungerechten" und "unsolidarischen Streiks", bei denen Firmen betroffen sind, deren Belegschaft gar nicht streikt. Zum Beispiel der Cockpit-Streik (er brachte gut 20% Lohnerhöhung für diese Piloten) hat eine wahre Flut von Empörung ausgelöst. Das geschah, ohne das auch nur die Idee erschien, gleichlautende Forderungen an den eigenen Unternehmer zu stellen.
Diese Empörung war einfach nur die Wut und Enttäuschung über sich selbst und seinen eigenen Gewerkschaftsapparat im Deckmantel eines herbei halluzinierten Gemeinwohles. Das Bewusstsein gemeinsamer Interessen über alle Branchengrenzen und aller Arbeiter ist so außer Reichweite gehalten. In ihren Köpfen sind sie z.B. vorrangig nicht Arbeiter, vielleicht Metaller, aber bestimmt BWM-Mitarbeiter, die Stolz auf "ihren" Betrieb sind. Diese anerzogene und ständig bestärkte Beschränktheit findet Ausdruck in der eigenen Wahrnehmung der eigenen speziellen Interessen. Diese Parzellierung ist sowohl organisatorisch wirklich, als auch in den Köpfen verwirklicht. Sie erinnert an die Frühformen der Organisierung in Betriebsgewerkschaften, wie dies z.B. in Lateinamerika normal ist.
Bürger haben zu Recht nur die gemeinsamen Interessen ihres Eigentums, der Vertragsfreiheit und einer vom Rahmen her gesicherter Existenz. Der Arbeiter darf seine spezifischen allgemeinen Interessen nicht äußern oder ihnen gar einen organisatorischen Rahmen geben. Er muss beschränkt bleiben auf seine betriebsgebundenen spezifischen Interessen. Dies gilt insbesondere für seine (Arbeits)Kampfformen.
 
[Allgemeines vs. besonderes Interesse]
Aber noch mehr. Die Parzellierung der Gewerkschaften ist die Institution gewordene Konkurrenz unter den Arbeitern. Nur so und mit der Angst lässt sich erklären, weshalb man sich nicht für andere freut, wenn sie mehr Löhne erkämpft haben und es dann selbst als Ansporn nimmt, dies seinerseits zu fordern. Sie benehmen sich halt wie die Bürger, die ihre Privatinteressen für sich selbst vertreten, z.B. einen Zaun um ihren in Privatbesitz befindlichen Garten ziehen. Freiheit, Gleichheit und Konkurrenz sind nicht trennbare Bestandteile der Bürgerlichkeit. Jeder kämpft gegen jeden und nur, wenn es nicht anders geht, findet man sich zusammen zum Arbeitskampf. Solange aber hofft man, dass es einen selbst nicht trifft. Dies beinhaltet aber, dass es jemand anders treffen muss, da man aus Erfahrung weiß, wie der Hase läuft. Man zittert um seinen eigenen als seinen "Besitz" betrachteten Arbeitsplatz, weil er das Einzige unter den heutigen Bedingungen ist, was eine halbwegs bürgerliche Existenz sichern kann.
Laut Telekolleg*5 Volkswirtschaftslehre ist die Aufgabe der Gewerkschaften auch die, die konkreten Interessen der Arbeitenden zu vertreten. Damit sind die Gewerkschaften in ihrem Tun, die Löhne und Absicherungen zu erhöhen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern laut Telekolleg genau den Interessen der Arbeitslosen entgegengesetzt. Der Grund ist schlicht der, dass damit auch die Kosten von neu zu schaffenden Arbeitsplätzen erhöhen und deswegen die Unternehmen keine schaffen würden. Also ist das Interesse der Arbeitslosen im Wesentlichen darauf begrenzt, einen Arbeitsplatz zu erhalten. In dieser ganzen Konstruktion sehen wir ein weiteres Dilemma. Nicht nur werden die Arbeiter in Brancheninteressen parzelliert gehalten, sondern auch von den keinen Arbeitsplatz habenden Arbeitern, die nun Arbeitslose heißen, getrennt. Diese haben überhaupt keine Vertretung eines gemeinsamen Interesses.
In Wirklichkeit haben natürlich die Arbeiter als Bürger immer das gemeinsame Interesse nach einem guten Arbeitsplatz, ob sie gerade arbeiten oder arbeitslos sind. Die Arbeitslosen wollen genauso gute Arbeitsplätze erhalten wie alle anderen auch. Nur wird durch den Druck auf sie erreicht, dass sie immer schlechtere in Kauf nehmen (müssen). Das ist eine Spirale nach unten, da sie hiermit ihrerseits unfreiwillig Druck auf die anderen Arbeitsplatzbedingungen (z.B. Billiglohnsektor) nach unten ausüben. Also strukturell geht hier die Reise mittelfristig nach unten, im Interesse des Kapitals selbstverständlich. Damit sinken auch wirklich die Kosten der Arbeitsplätze tendentiell und damit steigt dies bezüglich der Profit. Man sieht ganz klar in wessen Interesse diese Einteilung der Arbeiter ist. An dieser Stelle findet auch wieder die Konkurrenz unter den Arbeiter, als Konkurrenz um den eigenen Arbeitsplatz, also die eigene bürgerliche Existenz, an die Oberfläche. 'Es geht doch um MEINEN Arbeitsplatz.'
Aber ebenso klar ist, dass die meisten nicht Lohnarbeiten wollen würden, wenn sie nicht müssten. Sie brauchen keinen Arbeitsplatz, sondern unter den heutigen Bedingungen einfach das Geld, um ordentlich leben zu können. Die Kapitalseite weiß das und fordert darum das Abstandsgebot zwischen Grundversorgung und geringstem Lohn. Das geht natürlich in die Richtung, dass die Grundversorgung (Sozialhilfe) abgesekt werden muss und noch der geringste Einstiegslohn. Nicht nur Arbeit soll sich wieder lohnen - besonders für das Kapital -, sondern Arbeitslosigkeit soll sich erst recht nicht lohnen. 'Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen'*6 , soll sich unser neuer SPD-Arbeitsminister Müntefering geäußert haben und bestätigt damit jedes Vorurteil.
Wie wir also gesehen haben, ist die branchenartige Teilung der Gewerkschaften nicht nur Ausdruck der wirklich unterschiedlichen Interessen von z.B. Chemiearbeiter und Bürokraft. Sie zementiert gleichzeitig die Trennung in den Köpfen und nicht zu vergessen die Trennung in den realen Arbeitskämpfen. Letzere ist sogar juristisch verbürgt. Sie fungiert in der Konkurrenz der Arbeiter untereinander. In anderen Ländern z.B. Frankreich oder Italien sind solidarische Streiks Normalität. Dort herrscht auch auf Grund der Geschichte aber insbesondere der anderen Praxis im Streik selbst, ein anderes Bewusstsein der Zusammengehörigkeit. Wie man am Beispiel Ver.di sieht, schließen sich Gewerkschaften unter dem stärker werdenden Druck, wie andere Unternehmen auch, zusammen und fusionieren. Hier wird es dann wieder schwerer, die Aktionen und Interessen so zu teilen, dass dies den Arbeitern plausibel ist, wenn sie schon in der selben Gewerkschaft sind. Ebenso kann jeder sehen, dass er sehr schnell selbst arbeitslos werden kann. Dies führt aber im Allgemeinen zu einer Verschärfung der Konkurrenz unter den Arbeitern und im Moment zu keiner Solidarisierung.
Wie bei jeder größeren Organisationsform gibt es auch hier ein wichtiges Eigeninteresse des Apparates. Das Interesse des Führungsstabes der Gewerkschaft ist ganz klar Führungsstab zu bleiben und sich somit an diesem exklulsiven und besserbezahlten Arbeitsplatz zu halten. Sie haben da keine große Lust auf Veränderungen. Das trifft selbstverständlich auch die Annehmlichkeiten, wie Freistellungen und relatver Kündigungsschutz, vom Vorstandsmitglied*7 bis hinunter zu den einfachen Vertrauensleuten und Betriebsratsangehörigen.
 
[Eigeninteresse der Führung]
Wie die Realität zeigt gibt es große Differenzen zwischen den Forderungen der sogenannten Basis, also den Arbeitern selbst und dem, was schließlich in offizieller rechtlicher Form von den Verhandlungsführern der Gewerkschaften als Forderungen der Arbeiter ausgegeben wird. Die Gewerkschaftsführung ist ein nicht zu vernachlässigender Faktor mit Einfluß und rechtlich abgesichertem Vertretungsanspruch*8 . Sie haben als Führungsschicht, wie jede andere Führungsschicht auch, mehr zu verlieren als diejenigen, die zu vertreten sie vorgeben.
Die Gewerkschaften müssen selbst nach betriebswirtschaftlicher Weise handeln, haben eine innere Hierarchien und Lohnverhältnisse. Sie kann man, so gesehen, durchaus als ein Unternehmen betrachten, welches mit bestimmten Interessen handelt und in einem abgegrenzten und verrechtlichtem Gebiet operiert. Der Widerspruch wird eklatant, wenn die Gewerkschaft selbst Leute entlässt.
 
[Eigeninteresse der Gewerkschaft]<