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Team ak kassiber
Thema vom kampf gegen die politik des 4. august 1914 über die gruppe internationale und den spartakusbund zur gründung der kpd: DER KAMPF UM DEN REVOLUTIONÄREN BRUCH - aneignung 1 ( original )
Status 1996
Letzte Bearbeitung original text layout modifiziert - 7/2004
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I. editorial
II. vorweg: unsere auseinandersetzung mit diesem politischen prozeß
III. ausgangslage 1: die internationale der antikriegsbeschlußlagen
IV. ausgangslage 2: die parteilinke bei kriegsbeginn
V. dezember 1914: karl liebknecht stimmt gegen weitere kriegskredite – die verschickung der rundbriefe beginnt
1. aufbau eigener strukturen innerhalb der partei und der schritt zu eigenständigen aktionen und mobilisierungen
2. erste reichskonferenz der gruppe internationale
3. april 1916: das ende von karl liebknecht parlamentarischer tätigkeit
4. maikundgebung und karl liebknechts verhaftung
5. juni 1916: politische streiks anläßlich des prozesses gegen karl liebknecht
6. sozialismus oder barbarei ! vom antizipierenden schlachtruf zur zustandsbeschreibung
VI. der kampf um die partei - rücksichtsloseste kritik am opportunismus und gleichzeitige gemeinsame organisierung
1. massenaktionen, parlamentarismus und präventiv-konterrevolutionäre reformwilligkeit der bourgeoisie
2. die friedensfrage und der charme der neuen weltordnung
3. rücksichtsloseste kritik und gemeinsame organisierung
4. die unfreiwillige gründung der uspd - die gruppe internationale ist mit von der partie
VII. zentrale antriebsfeder: die revolutionen in rußland - die weltrevolution beginnt!
1. nach der februarrevolution
2. die friedensfrage nach der oktoberrevolution
VIII. oktober 1918: vor der novemberrevolution
1. der politische druck wächst - die politischen gefangenen kommen frei
2. die novemberrevolution beginnt
3. kampf um die macht der arbeiter- und soldatenräte
4. die auseinandersetzungen eskalieren
5. ´Was will der spartakusbund ?´
6. die entscheidung zum bruch
7. der gründungsparteitag der kpd
IX. frontalangriff der konterrevolution - die januarkämpfe
1. die niederlage in den januarkämpfen - die ermordung rosa luxemburgs und karl liebknecht
2. die mordnacht
3. nach der niederlage - nationalversammlung und abwehrkämpfe
4. clara zetkins kampf um die kontinuität des revolutionären bruchs
5. mathilde jacob
X. schluß
XI. erläuterungen zu einigen namen und begriffen: blanqui - revisionismus und opportunismus - exproptiation der expropriateure
XII. quellen

I. editorial

Aneignung
"klassenkampf, der einem historiker, der an marx geschult ist, immer vor augen steht, ist ein kampf um die rohen und materiellen dinge, ohne die es keine feinen und spirituellen gibt. trotzdem sind diese letztern im klassenkampf anders zugegen denn als die vorstellung einer beute, die an den sieger fällt, sie sind als zuversicht, als mut, als humor, als list, als unentwegtheit in diesem kampf lebendig und sie wirken in die ferne der zeit zurück, sie werden immer von neuem jeden sieg, der den herrschenden jemals zugefallen ist, in frage stellen." (walter benjamin, über den begriff der geschichte)
aneignung material für wissenschaft und widerstand
der politische prozeß, um den es uns geht, ist mit dem wort aneignung genau beschrieben. nach der niederlage 1989 hat ein zerstörungsprozeß die linke ergriffen, der eine mischung aus selbstaufgabe und der unfähigkeit ist, die neuen bedingungen nach dem sieg der konterrevolution als solche zu erkennen und sich kriterien und begriffe zu erkämpfen, die eine revolutionäre praxis wieder möglich machen, es geht uns um die aneignung dieser kriterien und begriffe, die entweder aus den politischen traditionen der linken ausgegraben oder neuentwickelt werden müssen, weil die bisherigen begriffe und kriterien die neuen bedingungen falsch oder ungenau fassen.

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aneignung bedeutet für uns in diesem zusammenhang:
aneignung der geschichte revolutionärer politik mit dem ziel eines bruchs mit der geschichtslosigkeit der linken in deutschland. geschichtslosigkeit bedeutet dabei weder, daß die linke hier keine geschichte hätte, noch daß linke nicht in der lage wären, sich diese anzueignen. es bedeutet vor allem einen bruch mit der selektiven geschichtsauffassung vieler linker, deren geschichtliche Interessen sich nach dem zeitgeist zu richten scheinen,
aneignung dieser kriterien und begriffe, die wir uns erarbeiten, für den politischen prozeß, der wissenschaft von der wirklichkeit und widerstand zugleich sein muß - gegen die tendenz, die über den sieg der konterrevolution hinwegbrettern und da anknüpfen will, wo es mitte und ende der achtziger jahre nicht weiterging. wir gehen davon aus, daß eine neuerarbeitung auch alter begriffe notwendig ist, wozu wir erst einmal klarheit und kritik brauchen, nicht sentimentale reminiszenzen an vergangene zeiten oder anschluß an den siegreichen westen.
aneignung eines begriffs von wissenschaft, der dem heutigen bürgerlichen - in all seinen verkleidungen - diametral entgegensteht, der die untersuchung geschichtlicher und politischer tatbestände und prozesse unter dem gesichtspunkt ihrer nutzbarmachung für die aneignunsgarbeit möglich macht und der nicht abgetrennt ist von dem ziel der revolutionären umwälzung.

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aneignung der möglichkeit, mit einer revolutionären perspektive wieder geschichtsmächtig zu werden. dies ist der kern unserer vorstellung. ein dialektisch-materialistischer geschichtsbegriff ist für uns die grundlage eines lernprozesses, den wir mit der unregelmäßigen herausgabe dieses materials öffentlich machen.
wir werden sowohl eigene texte als auch die von anderen, wenn sie für unsere diskussion wichtig sind, veröffentlichen, wir haben dabei nicht die vorstellung, eine zeitschrift zu etablieren, wir wollen aber, indem wir unsere veröffentlichungen numerieren und ihnen einen namen geben, deutlich machen, daß es uns, auch auf diesem geringen niveau, um kontinuität dieser aneignungsarbeit geht, die grundlage jeder politischen praxis ist.
januar 1996, ak kassiber

II. vorweg: unsere auseinandersetzung mit diesem politischen prozeß

"das subjekt historischer erkenntnis ist die kämpfende, unterdrückte klasse selbst. bei marx tritt sie als die letzte geknechtete, als die rächende klasse auf, die das werk der befreiung im namen von generationen geschlagener zu ende führt. dieses bewußtsein, das für kurze zeit im ‘spartacus‘ noch einmal zur geltung gekommen ist, war der sozialdemokratie von jeher anstößig. im lauf von drei jahrzehnten gelang es ihr, den namen eines blanqui fast auszulöschen, dessen erzklang das vorige jahrhundert erschüttert hat. sie gefiel sich darin, der arbeiterklasse die rolle der erlöserin künftiger generationen zuzuspielen. sie durchschnitt ihr damit die sehne der besten kraft. die klasse verlernte in dieser schule gleich sehr den haß wie den opferwillen. denn beide nähren sich an dem bild der geknechteten vorfahren, nicht am ideal der befreiten enkel." (walter benjamin, über den begriff der geschichte)
aneignung 1
vom kampf gegen die "politik des 4. august" 1914 über die gruppe internationale und den spartakusbund zur gründung der kpd: DER KAMPF UM DEN REVOLUTIONÄREN BRUCH
vorweg: unsere auseinandersetzung mit diesem politischen prozeß
ausgehend von der frage, wie wir als gruppe den diesjährigen jahrestag der ermordung von rosa luxemburg und karl liebknecht politisch vorbereiten können, haben wir uns mit der entwicklung der parteilinken vom august 1914 bis zur gründung der kpd 1918 beschäftigt.
ausgangspunkt war dabei für uns der kampf um den revolutionären bruch, den der verrat der deutschen sozialdemokratie an der internationale am 4. august 1914 unweigerlich, wiewohl nicht schlagartig, sondern aus der ganzen entwicklung der partei in den vorangegangenen jahrzehnten folgerichtig auf die tagesordnung gesetzt hatte - hin zur parteigründung als einsicht in die notwendigkeit der eigenständigen organisierung als mittel des revolutionären bruches, des bruches nicht nur mit der mehrheitssozialdemokratie und der opportunistischen innerparteilichen opposition, die sich in der uspd organisiert hatte, sondern als bruch mit dem deutschen imperialismus. den erfahrungen der tiefen prägung des deutschen proletariats durch die spezifischen bedingungen des deutschen imperialismus im innern und die ihnen korrespondierende sozialdemokratie und als ausdruck des - trotz der eigenen fehler und niederlagen der vorangegangenen wochen und monate unbeirrten - festhaltens an der notwendigkeit der revolutionären eroberung der macht, also als schritt zur organisierung nicht als selbstzweck, sondern um sich unmittelbar die bedingungen für die fortführung des revolutionären kampfes anzueignen und zu erkämpfen.
bei unserer beschäftigung mit dieser entwicklung waren wir damit konfrontiert, daß der kampf der parteilinken und der ganze politische prozeß, der schließlich zur gründung der kpd führte, bei weitem nicht so glatt und stringent war, wie wir - von seiner politischen bedeutung ausgehend - angenommen hatten.
wenn wir im folgenden die entwicklung teils thematisch, teils aber auch chronologisch darstellen und dabei mitunter wiederholungen in kauf nehmen, so deshalb, weil wir die momente von echtem erschrecken, ja ungläubiger empörung über das ausmaß des verrats durch die mehrheitssozialdemokratie und des zurückschreckens vor einer über das warnen hinausgehenden ganz praktischen antizipation der weiteren konsequenzen, das mitunter quälende, die momente von zaghaftigkeit und selbstzweifel, die unsicherheit in der beurteilung des verhältnisses von eigener organisierung und internationalistischer revolutionärer massenmobilisierung

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nachvollziehbar machen wollen. daß unsere darstellung so ausführlich ausgefallen ist, hängt wiederum damit zusammen, sowohl in diesen momenten wie in denen der stärke, der unerbittlichen kritik am imperialismus wie am opportunismus in der sozialdemokratie, des klarsichtigen analytischen und strategischen urteils und der erfolgreichen aneignung politischer handlungsfähigkeit, den überlegungen und der reflexion derjenigen, die diesen prozeß getragen haben, möglichst breiten raum einzuräumen, ihn möglichst plastisch und genau wahrnehmbar zu machen.
vieles davon - gerade was den opportunismus und die notwendige abgrenzung gegen ihn angeht, aber auch die konfrontation mit der besonderen gefährlichkeit des deutschen imperialismus und die tiefe prägung auch der linken durch seine bedingungen im innern - kommt uns unglaublich bekannt vor.
dies so ausführlich zu dokumentieren, erfüllt für uns vor allem einen zweck: die parteilinken, die sich im august 1914 mit dem verrat der sozialdemokratie an der internationale konfrontiert sahen, konnten für sich mit fug und recht in anspruch nehmen, mit diesem verrat insofern in voller wucht konfrontiert worden zu sein, als sein ausmaß tatsächlich zuvor undenkbar war und sie vor eine vorher kaum antizipierbare und vor allem noch nicht dagewesene herausforderung gestellt waren. sie haben darum im kampf der jahre bis zur kpd-gründung für die revolutionäre linke neue erfahrungen gemacht: sie haben sie gemacht, sie haben sie dokumentiert und reflektiert. sich mit diesem erfahrungs- und reflexionsprozeß auseinanderzusetzen heißt für uns vor allem: ihn uns anzueignen, um ihn nicht wiederholen zu müssen.
darin liegt auch unser entschluß begründet, unseren aneignungsprozeß an diesem punkt öffentlich zu machen. zu "relativieren" sind die erfahrungen, um deren aneignung es hier konkret geht, unseres erachtens nur in zweierlei hinsicht. zum einen angesichts des qualitativen sprungs, der darin liegt, daß der deutsche imperialismus seither seine destruktivkräfte mit der vernichtung der europäischen jüdinnen und juden in einer dimension entfaltet hat, die offenbar selbst diejenigen, die den kampf um den revolutionären bruch ab 1914 geführt haben, noch nicht für möglich gehalten haben, ein qualitativer sprung, vor dem jede erfahrung mit blick auf ihre brauchbarkeit standzuhalten hat.
und zum anderen angesichts der quantitativen verschiebung, die darin liegt, daß wir über die vielfalt und den phantasiereichtum der äußerungsformen des opportunismus inzwischen so ungleich viel mehr wissen, daß es mitunter einer richtigen anstrengung bedarf, das ausmaß der konfrontation, der die parteilinke sich nach dem 4. august zu stellen hatte, überhaupt real zu beurteilen. auch der tatsache, daß diese quantitative verschiebung in weiten teilen zumindest der neuen linken für den opportunismus eher blinder gemacht, denn gegen ihn immunisiert hat, setzen wir diesen text entgegen.

III. ausgangslage 1: die internationale der antikriegsbeschlußlagen

vom 18. bis 27. august 1907 fand in stuttgart der 7. kongress der zweiten internationalen statt. lenin sah seine bedeutung darin "daß er die endgültige festigung der zweiten internationale und die umwandlung der internationalen kongresse in sachliche tagungen manifestiert, die auf charakter und richtung der sozialistischen tätigkeit in der ganzen welt von größtem einfluß sind" allerdings sei "eine bemerkenswerte und traurige erscheinung" gewesen, "daß die deutsche sozialdemokratie, die bisher stets die revolutionäre auffassung im marxismus vertreten hatte, diesmal schwankte oder sich auf einen opportunistischen standpunkt stellte. der stuttgarter kongress erbrachte die bestätigung einer tiefgründigen bemerkung von engels über die deutsche arbeiterbewegung. (...) 1886 schrieb engels (...): überhaupt ist es gut, daß den deutschen, namentlich seit sie so viel philisterelemente gewählt (was freilich unvermeidlich), die führung etwas streitig gemacht wird. in deutschland wird alles in ruhigen zeiten philisterhaft".
der kongress beschäftigte sich auch mit der "frage des militarismus, die" - so lenin - "das interesse aller am meisten in anspruch nahm," august bebel brachte im namen der gastgebenden deutschen sozialdemokratie eine resolution zu dieser frage ein, zu der rosa luxemburg und lenin abänderungsanträge stellten, um die notwendigkeit, "nicht allein die parlamentarischen kampfmethoden zu schätzen," sondern "zur aktion gemäß den neuen bedingungen des künftigen kriegs und der künftigen krise" aufzufordern, zu betonen also, "daß die fortschreitende verschärfung des klassenkampfes und die änderung der politischen situation auch unvermeidlich die änderung der kampfmethoden und kampfmittel erheischen."
in der mit rosa luxemburgs und lenins änderungsvorschlägen verabschiedeten resolution hieß es:
"droht der ausbruch eines krieges, so sind die arbeitenden klassen und deren parlamentarische vertretungen in den beteiligten ländern verpflichtet, unterstützt durch die zusammenfassende tätigkeit des internationalen bureaus, alles aufzubieten, um durch die anwendung der ihnen am wirksamsten erscheinendenden mittel den ausbruch des krieges zu verhindern, die sich je nach der verschärfung des klassenkampfes und der verschärfung der allgemeinen politischen situation naturgemäß ändern. falls der krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es die pflicht, für dessen rasche beendigung einzutreten und mit allen kräften dahin zu streben, die durch den krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische krise zur aufrüttelung des volkes auszunutzen und dadurch die beseitigung der kapitalistischen klassenherrschaft zu beschleunigen."
der folgende internationale sozialistenkongress vom 28. august bis 3. september 1910 in kopenhagen bestätigte diese beschlußlage ausdrücklich. lenin führte am rande des kopenhagener kongresses inoffizielle beratungen, unter anderem auch mit rosa luxemburg und julian marchlewski,

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um strategien gegen die weitere ausbreitung opportunistischer positionen in der zweiten internationale zu entwickeln. rosa luxemburg erinnert später in ihrer junius-broschüre an die reichstagswahlen 1911, - bei der diejenigen abgeordneten gewählt wurden, die im august 1914 über die bewilligung der kriegskredite zu entscheiden hatten - zu der die sozialdemokraten mit einem ´handbuch für sozialdemokratische wähler‘ antraten, in dem sie mit blick auf den zu erwartenden weltkrieg unter anderem schrieben: "glauben unsere herrschenden und herrschenden klassen dieses ungeheure den völkern zumuten zu dürfen? wird nicht ein schrei des entsetzens, des zornes, der empörung die völker erfassen und sie veranlassen, diesem morden ein ende zu machen? werden sie nicht fragen: für wen, für was das alles?" der für 1913 nach wien einberufene internationale sozialisten-kongress wurde angesichts der zugespitzten kriegsgefahr außerordentlich am 24. und 25. november 1912 in basel abgehalten, verbunden mit einer großkundgebung auf dem münsterplatz, an der sich 15.000 leute beteiligten und auf der auch bürgerliche pazifistInnen redeten. der einzige tagesordnungspunkt des kongresses: "die internationale lage und die gemeinsame aktion gegen den krieg", mit einem "manifest der internationale zur gegenwärtigen lage" bestätigte der kongress wiederum die beschlußlage zur kriegsfrage. rosa luxemburg zitiert 1915/16 in ihrer junius-broschüre den reichstagsabgeordneten david, später einer der unerbittlichsten kriegsbefürworter, der am 3. dezember 1912 im reichstag sagte: "das war eine der schönsten stunden meines lebens, das bekenne ich, als die glocken des münsters den zug der internationalen sozialdemokraten begleiteten (...). die massen hören auf, willenlose, gedankenlose herden zu sein (...) früher haben sich die massen blindlings von denen, die interesse an einem krieg hatten, gegeneinander aufhetzen lassen, das hört auf". der nächste kongress wurde für den 23. bis 29. august 1914 in wien verabredet, angesichts des unmittelbar bevorstehenden kriegsbeginns konnte rosa luxemburg auf einer sitzung des internationalen sozialistischen büros (isb) eine vorverlegung auf den 9. august in paris durchsetzen. am 1. august wurde der kongress durch das internationale sozialistische büro "infolge der letzten ereignisse (...) auf ein unbestimmtes datum vertagt."

IV. ausgangslage 2: die parteilinke bei kriegsbeginn

im frühsommer 1914 stellt die parteilinke in der deutschen sozialdemokratie trotz jahre-, zum teil jahrzehntelanger heftiger innerparteilicher auseinandersetzungen alles andere als eine geschlossene strömung dar. stärkere stützpunkte der linken gibt es vor dem krieg in berlin, stuttgart, bremen (dort die linksradikalen um johann knief), braunschweig, duisburg und leipzig. mit ihrem 1913 gegründeten periodikum "sozialdemokratische korrespondenz" versuchen rosa luxemburg, franz mehring und julian marchlewski, zur inhaltlichen vereinheitlichung der linken positionen in der partei beizutragen. stärkeren einfluß haben die linken ansonsten lediglich auf die parteiblätter "schwäbische tagwacht", "bremer bürgerzeitung", "braunschweiger volksfreund" und "gothaer volksblattt". mit kriegsbeginn wird ihnen die möglichkeit, ihre positionen in diesen parteiblättern zu veröffentlichen durch die zensur des belagerungszustandes wie des partei-vorstandes gleichermaßen umgehend genommen.
der belagerungszustand war die im kaiserreich für den kriegsfall vorgesehene form des notstandsrechts. mit der verhängung des belagerungszustandes ging die oberste exekutivgewalt an die militärführung über, die weitestgehend nach eigenem gutdünken jedwede maßnahme anordnen konnte, die die mit dem krieg gegebenen "sicherheitsinteressen" im innern und nach außen ihres erachtens erforderten. das betraf alle lebensbereiche von der lebensmittelzuteilung über die pressezensur bis zur internierung von staatsbürgerInnen der länder, mit denen deutschland sich im krieg befand und der anordnung von schutzhaft gegen politisch unliebsame. 1914 verfügte das militär über besonders weitreichende pläne zur zerschlagung der sozialdemokratie für den fall, daß diese sich tatsächlich gegen den krieg stellen würde. völlig überrascht durch den verrat der sozialdemokratie erging am 17. august 1914 ein erlaß, in dem es hieß, daß das vertrauen "zu unserer so tüchtigen arbeiterschaft" sich als gerechtfertigt erwiesen habe, "und dieses vertrauen soll durch nichts erschüttert werden". umso regeren gebrauch machte die parteiführung von den beschränkungen des belagerungszustands zur unterdrückung jeder innerparteilichen opposition. so verhalf sie dem begriff zu allgemeinpolitischem gebrauchswert
hugo eberlein schreibt zur situation zu beginn des krieges:
"am abend des 3. august 1914 ging ich mit rosa luxemburg vom vorwärts-gebäude in der lindenstraße nach südende. unsere stimmung war sehr gedrückt. wir kamen aus der erweiterten vorstandssitzung des sozialdemokratischen wahlvereins (...). rosa drängte den alten zubeil, den reichstagsabgeordneten unseres kreises, über die beschlüsse und festlegungen der fraktion zu der morgigen reichstagssitzung zu berichten. (...) der abgeordnete zubeil machte ein hilfloses gesicht und berief sich auf die schweigepflicht der fraktion, (...) auf dem heimweg erklärte rosa: ‘wir haben das schlimmste zu befürchten. die reichstagsfraktion wird uns morgen verraten, sie wird sich nur der stimme enthalten´, tags darauf (...) war die furchtbare katastrophe eingetreten. (...) direkt vom betrieb, gleich nachdem die entscheidung im reichstag gefallen war, eilte ich zu rosa. sie war fassungslos vor empörung. diese entscheidung hatte niemand von uns vorausgesehen und niemand für möglich gehalten. gewiß, differenzen in der sozialdemokratischen partei bestanden, und sie verschärften sich von monat zu monat. (...) daß aber die gesamte reichstagsfraktion am 4. august schmählichen verrat am proletariat und am sozialismus üben würde, schien unmöglich."

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die situation nach der befürwortung der kriegskredite durch die sozialdemokratische reichstagsfraktion am 4. august 1914 ist also widersprüchlich: die parteilinke ist einerseits von der entwicklung überrascht, ist darauf in keiner geeigneten form vorbereitet, sodaß auch karl liebknecht aus fraktionsdisziplin trotz eindeutiger, in der fraktion auch geltend gemachter gegnerschaft für die bewilligung stimmt, andererseits sind für die parteilinke die tiefgreifenden implikationen dieser entwicklung umgehend ersichtlich.
"dann holte ich noch am abend die besten uns bekannten genossen zu einer besprechung in rosa luxemburgs wohnung zusammen," schreibt hugo eberlein. an der besprechung, um umgehend zu überlegen, wie kräfte gegen den mit der bewilligung der kriegskredite durch die sozialdemokratische reichstagsfraktion eingeschlagenen weg gesammelt werden können, nehmen franz mehring, julian marchlewski (karski), ernst meyer, hermann duncker und wilhelm pieck teil.
einig und unbeirrbar sind sie mit blick auf die notwendigkeit, umgehend alle verfügbaren kräfte zu bündeln und handlungsfähigkeit zu entwickeln. völlig verunsichert sind sie mit blick auf die frage, wer in der partei als freund oder feind anzusehen sei. im ergebnis ihrer ersten beratung wird rosa beauftragt, telegramme an funktionärInnen im ganzen land zu verschicken, von denen angenommen wird, sie stünden gegen die "politik des 4. august" - darin laden sie kurzfristig zu einer beratung nach berlin ein. hugo eberlein: "über 300 telegramme trug ich am nächsten tag zur post. das resultat war katastrophal. clara zetkin war die einzige, die sofort und uneingeschränkt ihre zustimmung sandte. die wenigen anderen, die überhaupt antworteten, gebrauchten dumme und faule ausreden."
clara zetkin schrieb im herbst 1914 mit blick auf den 4. august: "als der zusammenbruch kam, meinte ich, wahnsinnig werden oder mich töten zu müssen. ich war einen monat lang schwer krank, und noch jetzt geht es mir nicht gut." als herausgeberin der frauenzeitschrift "gleichheit" immerhin trotz permanenten mißmuts der parteiinstanzen über ihre positionen mit einer halboffiziösen aufgabe betraut, steht sie, nachdem die "gleichheit" unter dem belagerungszustand und durch eine öffentliche boykottkampagne des parteivorstands gegen die abonnentlnnen kein forum mehr bietet, als internationale frauensekretärin einer nicht mehr existenten internationale da.
in dem wissen, daß der kampf gegen den krieg und der kampf um eine neue internationale eins sind, kommt sie der ihr übertragenen aufgabe in den folgenden jahren trotz wiederholter schwerer krankheit scheinbar völlig unbeirrbar weiter nach, nutzt alle ihr zur verfügung stehenden möglichkeiten aus, um nach und nach wieder beziehungen zu knüpfen und eine neue zusammenarbeit, eine diesmal wirklich von leben erfüllte, zum revolutionären kampf entschlossene internationale auch der frauen in den sozialistischen parteien herzustellen, mit einem trotz, als müsse sie nur - so, wie sie es schon immer verstanden hatte, - weiterarbeiten, dann komme auch wieder eine internationale zu ihrer frauensekretärin.
hinzu kommen in den folgenden tagen und wochen friedrich westmeyer und edwin hörnle in stuttgart, johann knief in bremen, fritz heckert in chemnitz und neben dem engeren kreis um karl liebknecht, rosa luxemburg, franz mehring und leo jogiches auch otto gäbel in berlin, der für den bildungsausschuß des großberliner reichstagswahlkreises niederbarnim tätig ist. mit ihm entsteht die idee, für die information, diskussion und zusammenführung oppositioneller kräfte innerhalb der partei materialien als referentenmaterial des bildungs-ausschusses zu verschicken.
so beginnt ende 1914 die verschickung von rundbriefen unter der schlichten überschrift "zur information", herausgegeben von karl liebknecht, julian marchlewski, hermann duncker und fritz ausländer. die herstellung und verbreitung übernimmt bis zu seiner verhaftung bei einer demonstration vor dem reichstag am 28.5.1915 wilhelm pieck, danach bis zu seinem einzug zum militär hugo eberlein.
von der ersten ausgabe an sehen sich die rundbriefe massiver sabotagetätigkeit des parteivorstandes ausgesetzt, der die verteilung zu unterbinden sucht. fortan erfolgen herstellung und verschickung illegal. die rundbriefe dürften durchaus spiegelbild der bestrebungen der parteilinken sein, mit gleichgesinnten innerhalb der partei einheitliche standpunkte und gemeinsame praktische vorstellungen zu erarbeiten; sie geben aber auch positionen der allmählich aufkommenden opportunistischen innerparteilichen opposition raum, drucken meldungen ab und resolutionen; unverkennbar drücken sich immer wieder auch empörung und offenes entsetzen über die entwicklung der mehrheitssozialdemokratie aus, die verdeutlichen, daß die parteilinke trotz ihrer eigenen eindeutigen haltung, trotz ihrer unbeirrbaren bestrebungen, eine dieser entwicklung entgegengestellte politik zu entwickeln, immer wieder vom ausmaß des verrats überrascht und erschüttert sind.
daneben besteht ihre erste konkrete initiative darin, um für den neuansatz internationalistischer politik, um den sie kämpfen, überhaupt eine tür offen zu halten, eine "erklärung an die redaktionen einiger schwedischer, italienischer und schweizer parteizeitungen" zu schicken, in der sie deutlich machen, "daß wir und sicherlich viele andere deutsche sozialdemokraten den krieg, seine ursachen, seinen charakter sowie die rolle der sozialdemokratie in der gegenwärtigen lage von einem standpunkte betrachten, der dem der mehrheitssozialdemokratie durchaus nicht entspricht. der belagerungszustand macht es uns vorläufig unmöglich, unsere auffassung öffentlich zu vertreten." - unterschrieben wird diese erklärung von karl liebknecht, rosa luxemburg, franz mehring und clara zetkin.

V. dezember 1914: karl liebknecht stimmt gegen weitere kriegskredite – die verschickung der rundbriefe beginnt

zum ersten entscheidenden schritt wird am 2.12.1914 karl liebknechts weigerung, der neuerlichen bewilligung von kriegskrediten zuzustimmen. seine begründung dieses schrittes - die in den stenographischen bericht der sitzung aufzunehmen, das reichstagspräsidium verweigert - wird zugleich noch im dezember als erster rundbrief verschickt. die bedingungen der sich formierenden parteilinken waren überaus schwierig. zum einen mit blick auf den stand ihrer eigenen organisierung als politische kraft (ganz real ist die parteilinke zu diesem zeitpunkt nicht mehr als ein loser verbund einzelner, wenn auch als rednerInnen und aus der bildungs-, frauen und jugendarbeit der partei oder durch funktionen in der soeben vom erdboden verschluckten zweiten internationale besonders bekannter genossinnen und genossen) und die erst im ansatz angepackte inhaltlich-politische vereinheitlichung unter ihnen; zum anderen mit blick auf die äußeren bedingungen, den belagerungszustand und die massive zensur, unter denen sorgsam abzuwägen ist, zu welchem zeitpunkt bzw. unter welchen voraussetzungen mit blick auf den stand der eigenen handlungsfähigkeit als formierter politischer strömung es sinn macht, aktionsformen zu gebrauchen, die zwangsläufig knast für diejenigen bedeuten, die sie öffentlich wahrnehmbar zu verantworten haben.
daher ist es nur folgerichtig, daß karl liebknechts parlamentarische aktionen zunächst ein herzstück des politischen prozesses der parteilinken bilden - was zunehmend einschließt, deren öffentlichkeitswirksamkeit eigenständig illegal gewährleisten zu müssen, da auch und gerade die berichterstattung über die ereignisse im reichstag massiver zensur unterliegt. dennoch ist die parteilinke an diesem punkt auch kind der verhältnisse, die zu dem verrat geführt haben, der nun den bruch mit diesen verhältnissen erfordert: einer sozialdemokratie, der es gelungen war, das bild vom revolutionären kämpfer mit dem des redegewaltigen, in der konfrontation mit der bürgerlichen form souveränen und der regierung die revolution als endlose abfolge schrittweiser konzessionen abtrotzenden reichstagsabgeordneten zur deckung zu bringen. nicht zuletzt karl liebknecht selbst dürfte diese vorstellung zutiefst verinnerlicht haben. als sohn des alten wilhelm liebknecht - einer der herausragenden gründungsväter der sozialdemokratie - waren karl marx und friedrich engels seine paten, seine jugend war geprägt von den jahren des parteiverbots, die seine familie aufs land verbannte und seinem vater jede politische betätigung verbot. als angesehener rechtsanwalt in ständiger konfrontation mit dem immanenten regelwerk der klassenjustiz vor allem durch die verteidigung in politischen prozessen gegen die arbeiterbewegung, galt er spätestens nach dem sog. königsberger prozeß, in dem er deutsche arbeiter verteidigt hatte, die des hochverrats angeklagt waren, weil sie marxistische schriften nach rußland geschmuggelt hatten, als "würdiger sohn" seines vaters - sein einzug in den reichstag, noch dazu in einem wahlkreis, der angesichts des ungünstigen wahlrechts nur unter heftigsten anstrengungen von der sozialdemokratie gewonnen werden konnte (der, sog. – "kaiserwahlkreis" potsdam-spandau-osthavelland), galt vielen eher als ausdruck einer entwicklung, mit der die schwere zeit der illegalität, ausgrenzung und repression für die arbeiterbewegung zu ende gehe.
karl liebknechts beharrliche theoretische und praktische arbeit für den aufbau einer eigenständigen, gegen august bebels willen grundlegend antimilitaristisch geprägten internationalen sozialistischen jugendbewegung, die ihm seinen ersten knastaufenthalt vom 24. oktober 1907 bis zum 1. juni 1909 einbrachte, und die zweifelsfrei ausdruck seiner persönlichen integrität und unbeirrbarkeit in den grundfragen des internationalismus und antiimperialismus war, galt zum zeitpunkt des kriegsanfangs 1914 für viele eher als reminiszenz an die - überwundenen - bitteren alten Zeiten (wobei sie für den erhalt dieses vermeintlich besseren stands allerlei zu zahlen bereit waren), denn als wegweiser darauf, was radikales kämpfen für die eigenen vorstellungen heißen könnte. auf jeden fall läßt die auch in den rundbriefen immer wieder dokumentierte, mitunter bis zur pedanterie gehende beharrlichkeit, mit der karl liebknecht immer und immer wieder die bedeutung und legitimität seiner parlamentarischen aktionen herausstreicht (und diese immer und immer wieder dem reichstagspräsidenten schriftlich vorlegt, um immer und immer wieder die verhältnisse zu entlarven, die darin ihren ausdruck finden, daß seine schriftlichen ausführungen nicht ins amtliche protokoll des reichstags aufgenommen werden) jenseits der richtigen wie bitteren erkenntnis, daß zunächst kaum andere handlungsmöglichkeiten zur verfügung stehen, die innere zerrissenheit karl liebknechts erahnen, die sich aus der tiefen verinnerlichung der vorstellung vom reichstagsabgeordneten als revolutionär einerseits und seiner eigenen integrität und den notwendigen konsequenzen aus der konfrontation mit dem gerade durch die reichstagsfraktion materiell gemachten verrat der sozialdemokratie an der internationale ergeben hat.
in der parteilinken ist karl liebknecht eher der absolute außenseiter und der gemeinsame politische prozeß mit der späteren gruppe internationale dürfte für ihn mit blick auf die vorstellung davon, was revolutionärer kampf sei, schon aus dem schlichten vorgang der aneignung persönlichen vertrauens, persönlicher nähe ein ganz unmittelbarer lernprozeß gewesen sein: etwa mit rosa luxemburg als polnischer jüdin, die als mitglied einer revolutionären sozialistischen partei aus polen schon hatte flüchten müssen, da ging karl liebknecht gerade an sein jurastudium. nach jahren des exils in der schweiz, während derer sie studierte, hatte sie - unter anderem zusammen mit julian marchlewski und leo jogiches (die später auch zur gruppe internationale gehören würden mit anderen - wie clara zetkin es ausdrückte – "´landfremden´, die wie die ´russisch-polnische jüdin´ rosa luxemburg sich durch arbeit und kampf unveräußerliches heimatrecht in jedem deutschen proletarierherzen erworben haben, das für freiheit schlägt.") die polnische sozialdemokratie mitbegründet. 1898 war rosa luxemburg nach deutschland gekommen. abgesichert durch eine scheinehe (und mit soviel an geld in der tasche, wie ihre sekretärin mathilde jacob später als gebühr für die bergung ihrer leiche aus dem landwehrkanal wird zahlen müssen). 1904 kommt sie das erste mal wegen "majestätsbeleidigung" für drei monate in den knast. ende 1905, inzwischen hat sie sich wegen einer rede auf dem parteitag in jena über den politischen massenstreik weitere zwei monate knast eingefangen - geht rosa luxemburg illegal nach warschau, um sich im rahmen der revolutionären kämpfe in rußland am kampf der polnischen sozialisten gegen den zarismus zu beteiligen. dort wird sie im märz 1906 verhaftet, kommt aber aufgrund ihres schlechten gesundheitszustandes auf kaution frei. auf umwegen nach deutschland zurückgekehrt, kommt es zum parteitag der sozialdemokraten in mannheim im september 1906 zur zusammenarbeit mit karl liebknecht: zusammen forcieren sie in auswertung der russischen revolution die diskussion um die bedeutung von massenstreiks für den revolutionären umsturz. karl liebknecht, durch den königsberger prozeß mit revolutionärer politik in russland in berührung gekommen, hatte sich mit klarem gespür für die grundlinien revolutionärer politik einen fundierten zugang zur relevanz der kämpfe in rußland angeeignet, rosa luxemburg sprach über schlußfolgerungen und kriterien aus der erfahrung ihres unmittelbar vorangegangenen praktischen kampfes. diese schlaglichter nur zum besseren verständnis, wie unterschiedlich zusammengewürfelt diejenigen waren, die den kampf 1914 aufnahmen - und warum die gruppe internationale nicht nur von ihrem politischen anspruch her, sondern ganz real schon von der zusammensetzung her eine - internationale war.
ebenfalls noch im dezember 1914 wird der zweite rundbrief verschickt. er entspricht in der form tatsächlich ganz traditionellem "referentenmaterial": "da das thema ‘sozialdemokratie und krieg‘ unsere referenten unablässig beschäftigen muß, machen wir ihnen den artikel von konrad haenisch zugänglich, der im "hamburger echo" erschienen ist (...) und gleichzeitig eine kritik dieser ausführungen aus der feder eines anderen genossen," so die einleitung. in der "kritik dieser ausführungen" heißt es u.a.:
"‘die ungeheure revolutionäre zuspitzung der klassengegensätze ist ausgeblieben‘, verkündet pudellustig der genosse haenisch! (...) und andere haben freilich bei ihren ausführungen über die folgen des kriegs damit gerechnet, daß jene zuspitzung der klassengegensätze alsbald die revolutionäre energie der massen auslösen würde. darin haben sie geirrt. sie haben nämlich den faktor außer acht gelassen, den allerdings niemand voraussehen konnte. die einsetzung der ganzen organisierten macht der deutschen sozialdemokratischen partei und der gewerkschaften für die kriegführende regierung (...) wenn die sozialdemokratische fraktion die kriegskredite nicht bewilligt hätte, so wären diese gegen ihren willen beschlossen worden, und es wäre darum noch nicht ein mann weniger ins feld gerückt, es wäre noch nicht ein schuss weniger abgefeuert worden (...) dadurch, daß die sozialdemokratie sich in den dienst der kriegführenden deutschen regierung stellte (...) wurde erzielt, daß in europa alle faktoren ausgeschaltet sind, außer der militärischen gewalt (...) sie hat, indem sie für die kriegskredite stimmte, die verantwortung für die gesamte politik der regierung, die innere wie die auswärtige, sowie für die deutsche kriegführung in allen einzelheiten übernommen. (...) indem sie zustimmte, hat sie für die greuel des krieges die verantwortung übernommen im namen des deutschen proletariats. damit hat sie ihr mandat mißbraucht."
eine - wie wir finden - auch mit blick auf aktuelle diskussionen zentrale klarstellung in bezug auf das verhältnis von "verantwortungsethik", "gewissensentscheidungen" und politischem kotau "oppositioneller" parlamentarierInnen, sofern man denn gewillt ist, sich mit der immanenten logik parlamentarischer politikformen auseinanderzusetzen: mitnichten war die durchführung der angeblichen "landesverteidigung" davon abhängig, daß die sozialdemokratische reichstagsfraktion der bewilligung der kriegskredite zustimmt. in die imaginäre waagschale hatte die sozialdemokratie nicht etwa, was ja für die wahnvorstellung, anrecht auf künftige konzessionen anhäufen zu können, die voraussetzung wäre, zu werfen, daß die regierung für ihr kriegsprojekt auf ihre zustimmung angewiesen war; einzubringen hatte sie vielmehr die umkehrung des selbstverständnisses der zweiten internationale, ein krieg könne - angesichts der stärke der arbeiterbewegung gerade im rücken der aggressivsten imperialistischen macht deutschland - gar nicht mehr geführt werden. umkehrung in: den dynamischen, die volle entfaltung der destruktivkräfte erst ermöglichenden prozeß eines nicht mehr begrenzbaren weltkrieges, der nicht nur überhaupt nur, sondern dann auch mit bisher ungekannter brutalität und zerstörungswut als imperialistischer geführt werden kann, weil die sozialdemokratie ihn unterstützt. eine umkehrung, deren grundlegende bedeutung einerseits von der parteilinken unmißverständlich benannt, aber gleichwohl offenkundig nicht in der ganzen notwendigen tiefe begriffen wird, denn mit der eigentlichen konsequenz dieser umkehrung wird die parteilinke in der novemberrevolution konfrontiert sein: der umkehrung der unabweisbaren feststellung, zwischen revolution und barbarei gebe es keinen dritten weg, weil die bürgerliche herrschaft vor dem zwangsläufigen zusammenbruch stehe, in die erfahrung, daß die bürgerliche herrschaft als gründlich barbarisierte durchaus aufrechtzuerhalten sei, wenn sich die sozialdemokratie zu ihrem politischen vollzugsorgan macht. eine erfahrung, die für rosa luxemburg, karl liebknecht und leo jogiches wie für tausende von arbeiterInnen als die ihrer ermordung gestalt annehmen wird.
auch der dritte rundbrief vom 20.3.1915 beschäftigt sich mit dem verhalten der sozialdemokratischen reichstagsfraktion. am 20.3. hatte die mehrheit der fraktion dem etat zugestimmt. von den darin veranschlagten 13 milliarden mark waren über 11 milliarden zur deckung der kriegskosten vorgesehen. über jahrzehnte hatte es zum grundlegenden selbstverständnis der partei gehört, den haushalten weder in den landtagen noch im reichstag zuzustimmen, weil es diesseits der expropriation der expropriateure in etatfragen keinerlei gestaltungsspielraum gebe, für den sozialdemokraten in die verantwortung zu nehmen wären. vereinzelte verstösse durch landtagsfraktionen hatten zu nachhaltiger maßregelung geführt. daß fraktionen ihre zustimmung zum haushalt grundsätzlich zu verweigern hatten, war durch mehrere parteitage explizit festgelegt und bekräftigt worden. wiederum wird der verräterische charakter des vorgehens der reichstagsfraktion ( karl liebknecht und der dresdner abgeordnete otto rühle hatten als einzige dagegen gestimmt, 30 abgeordnete entfernten sich ohne öffentliche begründung vor der abstimmung aus dem saal) betont und festgestellt:
"parteigenossen! bei euch liegt die letzte entscheidung! rettet die von der fraktion schnöd im stich gelassene kampfesfahne des internationalen revolutionären sozialismus! an den pranger mit den prinzipienverrätern! haltet durch im sozialismus!"

1. aufbau eigener strukturen innerhalb der partei und der schritt zu eigenständigen aktionen und mobilisierungen

ende januar 1915 wird der erste - von fritz ausländer verfaßte - aufruf öffentlich in umlauf gebracht: "die welt speit blut". er ist stark darauf orientiert, an die phrasen der politik des 4. august anknüpfend die notwendigkeit (bzw. in der logik der mehrheitssozialdemokratie: die möglichkeit) von aktionen gegen den krieg zu begründen. in dem aufruf heißt es unter anderem:
"mag anfangs die parole der landesverteidigung gutgläubig ausgegeben sein - die imperialisten hüben wie drüben sprachen gleich unverhohlen aus, worum es gehe. heute zeigt der krieg sein wahres gesicht (...) tatsache ist die militärisch günstige lage deutschlands, das seine grenzen gesichert hat und den krieg in feindesland führt, gerade darum können wir zuerst das wort `frieden‘ aussprechen. (...) getreu den beschlüssen der internationalen kongresse und unserer parteitage fordern wir, die wir den krieg nicht verhindern konnten, nunmehr mit allen mitteln auf einen baldigen friedensschluß hinzuwirken."
am 18. februar 1915 wird rosa luxemburg überraschend verhaftet, um eine einjährige knaststrafe, zu der sie ein jahr zuvor wegen ihrer angeblichen aufforderung an die deutschen arbeiter, nicht in den krieg zu ziehen, verurteilt worden war, abzusitzen. sie fehlt künftig einerseits der praktischen arbeit in berlin, verfaßt aber andererseits im frauenknast in der barnimstraße neben etlichen kleineren arbeiten die junius-broschüre über "die krise der sozialdemokratie" und erarbeitet die "leitsätze", die anfang 1916 zur programmatischen basis der weiteren gemeinsamen arbeit werden. so gewährleistet sie, indem sie die knastzeit konzentriert der aneignung widmet, daß die parteilinke knapp anderthalb jahre nach dem 4. august endlich über eine systematisierte aufarbeitung der entwicklungslinien, die die sozialdemokratie zum verrat führten, und eine in klaren leitsätzen für den weiteren kampf mündende einschätzung ihrer situation und kampfbedingungen verfügt.
am 5. märz 1915 findet in der wohnung von wilhelm pieck eine besprechung statt, bei der unter anderem genossInnen als vertrauensleute für je ein gebiet verantwortlich bestimmt werden, die künftig die verteilung von material organisieren und in den ihnen übertragenen gebieten gezielter die kräfte bündeln und praktische schritte koordinieren sollen. an der besprechung nehmen aus berlin neben wilhelm pieck hermann und käte duncker, karl liebknecht und franz mehring teil, sowie peter berten (düsseldorf), otto gäbel (niederbarnim), otto geithner (gotha), paul levi (frankfurt main), außerdem bernhard menke und otto rühle (dresden). zu diesem zeitpunkt gibt es anfangskontakte in dreihundert städte, diese besprechung gilt als konstituierende zusammenkunft der sog. "gruppe internationale", unter anderem wird die herausgabe einer legalen zeitung, "die internationale", beschlossen. herausgegeben von rosa luxemburg und franz mehring unter mitarbeit von clara zetkin, julian marchlewski und käte duncker (für die herstellung und den vertrieb ist wiederum wilhelm pieck verantwortlich) erscheint die erste ausgabe am 15.4.1915 in einer auflage von 9000 stück. sie wird umgehend verboten (allerdings nachdem die auflage komplett vertrieben ist und tausende von nachbestellungen eingegangen sind) und der vorzensur unterstellt, sprich: alle künftigen ausgaben hätten vor ihrer veröffentlichung von den zensurbehörden genehmigt werden müssen.
daraufhin wird auf die weitere herausgabe verzichtet, gleichwohl hatte die mit der verbreitung des aufrufs ende januar angelegte entscheidung, eigenständig, also außerhalb bzw. gegen die offiziellen parteistrukturen handlungsfähig zu werden und öffentlich zu aktionen gegen den krieg zu mobilisieren, ihre entsprechung im aufbau eines eigenständigen vertrauensleutesystems innerhalb der partei und der entscheidung für die herausgabe einer eigenen legalen zeitung gefunden.
seinen ersten unmittelbar praktischen ausdruck findet dieser prozeß dann in einer demonstration am 18.3. (Jahrestag des volksaufstandes in berlin am 18.3.1848) vor dem reichstag, an der 500 menschen, vor allem frauen, teilnehmen. ihr folgt am 28.5. - im mai ist karl liebknechts flugblatt "der hauptfeind steht im eigenen land!" veröffentlicht und verbreitet worden - eine neuerliche demonstration am reichstag, an der bereits 1.500 menschen, wiederum überwiegend frauen, teilnehmen, die von berittener polizei brutal zerschlagen und über die eine absolute nachrichtensperre verhängt wird. zu den 20 verhafteten gehört u.a. wilhelm pieck. bis zum november 1918, also bis zur rückkehr der eingezogenen männer mit ihren aufständischen truppenteilen, wird es so bleiben, daß alle formen von protest, die aktionen auf der straße, hungerunruhen und die kämpfe in den betrieben ganz überwiegend von frauen getragen werden.
es ist keineswegs so, daß dies der gruppe internationale nicht auffallen würde, anlaß zu irgendeiner art reflexionsprozeß ist es ihnen aber nicht. selbst clara zetkin, für die zu der in abgrenzung gegen die bürgerliche frauenbewegung vehement, mitunter reduktionistisch vertretenen prämisse, auch für die frauen gebe es keine befreiung ohne die befreiung vom kapitalismus. die in der sozialdemokratie wie später von der kpd standhaft ignorierte gleichwichtige prämisse gehörte, der kampf um den sozialismus werde ohne den revolutionären kampf der frauen nicht gelingen (und demnach eben auch nicht, ohne daß die partei alle notwendigen bedingungen ermöglicht, bereitstellt und fördert, die erforderlich sind, um die frauen zu befähigen, den männern gleichgestellt den kampf zu führen), wird erst im rahmen ihrer tätigkeit als frauensekretärin der neuen internationale wieder mit nachdruck die auseinandersetzung um den stand der frauen in der kommunistischen bewegung forcieren; dann allerdings unter einforderndem verweis auf ihren anteil an den revolutionären kämpfen während und im anschluß an den weltkrieg.
zugleich zeichnen sich erste schritte zur zusammenführung einer tragfähigen neuen internationale ab. vom 26. bis 28. märz 1915 findet auf initiative vor allem der auslandsvertreterinnen der bolschewiki eine von dara zetkin illegal einberufene internationale sozialistische frauenkonferenz in bern statt, die zu massenkundgebungen gegen den imperialistischen krieg aufruft. clara zetkin nimmt an der konferenz mit einer delegation teil, der käte duncker, margarethe wengels, martha arendsee, berta thalheimer, lore agnes und toni sender angehören. aus taktischen erwägungen stellt sich clara zetkin auf der konferenz gegen die position der polnischen und der von nadeshda krupskaja geleiteten bolschewistischen delegation, die auf eine explizite abgrenzung gegen die verräterischen parteien drängen. clara zetkin fürchtet, daß die verabschiedung einer derartigen resolution auf der offensichtlich durch sie einberufenen konferenz ihre völlige politische isolation in deutschland und obendrein zwangsläufig ihre verhaftung bei der rückkehr nach deutschland (nach ihrer ohnehin illegalen ausreise) nach sich ziehen würde. daher setzt sie durch, daß, neben einer von käte duncker und angelica balabanoff geschriebenen gegenresolution, ein von ihr selbst verfaßter aufruf an die frauen der ganzen welt verabschiedet wird, in dem es unter anderem heißt:
"nicht die verteidigung des vaterlandes, seine vergrößerung ist der zweck des krieges (...) die männer der kriegführenden länder sind zum schweigen gebracht worden. der krieg hat ihr bewußtsein getrübt, ihren willen gelähmt, ihr ganzes wesen entstellt. aber ihr frauen (...). worauf wartet ihr noch, um euren willen zum frieden. euren protest gegen den krieg zu erheben? was schreckt ihr zurück? (...) nieder mit dem kapitalismus, der dem reichtum und der macht der besitzenden hekatomben von menschen opfert! nieder mit dem krieg! durch zum sozialismus!"
vom 4-6. april 1915 findet dann in bern eine internationale konferenz der sozialistischen jugendorganisationen statt, die sich gegen den krieg wendet und jede burgfrieden-politik verurteilt. sie beschließt die herausgabe einer zeitschrift, die "jugendinternationale", an der lenin und karl liebknecht mitarbeiten werden, und richtet zur finanzierung ihrer weiteren arbeit einen "karl liebknecht fonds" ein. die resolution enthält unter anderem die feststellung:
"der boden für eine revolutionäre empörung ist gegeben, säen wir."
gerade diese formulierung empört die mehrheitssozialdemokratie ganz ausgesprochen und wird von ihr zum anlaß genommen, die konferenz aufs schärfste zu verurteilen und jede beschäftigung mit ihren ergebnissen vehement zu untersagen.
um auch karl liebknecht, der als reichstagsabgeordneter vorerst etwas stärkeren schutz genießt, weitgehend aus dem verkehr zu ziehen, wird er im februar 1915 als armierungssoldat eingezogen und muß am 29.6.1915 an die ostfront. künftig kann er nur noch zur teilnahme an den reichstagssitzungen nach berlin - und nur dazu und nur dorthin. alle weiteren politischen aktivitäten außer den sitzungen entfaltet karl liebknecht bis zu seiner verhaftung am 1. mai 1916 illegal, was neben dem persönlichen risiko außerhalb des engeren kreises der ohnehin illegal arbeitenden gruppe internationale einen entsprechenden sicherheitsaufwand für alle bedeutet, die die zusammenarbeit oder auch nur die auseinandersetzung mit ihm suchen.
der vierte der (nach dem scheitern des versuchs mit der legalen "internationale" fortgeführten) rundbriefe der sich formierenden gruppe vom august 1915 veröffentlicht zwei erklärungen von karl liebknecht im zusammenhang mit einer beratung der fraktion vom 14 - 16.8. auf der unter anderem thesen von dr. eduard david zur "friedensfrage" beraten werden (jenes abgeordneten david, für den die anti-kriegs-kundgebung anläßlich des internationalen sozialisten-kongresses in basel 1912 eine der schönsten stunden seines lebens gewesen war). karl liebknecht stimmt gegen die annahme dieser thesen und formuliert noch am 16.8. in einem brief an den fraktionsvorstand seine gründe für die ablehnung. darin geht er detailliert auf verschiedene aspekte der thesen ein, u.a. schreibt er:
"david hält als ‘sozialdemokrat‘ für deutschland einen frieden nur für diskutabel, wenn er siegreich ist, und fordert im gleichen atemzug von den sozialistischen parteien der anderen länder friedensbereitschaft unter anerkennung der niederlage des eigenen landes! (...) der gedanke des intemationalen klassenkampfes muß die sozialistische aktion, auch die gegen den krieg, beherrschen; der kampf muß in jedem lande gegen die eigene regierung gerichtet werden; (...) der kampf um die friedensgestaltung, bei dem die herrschenden klassen, den schwertknauf in der hand, aufstampfen werden, wird ein machtkampf derbster art ohne alle sentimentalitäten. burgkrieg, nicht burgfrieden ist dazu vonnöten (...) der kampf hat gegen die regierung und die herrschenden klassen zu gehen, als die träger der imperialistischen und annexionspolitik. (...) alle friedenswünsche, die bei innehaltung der politik des 4. august ausgesprochen werden, sind tönendes erz und klingende schellen. der weg dieser politik führt in ewigkeit nicht zur wiederherstellung der internationale. nur der weg des klassenkampfes führt dahin:

dieser weg aber kann nach dem bisher geschehenen nicht mehr nach vorheriger abrede gleichzeitig in allen ländern beschritten werden. in einem lande muß begonnen werden. die übrigen werden mitgerissen werden. so ist die eröffnug des klassenkampfes in deutschland das einzige uns deutschen sozialdemokraten zu gebote stehende mittel zur wiederherstellung der internationale, zur einsetzung ihrer macht für den frieden. und die politik der rücksichtslosen opposition gegen die eigene regierung ist in zeiten, wie jetzt, die einzige, um den größtmöglichen einfluß auf die regierung im sinne der sozialdemokratischen ziele zu gewinnen."
am 17.8. verfaßt karl liebknecht in gleicher sache ein weiteren (im gleichen rundbrief veröffentlichten) brief an den fraktionsvorstand. der eindruck drängt sich auf: erneut ist er vom ausmaß der parteinahme für den imperialismus so überrascht, daß er es erst im zweiten anlauf zu benennen vermag, er schreibt:
" (...) erkläre ich in ergänzung meiner gestrigen, in aller eile hingeworfenen schriftlichen begründung und meiner mündlichen ausführungen in der diskussion weiter: (...) das votum vom 16. august bedeutet also sowohl die preisgabe unserer bisherigen grundsätze in der annexionsfrage wie die preisgabe einer selbständigen sozialdemokratischen politik; sowohl den programmatischen wie taktischen umsturz:
das bekenntnis zu dem bereits am 4. august 1914 begonnenen und im mai 1915 vollendeten zusammenbruch der sozialdemokratischen politik in der deutschen sozialdemokratischen reichstagsfraktion. (...) die ablehnung der davidschen thesen bedeutete für mich das bekenntnis, daß ich sozialdemokrat, so wie ich dies wort verstehe, bin und bleiben will, mit parteigruß, k. liebknecht"
der fünfte rundbrief, ebenfalls vom august 1915, beschäftigt sich neben der dokumentation verschiedener meldungen und resolutionen mit der rolle der parteipresse. dokumentiert wird eine protesterklärung der niederrheinischen parteipresse, in der es heißt:
"ob unter solchen umständen die rechtsstehende parteipresse, die von der zensur weniger oder nicht behelligt wird, ihre günstigere lage weiter zur schaffung eines entstellten bildes der parteimeinung ausnützen will, bleibt ihr überlassen. die unterzeichneten redaktionen weisen jedenfalls jegliche verantwortung für die wirkungen eines derartigen verhalten von sich"
die parteipresse hatte mehrheitlich nicht nur die politik des 4. august unterstützt, sondern die opposition dagegen auch wiederholt angegriffen und denunziert. der karlsruher "volksfreund" hatte sich unter anderem am 17.6. von einem illegalen flugblatt, das vorwiegend von genossInnen verteilt wurde (es handelt sich um die resolution der berner konferenz der jugend-internationale), distanziert:
"dasselbe ergeht sich in allerhand unveranwortlichen redensarten (...) die frauen warnen wir, sich ja nicht zu unbesonnenheiten hinreißen zu lassen. in berlin sind mehrere frauen dieserhalb verhaftet worden."
in den folgenden tagen wurden in karlsruhe 20 genossInnen verhaftet, darunter clara zetkin. nach dieser verhaftung kann clara zetkin sich nochmal herauswinden, die flugblätter hat sie rechtzeitig entsorgen können. am 29. juli aber wird sie erneut festgenommen und kommt erst am 12. oktober aufgrund ihres schlechten gesundheitszustandes unerwartet wieder frei. der sechste rundbrief vom september 1915 ist "umfangreicher als je. in den mittelpunkt unserer aufmerksamkeit hat die annexionsfrage zu treten, da bedauerlicherweise die stimmen innerhalb der partei für eine (wirtschaftliche) zwangsangliederung besetzter gebiete sich mehren." es folgen zwei artikel, die das einschwenken der mehrheitssozialdemokratie auf offen annexionistische positionen "entlarven". dokumentiert wird u.a. ein zitat aus der "internationale korrespondenz" (ik), einem offiziösen rechtssozialdemokratischen pressedienst:
"wenn aber der friede einmal kommt, so hat auch die sozialdemokratie ein großes interesse daran, daß er dem deutschen volke - um mit dem kanzler zu reden - alle nur möglichen realen garantien für unsere zukünftige sicherheit und wirtschaftliche entwicklung gibt. es ist lächerlich anzunehmen, daß dies nur in der form von annexionen geschehen könne, im gegenteil. sie bedrohen die ruhige entwicklung und den frieden eines volkes in der regel auf das allerschwerste. dagegen gibt es wirtschaftliche verknüpfungsmöglichkeiten, mit denen man diese ziele viel besser und für längere dauer erreichen kann, und die sozialdemokratie, die in der wirtschaftlichen über die nationalen grenzen hinausgehenden ausdehnungsfähigkeit der produktion einen der ausschlaggebendsten faktoren für die entwicklung zu ihren zielen sieht, hätte wahrhaftig keine veranlassung, sich gegen derartige beim friedensschluß zu erzielende wirtschaftliche interessengemeinschaften zu wenden, oder soll sie etwa für die errichtung möglichst vieler nationaler schranken (...) eintreten?"
auch konrad haenisch hat sich im "hamburger echo" am 2.6.1915 erneut hervorgetan:
"gewiß: wir sozialdemokraten haben die lösung aller dieser europäischen fragen auf ganz andern wegen erstrebt als auf den blutigen pfaden des krieges, und wir alle empfinden es als ein furchtbares verhängnis, daß diese entwicklung auf diese bahnen gedrängt worden ist, aber diese empfindung darf uns nun und nimmermehr dazu verführen, unser friedensprogramm etwa dahin zu formulieren: es muß alles beim alten bleiben (...). mit einem solchen programm des trägen beharrens würden wir nur den ebenso lächerlichen wie aussichtslosen versuch machen, den krieg als hebel der weltgeschichte einfach auszuschalten"
. es folgt dann noch neben weiteren meldungen und resolutionen ein artikel unter der überschrift "sollen wir belgien annektieren?", der mit den worten beginnt, "von bürgerlicher seite wird zu dieser frage geschrieben" und mit vielfältigen argumenten belegt, daß an einer derartigen annexion kein vernunftbegabter mensch interesse haben könne.
auch die drei folgenden rundbriefe haben in erster linie "entlarvenden" charakter. der siebte analysiert "die annexionsgelüste der kapitalisten" und weist im artikel "englische friedensangebote" nach, daß die deutsche regierung eine beendigung des krieges und friedensverhandlungen systematisch vereitelt. der achte rundbrief beschäftigt sich mit dem besuch des vorstandsmitgliedes müller bei den französischen sozialisten am 1. august 1914, bei dem dieser noch zugesichert hatte, eine bewilligung der kriegskredite durch die sozialdemokratie sei praktisch ausgeschlossen. der neunte rundbrief berichtet vom verbot des "gothaer volksblatt" nach der veröffentlichung eines berichts am 9.1.1915, in dem es unter anderem heißt:
"die sozialdemokratie als regierungsschützling ist das weitaus wichtigste innerpolitische ereignis dieser ´großen‘ zeit deutschvölkischer regeneration."
die parteizeitung in kassel hatte zum verbot geschrieben: "wir bedauern, daß das gothaer volksblatt, mit dessen haltung wir in vielen punkten nicht einverstanden waren, durch die umgehung der zensur das verbot herausgefordert hat," in der parteizeitung "altenburger volkszeitung" war kommentiert worden:
"nach unserer überzeugung hätte das blatt diesen zustand umgehen können, wenn es gewollt hätte. eine kritik der verfügung ist unter dem jetzigen zustand leider nicht möglich. sonst würden wir der überzeugung ausdruck geben, daß die behörden dem überradikalen getue zu viel bedeutung beimessen."
ferner wird in diesem rundbrief vom aufruf eines genossen der rumänischen sozialisten, c. racovski, berichtet, der schrieb:
"das traurigste ist aber, daß unsere gegner waffen gegen uns aus dem sozialistischen arsenal frankreichs und deutschlans entnehmen. gegen uns treten zum beispiel deutsche sozialdemokratische abgeordnete auf (...) werfen wir die eroberungsinstinkte von uns, die in den seelen der sozialisten wach geworden sind! nicht der triumph des einen oder des anderen imperialismus bietet eine bürgschaft für die rechte der völker und klassen und für ihre freie entwicklung, sondern der sieg der sozialistischen internationale, die einig sein muß und erfüllt vom wirklichen sozialistischen und revolutionären geiste."
die auseinandersetzungen in der partei verschärfen sich zunehmends. am 29. oktober 1915 stürmen 200 frauen eine parteivorstandssitzung in berlin und bringen dort nachdrücklich und auch handgreiflich ihre auffassung über die "politik des 4. august" zum ausdruck.
im zehnten rundbrief vom november 1915 wird ein rundschreiben des parteivorstandes an die landes- und bezirksorganisationen dokumentiert, darin heißt es:
"an eine anzahl unserer parteifunktionäre wurde mit anderem auf der schreibmaschine vervielfältigtem ´material´ auch ein anonymes schreiben folgenden wortlauts versandt (...) dieses schreiben veranlaßt uns zu einem hinweis auf unseren am 1. august 1914 veröffentlichten aufruf, in dem es hieß: die strengen vorschriften des kriegsrechts treffen mit furchtbarer schärfe die arbeiterbewegung. unbesonnenheiten, nutzlose und falsch verstandene opfer schaden in diesem augenblick nicht nur dem einzelnen sondern unserer sache.
die in dem oben zitierten anonymen schreiben ausgesprochene auffassung, daß die partei grundsätzlich unterstützungen und rechtsschutz zu gewähren hat, auch wenn einzelne unbesonnen nutzlose handlungen begehen, ist irrig. die von der arbeiterschaft in so schwerer zeit aufgebrachten gelder dürfen nicht sinn- und zwecklos geopfert werden. (...) eine veröffentlichung dieses zirkulars muß unterbleiben"
vor allem aber berichtet der rundbrief von der zimmerwalder konferenz vom 5. bis 8. september 1915, an der zehn delegierte verschiedener fraktionen der innerparteilichen Opposition aus deutschland teilgenommen hatten, zu der die offizielle partei jedoch aufgrund ihrer eindeutigen haltung nicht eingeladen worden war - und von der distanzierung des parteivorstandes von ihren ergebnissen.
die konferenz, die auf drängen und nach aufwendigen vorbereitungen vor allem der standhaft gebliebenen genossInnen in der italienischen partei und in der schweiz zustandegekommen war, hatte entscheidende grundlagen für die schaffung einer neuen internationale gelegt. entscheidend waren für diesen neuanfang allerdings eher die am rande getroffenen vereinbarungen, die in kleineren runden verbindlich vereinheitlichten minderheitenpositionen, die in den offiziellen diskussionen und beschlußlagen dieser und der folgenden zimmerwalder konferenz keine mehrheiten fanden; vor allem auf initiative lenins wurde hier eher informell ein gleichwohl verbindlicher politischer prozeß in die wege geleitet, der für das entstehen der dritten internationale sicher mehr an boden schuf, als die eigentlichen konferenzen. zu einer scharfen kontroverse kam es durch die haltung deutscher delegierter an der frage einer verbindlichen verpflichtung zur ablehnung der bewilligung jeglicher weiterer kriegskredite. mit der "begründung, daß der betreffende deutsche delegierte selbst zugegeben habe, die strikte ablehnung ergebe sich von selbst aus dem übrigen inhalt der resolution." wurde auf eine entsprechende explizite formulierung verzichtet. der bericht schließt:
"zur fortsetzung des gemeinsamen kampfes für den frieden, zur festigung der neugeknüpften bande der internationale wurde ein zentralpunkt geschaffen: ein internationales sozialistisches komitee. es wurde ausdrücklich betont, daß das komitee nicht eine dauernde neue einrichtung gegen das sozialistische büro sei, es sollte nur so lange bestehen, so lange das büro seine pflichten nicht erfüllt. (...) die vertreter der verschiedenen länder schieden mit dem bewußtsein, daß die bande der internationalen proletarischen solidarität von neuem geknüpft und daß diese internationalen bande ihnen neue kraft und zuversicht im kampfe im eigenen lande geben."
in einem späteren politischen brief vom mai 1916 - also nach der zweiten zimmerwalder konferenz - wird es heißen, die "eigentliche bedeutung" der ersten konferenz habe "in ihrem zustandekommen selbst" gelegen, "darin, daß sie das erste deutlich sichtbare symptom der internationalen sozialistischen selbstbesinnung und des bedürfnisses nach zusammenschluß war." die unzufriedenheit in der gruppe internationale mit dem eher schwankenden kurs - der mogelpackung bei der nicht-festlegung auf die verweigerung der zustimmung zu weiteren kriegskrediten beispielsweise und die einrichtung eines eigenen büros, das dann aber - entgegen dem ausgangspunkt des ganzen zimmerwalder versuchs - doch nur agieren soll, bis das isb der alten internationale wieder "zur besinnung" gekommen ist, nimmt in der folgezeit zwangsläufig zu. ohne allerdings bei der zimmerwalder linken - die, zumindest was die sich ihr zugehörig fühlende deutsche parteilinke angeht, die minderheit der an den zimmerwalder konferenzen beteiligten darstellt - das tiefe vertrauen auf eine kraftvolle entfaltung des damit wieder aufgenommenen ansatzes zur schaffung einer neuen internationale trüben zu können. "als die berufenen vertreter der sozialdemokratischen partei deutschlands" erklärt der vorstand in seinem - wiederum nicht zur veröffentlidiung bestimmten - erlaß schlichtweg die "bedeutungslosigkeit der zimmerwalder zusammenkunft" und macht "es allen organisationen zur dringenden pflicht (...), genossen vor jedem unüberlegten tun zu warnen." als am 21.12.1915 im reichstag erneut die bewilligung weiterer kriegskredite ansteht, verweigern neben karl liebknecht und otto rühle nunmehr auch 18 sozialdemokratische abgeordnete der opportunistischen opposition ihre zustimmung. karl liebknecht schreibt dazu mit einer klarsichtigkeit, die allerdings darin, wie er sich auch künftig ganz unmittelbar an ihnen abarbeiten wird, keine entsprechung findet:
"so erfreulich und wertvoll die heutige abstimmung der zwanzig (...) ist, sie wird (...) ihre bedeutung erst durch die weitere politik dieser genossen erhalten. nur wenn sie durch diese politik als kundgebung des entschlossenen willens zur aufnahme des klassenkampfes, zur grundsätzlichen zerstörung des parlamentarischen burgfriedens gekennzeichnet wird, wird sie mehr sein als eine ‘schöne geste‘."

2. erste reichskonferenz der gruppe internationale

am 1.1.1916 findet eine reichskonferenz der gruppe internationale im anwaltsbüro von karl liebknecht statt. dort werden im ergebnis die "leitsätze über die aufgaben der internationalen sozialdemokratie" von rosa luxemburg grundsätzlich verabschiedet. die bremer genossInnen fordern den entschiedenen bruch mit der partei und die konsequente eigene organisierung, allerdings mit dem ziel der errichtung einer einheitsorganisation, worum es auf dem gründungsparteitag der kpd erneut zur kontroverse kam (angaben zum inhalt der kontroverse finden sich im abschnitt über den gründungsparteitag). Demgegenüber hält die mehrheit an dem spannungsverhältnis der sehr weitgehenden internationalistischen positionen bei gleichzeitiger weiterer organisierung im rahmen der partei - wenn auch mit zunehmends eigenständigeren strukturen - fest und optiert auf das konzept einer rückeroberung der partei. die motivation für diese option dürfte im vertrauen auf den mit der zimmerwalder konferenz wenn auch noch schwankend und erst zaghaft so doch begonnenen prozeß zur umsetzung der "lebensnotwendigkeit für den sozialismus, eine neue arbeiter-internationale zu schaffen, welche die leitung und zusammenfassung des revolutionären klassenkampfes gegen den imperialismus in allen ländern übernimmt," zu suchen sein. zu ihren grundlagen sollte den leitsätzen zufolge gehören: die ausführung der beschlüsse sollte nicht etwa unbedingte oder zwingende pflicht der einzelnen Organisationen sein, sondern diese pflicht allen anderen organisationspflichten vorangehen. hier wird etwas spürbar von der vorstellung der lebendigen internationale, auf die der kampf der gruppe internationale gerichtet war angetrieben von der erfahrung der implosion der zweiten internationale als einer internationale der beschlußlagen der kongresse als foren für sonntagsreden auf parlamentarismus und legalismus fixierter und reduzierter funktionäre, als orte der in feierlicher selbstbespiegelung zur schau gestellten freude an zu hehren idealen verkommenen grundkriterien revolutionärer politik, einer internationale also, die nach dem verrat bei der gruppe internationale im rückblick geradezu körperlich spürbaren ekel hinterlassen hatte. mobilisiert aber auch durch die erfahrung und reflexion der bedeutung, die massenstreiks und aufstände vor allem in rußland und polen für den fortgang des revolutionären kampfs gehabt hatten und weiter entfalteten, lag der schwerpunkt auf der frage, wie die agitation der massen möglichst effektiv organisiert werden könne, die ihnen das wissen, die kriterien und konkrete aktionsvorschläge anbietet, um ihnen aus ihren unmittelbaren kämpfen heraus den weg zu eröffnen, im zusammenschluß die revolutionäre internationale zu sein, nicht, sich in ihr als vorgegebenem organisatorischem rahmen zu organisieren, gleichsam bei ihr mitglied zu werden. weiter heißt es in den leitsätzen:
"
  • 5. (...) die nationalen interessen dienen nur als täuschungsmittel, um die arbeitenden volksmassen ihrem todfeind, dem imperialismus, dienstbar zu machen (...)
  • 6. die nächste aufgabe des sozialismus ist die geistige befreiung des proletariats von der vormundschaft der bourgeoisie, die sich in dem einfluß der nationalistischen ideologie äußert, die nationalen sektionen haben ihre agitation in den parlamenten wie in der presse dahin zu richten, die überlieferte phraseologie des nationalismus als bürgerliches herrschaftsinstrument zu denunzieren. die einzige verteidigung aller wirklichen nationalen freiheit ist heute der revolutionäre klassenkampf gegen den imperialismus. das vaterland der proletarier, dessen verteidigung alles andere untergeordnet werden muß, ist die sozialistsche internationale.
"
an der junius-broschüre kam es (wenngleich nicht zum ersten mal) zur vielzitierten kontroverse um die nationale frage zwischen lenin und rosa luxemburg. lenin bezieht sich dabei zunächst auf einen satz aus dem fünften leitsatz:
"in der ära dieses entfesselten imperialismus kann es keine nationalen kriege mehr geben."
dazu schreibt er:
"es ist möglich, daß die verneinung nationaler kriege schlechthin entweder ein versehen oder aber eine zufällige übertreibung bei der betonung des völlig richtigen gedankens ist, daß der jetzige krieg ein imperialistischer und kein nationaler krieg ist. (...) und wenn junius hierbei besonders hervorhebt, was für ihn in erster linie wichtig ist: den kampf gegen das phantom des ‘nationalen krieges‘, das die sozialdemokratische politik gegenwärtig beherrscht‘(...)‚ so muß man seine ausführungen als richtig und durchaus angebracht anerkennen. ein fehler wäre es nur, wollte man diese wahrheit übertreiben (...)"
. so sei auch das umschlagen des gegenwärtigen imperialistischen krieges in einen nationalen "in hohem grade unwahrscheinlich. (...) " das wäre eine rückentwicklung europas um einige jahrezehnte. aber: "die fortsetzung der politik der nationalen befreiung in den kolonien werden zwangsläufig nationale kriege der kolonien gegen den imperialismus" sein. und auch mit blick auf europa führt er aus: "unter der voraussetzung einer starken erschöpfung der großmächte in diesem krieg oder unter der voraussetzung des sieges der revolution in rußland sind nationale kriege, sogar siegreiche, durchaus möglich." den beweis, daß es auch in der ära des imperialismus noch nationale kriege geben könne, rundet lenin ab, indem er zum kern seines anliegens kommt:
"aber auch in praktisch-politischer hinsicht ist dieser fehler sehr schädlich (...) nationale kriege gegen imperialistische mächte sind nicht nur möglich und wahrscheinlich, sie sind unvermeidlich, sie sind fortschrittlich und revolutionär, obgleich natürlich zu ihrem erfolg entweder die vereinigung der anstrengungen einer ungeheuren zahl von bewohnern unterdrückter länder (...) erforderlich ist oder eine besonders günstige konstellation der internationalen lage (...) oder der gleichzeitige aufstand des proletariats einer der größmächte gegen die bourgeoisie (dieser in unserer aufzählung letzte fall ist der erste vom standpunkt des wünschenswerten und für den sieg des proletariats vorteilhaften)"
. ausdrücklich betont lenin, daß "es ungerecht wäre, junius der gleichgültigkeit den nationalen bewegungen gegenüber zu bezichtigen." und weiter:
"der internationale sozialismus erkennt das recht freier, unabhängiger, gleichberechtigter nationen. aber nur er kann solche nationen schaffen, erst er kann das selbstbestimmungsrecht der völker verwirklichen. auch diese losung des sozialismus, bemerkt der autor mit recht, ‘ist, wie alle anderen, nicht eine heiligsprechung des bestehenden, sonder ein wegweiser und ansporn für die revolutionäre, umgestaltende politik des proletariats´."
worauf es lenin bei seiner kritik ankommt, wird deutlich in seinen thesen "die sozialistische revolution und das selbstbestimmungsrecht der nationen" von 1916:
"wie die menschheit zur abschaffung der klassen nur durch die übergangsperiode der diktatur der unterdrückten klassen kommen kann, so kann sie zur unvermeidlichen verschmelzung der nationen nur durch die übergangsperiodie der völligen befreiung, das heißt abtrennungsfreiheit aller unterdrückten nationen kommen."
er unterscheidet dann "drei typen von ländern in bezug auf das selbstbestimmungsrecht der nationen", die kritik von lenin an rosa luxemburg bezieht sich also auf teils taktische erwägungen mit blick auf den revolutionären kampf gegen den zarismus, teils strategische fragen mit blick auf den weltrevolutionären prozeß. lenin bezweifelt weder, daß rosa luxemburgs analyse in den leitsätzen und die daraus für den kampf der gruppe internationale abgeleiteten schlußfolgerungen zutreffen, noch behauptet er, daß es in den "fortgeschrittenen kapitalistischen ländern westeuropas" und den usa den hauch eines anlasses zur positiven bezugnahme auf die eigene nation gebe. ganz im gegenteil kritisiert er mit blick auf rosa luxemburgs argumentationslinie ( "die einzige Verteidigung aller wirklichen nationalen freiheit"): "zweitens wollte junius offenbar (...) die durchführung des revolutionären programms an dem bequemsten, populärsten, für das kleinbürgertum annehmbarsten ende beginnen. eine art plan, die geschichte zu überlisten, die philister zu überlisten, gegen die beste verteidigung des wahren vaterlandes könne doch niemand sein", im übrigen bemüht er sich, wortreich herauszustreichen: "die überaus lebendig geschriebene broschüre von junius hat zweifeilos im kampf gegen die auf die seite der bourgeoisie und der junker übergegangene sozialdemokratische partei deutschlands eine große rolle gespielt und wird sie auch weiterhin spielen, und wir begrüßen den autor von ganzem herzen (...) wenn wir (...) kritik an den mängeln und fehlern von junius üben, müssen wir ausdrücklich unterstreichen, daß wir dies um der für marxisten notwendigen selbstkritik willen (...) tun. (...) die Junius-broschüre ist im großen und ganzen eine ausgezeichnete marxistische arbeit. und es ist sehr wohl möglich, daß ihre mängel bis zu einem gewissen grade zufälligen charakters sind." "der hauptmangel der junius-broschüre" bestehe vielmehr in der nicht ausreichend radikalen abgrenzung gegen die opportunistische opposition:
"junius hat sich aber erstens nicht völlig frei gemacht von dem milieu der deutschen, selbst der linken sozialdemokraten, die eine spaltung fürchten und angst haben, die revolutionären losungen bis zu ende auszusprechen (...) in der junius-broschüre spürt man den allein dastehenden, der keine genossen in einer illegalen organisation hat, die gewohnt wäre, revolutionäre losungen bis zu ende zu durchdenken und die massen systematisch in deren geiste zu erziehen. aber dieser mangel - das zu vergessen wäre grundfalsch - ist nicht ein persönlicher mangel von junius, sondern das resultat der schwäche aller deutschen linken, die von allen seiten von dem niederträchtigen netz der kautskyanischen heuchelei, der pedanterie, des ´wohlwollens‘ den opportunisten gegerüber umgarnt sind. die anhänger von junius haben es, obgleich sie allein dastanden, fertiggebracht, die herausgabe illegaler flugblätter und den kampf gegen das kautskyanertum aufzunehmen. sie werden es verstehen, auch weiter auf dem richtigen wege vorwärtszuschreiten."
der kreis um rosa luxemburg, karl liebknecht, julian marchlewski, franz mehring und leo jogiches wird von der reichskonferenz mit leitungsaufgaben betraut, oder genauer - daß sie sie schon bisher wahrgenommen haben, wird explizit formuliert und festgeschrieben: sie bilden künftig die "zentrale", die überwiegend informationsorgan ist und koordinatorische aufgaben wahrnimmt, nach karl liebknechts und rosa luxemburgs verhaftung wird julian marchlewski im frühjahr in schutzhaft genommen, anfang august werden auch ernst meyer und franz mehring verhaftet. franz mehring, clara zetkin spricht von ihm als "der bienenfleißige, glänzende geschichtsschreiber", dessen "feder ein sausendes schwert" gewesen sei, war in der mitgliedschaft der partei respektiert und beliebt wie kaum ein zweiter. als langjähriger mitarbeiter der leipziger volkszeitung hatte er wesentlich dazu beigetragen, daß rosa luxemburg in der partei publizistisch fuß fassen konnte und mit dafür gesorgt, daß sie ab 1907 als lehrerin an der zentralen parteischule in berlin arbeiten konnte, an der er auch lehrte. vor allem aber hatte er sich der anstrengung unterzogen, die von marx entwickelten ansätze materialistischer geschichtsschreibung zu systematisieren und auf ihrer grundlage umfangreiche darstellungen der deutschen und europäischen geschichte zu erarbeiten, die den sich in der partei organisierenden arbeiterInnen praktisch erstmals einen umfassenden
"eigenen zugriff auf geschichtliche zusammenhänge eröffnete und zu den in der bildungsarbeit der partei - die sich zuallererst in den küchen abspielte, in denen die arbeiterInnen nach ihrer bis an die grenzen der physischen erschöpfung reichenden arbeit tagtäglich den kampf gegen sich selbst aufnahmen, um sich den raum zur eigenen bildung und schulung anzueignen - am weitesten verbreiteten und mit der größten neugier gelesenen schriften gehörten. seine verhaftung, er war damals schon weit über siebzig, führte - auch unter den ansonsten weitestgehend indifferenten mitgliedern der partei - zu einem massiven aufschrei. der innenstaatssekretär helfferich quittierte dies mit den worten, es sei besser, ein greis komme um, als daß ein ganzes volk durch die spartakusagitation vergiftet werde."
die hauptverantwortung für die "zentrale" liegt von da an bei leo jogiches. clara zetkin beschreibt leo jogiches später als "erprobter, großzügigster organisator" der partei. er sei nie an die öffentlichkeit getreten und sogar den weitaus meisten ´spartakusbündlern‘ persönlich unbekannt" gewesen. nicht zuletzt in der langen zeit, die nun folgt, in der er unermüdlich wie einsam organisatorisch fast alleine für die zentrale einzustehen hat, dürfte auch seine anhaltende skepsis begründet liegen, die ihn bis zum gründungsparteitag zweifeln, dort noch immer gegen die gründung der eigenen partei stimmen läßt.
eine der ersten entscheidungen der "zentrale" im januar 1916 ist die zur herausgabe eines eigenen mitteilungsblattes, das sich von den bisherigen rundbriefen insofern unterscheidet, als es eindeutig ihr organ ist, also ausschließlich den positionen der gruppe internationale, der zimmerwalder linken, den positionen, die in einklang mit den "leitsätzen" stehen, raum gibt, und nachhaltiger der abgrenzung gegen die anderen strömungen der innerparteilichen opposition, vor allem gegen die zentristen, dienen soll.
die erste ausgabe des mitteilungsblattes unter dem titel "politische briefe" erscheint am 27.1.1916 und ist mit "spartacus" unterzeichnet, daher der zusammenfassende name spartakusbriefe. druck und vertrieb erfolgen weiterhin illegal. bis september 1916 werden die briefe hektographiert. dann gelingt es leo jogiches, in einem lagerschuppen eine illegale druckerei einzurichten. mindestens so aufwendig wie die illegale herstellung und der illegale vertrieb ist nach den massiven verhaftungen das herausschmuggeln der manuskripte aus den knästen. neben rosa luxemburgs sekretärin mathilde jacob trägt insbesondere sophie liebknecht, die zweite frau karl liebknechts, viel verantwortung für die aufrechterhaltung des kontakts zwischen drinnen und draußen, sie schreibt später:
"man merkt aus diesen verstreuten zitaten, daß die besuche für rosa keine reine freude waren. (...)gewiß war es mit besuchen trotz allem besser als ohne besuche, und außerdem war damit ein praktischer zweck verbunden: der geheime austausch von papieren (...) ich muß aber gestehen, daß dieser moment, die ablieferung des gebrachten und die entgegennahme des mitzunehmenden und das warten darauf, die höchste anspannung der nerven erforderte und zu widerspruchsvollen gefühlen in herz und kopf des besuchers führte: gern wäre man noch ein weilchen, wenn auch unter aufsicht, geblieben, gern aber wäre man auch schon wieder draußen, unbemerkt, ohne verdacht erweckt zu haben, ohne angehalten worden zu sein. (...) der erste besuch (...) fand unter aufsicht eines offiziers statt, der uns keinen augenblick verließ und regen anteil an der unterhaltung nahm. rosa und ich hatten ganz gleiche, schwarze, durch nichts auffallende taschen - die mußten ausgetauscht werden. es gelang am ersten tag nicht. am zweiten tag (...) tauschten wir die taschen. der offizier schwieg. (...) nach ablauf der erlaubten stunde stand der offizier auf und sagte: ‘meine damen, sie haben die taschen getauscht. widersprechen sie nicht, ich hab es gesehen. ich will aber dieses mal darüber hinwegsehen, weil ich frau luxemburg hoch achte.‘ (...) der sonst immer höfliche militärbeamte, der die besuche überwachte, trat mir zornig und erregt entgegen: dr. mehring sei verhaftet worden, man habe bei ihm kassiber gefunden. nur ich hätte sie herausbringen können; ich begriffe wohl nicht, wo ich sei und welche folgen das für meinen mann haben könne. (...) mir wurde angedroht: sollte sich noch einmal etwas derartiges ereignen, würde die sprecherlaubnis entzogen werden. (...) auf der straße sagte mein schwager: ‘wozu macht karl nur solche sachen? er wäre imstande, es das nächste mal wieder mit einem kassiber zu versuchen!‘ ich öffnete meine hand - es lagen wieder ein paar zettel darin. (...) der inhalt der winzigen (...) papierchen bestand aus ungeduldigen, bittenden, fordernden zeilen (...) aus jedem wort, jedem buchstaben sprachen zugleich der wille und die ohnmacht des eingekerkerten. die fiebernde angst vor unausgenutzten möglichkeiten."
die ersten beiden politischen briefe beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit karl liebknechts tätigkeit im reichstag. mit blick auf "die dezember-männer" stellt er rückblickend auf den 21. dezember und seine damalige einschätzung fest: "heißt der 21. dezember erlösung? nein, er war bestenfalls verheißung, eine verheißung, die nicht erfüllt worden ist." karl liebknecht hatte zwischenzeitlich durch das beharrliche einreichen kleiner anfragen die offene konfrontation sowohl mit der regierung als auch der eigenen fraktionsmehrheit gesucht. darüber wird in den ersten beiden politischen briefen ausführlich berichtet:
"gegen die preisgabe aller sozialdemokratischen grundsätze anzukämpfen, wäre pflicht eines jeden sozialdemokraten. als ein mittel, diese pflicht zu erfüllen, betrachtete karl liebknecht die ‘kleinen anfragen‘, und es erwies sich als brauchbar. (...) da (...) eine interpellation nach der geschäftsordnung nur von einer größeren zahl von abgeordneten eingebracht werden kann, eine rede stets verhindert werden kann, wenn die fraktion oder die mehrheit es will, so blieb unter den gegebenen umständen für den einzelnen sozialdemokraten nichts anderes übrig, als dieses mittel auszunützen. (...) leider haben auch mitglieder der parlamentarischen opposition sich an der hetze gegen liebknecht wegen der ‘kleinen anfragen‘ beteiligt (...) sie beweisen damit, daß auch sie von dem parlamentarischen kretinismus befallen sind, der unter anderem bewirkt, daß die form über das wesen gestellt wird, daß man die hauptaufgabe, den parlamentarismus als werkzeug des klassenkampfes zu benutzen, vergißt und den formelkram und die falsch verstandene disziplin über alles stellt. auch das ist gut so: der ungestüme frager hat auf solche weise den parteigenossen durch sein vorgehen auch in dieser hinsicht gezeigt, wohin der kurs geht."
berichtet wird von der kritik an karl liebknecht auf der fraktionssitzung vom 12.1.:
"in der tat sei es unerklärlich, daß ein mitglied des hauses auf ein parlamentsrecht losstürme, um es zu vernichten, es sei nicht angebracht, die bürgerlichen parteien so zu provozieren. (...) grober unfug (...) versündigung am parlament (...) die sozialdemokratische fraktion solle selbst eine abänderung der geschäftsordnung vorschlagen, und zwar dahin, daß anfragen nur durch die fraktionsvorstände eingereicht werden dürfen (...) die chemnitzer verurteilten seien zum teil die opfer der liebknechtschen politik (...) man könne zweifeln, ob man es bei ihm noch mit einem normal denkenden menschen zu tun habe"
(vom 15. bis 19. oktober l9l5 war es in chemnitz zu schweren unruhen gekommen, die brutal niedergeschlagen wurden. 150 leute, überwiegend frauen und jugendliche waren zu derben knaststrafen verurteilt oder in schutzhaft genommen worden.) karl liebknecht erwidert:
"ob die anfragen das idealste mittel für diesen zweck sind, spielt keine rolle. da einem einzelnen jedenfalls kein besseres mittel zur verfügung steht und es ein verbrechen wäre, heute irgendein vorhandenes mittel ungenutzt zu lassen. (...) sich dadurch vor der ausnutzung eines rechts abschrecken zu lassen, heißt: dieses recht aus furcht, daß es künftig gewaltsam entrissen werde, schon für die gegenwart freiwillig preisgeben. aber freilich, die fraktionsmehrheit hat das kämpfen, den kampf ums recht mit dem klassenkampf verlernt, noch mehr: sie hat ihm abgeschworen, sie will ihn nicht mehr. (...) wenn das recht der anfragen nur wie ein rohes ei behütet in die friedenszeit hinübergerettet werden kann, so mag es auch heute zerschlagen werden - und sie tragen die verantwortung! heute, für die konflikte dieser zeit, hat sich alles zu bewähren, oder es breche zusammen. das morsche mag sinken. illusionen über macht, die wir nicht besaßen, über recht, das nur scheinrecht war, über grundsätze von papier und nicht leben liegen im haufen zerfetzt am wege der politik des 4. august. sie haben den jämmerlichen zusammenbruch der internationale und vor allem der deutschen partei mit verschuldet, keine illusionen mehrl nackte erbarmungslose wahrheit allein kann der zukunft des sozialismus frommen."
der dritte politische brief vom 3.2.1916 trägt stärker programmatischen charakter und veröffentlicht die "leitsätze". einleitend heißt es dazu:
"auch nicht zusammenschluß auf jener mittleren linie, auf jener breiten und krummen kompromißstraße des ‘marxistischen zentrums‘, keine andere sammlung als auf der schnurgeraden bahn, die die grundsätze des internationalen revolutionären sozialismus weisen. und von der nicht um fußes breite abgewichen werden darf, soll nicht die zukunft eine noch traurigere kopie der traurigen vergangenheit und gegenwart sein, nicht einheft, sondern klarheit über alles. keine milde duldsamkeit (...) sondern ätzende kritik bis in die letzte faser (...) durch unerbittliche aufdeckung und austragung der differenzen zur prinzipiellen und taktischen einmütigkeit und damit zur aktionsfähigkeit und damit zur einheit. so geht der weg. (...) der selbstverständigung, der klärung, dem kampfe für den unbedingten internationalismus sollen diese briefe dienen."
am 24.3.1916 stimmen die 18 dezember-männer gegen den von der regierung vorgelegten notetat. daraufhin werden sie aus der reichstagsfraktion ausgeschlossen und agieren fortan als "sozialdemokratische arbeitgemeinschaft". unter der überschrift "nüchterne prüfung und scharfe entscheidung" steht dazu im politischen brief vom 30.3.19 16:
"(...)dabei waren die achtzehn objekt und nicht subjekt. (...)die äußerliche sammlung eines bunten gemischs mehr oder weniger unklarer oppositionsstimmungen und motive bildet stets eine ernste gefahr (...) sie wirkt verwirrend; sie verbreitet die seuche des fortwurstelns; sie entzieht den tatkräftigen elementen, die in die bunte gemeinschaft geraten, ihre besten kräfte, die sie fesselt und lähmt. (...) gegen den krieg, gegen die, die ihn entfesselt haben, die ihn führen, denen er dient und die ihn unterstützten (...); auch gegen die hetfeshelfer, die den namen sozialdemokrat schänden, indem sie ihn tragen (...) längst haben wir die fahne der empörung gegen sie erhoben. jetzt tritt die rebellion in das stadium der äußersten verschärfung. es geht ums ganze: kampf um die partei, nicht gegen die partei - wie die demagogen der mehrheitspolitik lügen. (...) nicht spaltung oder einheit, nicht neue partei oder alte partei heißt die parole. sondern zurückeroberung der partei von unten (...) der entscheidungskampf um die partei hat begonnen. er muß ohne erbarmen (...) geführt werden. diesem system der parteipolitik keinen mann und keinen groschen, sondern kampf aufs messer. und wer dabei nicht für uns ist, der ist wider uns."
" diesem system der parteipolitik (...) keinen groschen,"
ist dabei ganz ernst gemeint: die gruppe internationale beschließt eine beitragssperre - künftig sollen die beiträge der genossInnen, die der politischen richtung der gruppe internationale folgen, nicht mehr an die offiziellen parteiinstanzen abgeführt, sondern durch vertrauensleute der opposition entgegengenommen werden, um sie gegebenenfalls einer arbeit, die "wirklich" im sinne der parteiaufgaben ist, zuzuführen, in aller regel aber schlichtweg zu verwahren, damit die offiziellen instanzen die gelder nicht zur verfolgung ihrer politik des 4. august ausgeben können.
der folgende politische brief vom 13.4.1916 beschäftigt sich mit dem vorwurf der sozialdemokratischen arbeitsgemeinschaft, die permanente heftige kritik an ihnen blockiere sie in ihrer politischen entwicklung:
"kritik, und wäre es die schärfste, als ´diskreditierung´ zu verschreien, sich durch kritik, und wäre es die rücksichtsloseste, lähmen zu lassen, ist oder wäre in der tat ein solches zeichen innerer schwäche, daß gerade damit die schroffste kritik dreifach gerechtfertigt würde."

3. april 1916: das ende von karl liebknecht parlamentarischer tätigkeit

am 8.4. endet praktisch karl liebknechts tätigkeit im reichstag. während der haushaltsdebatte beginnt er mit einer rede, in der er mit blick auf die kriegsanleihen feststellt "wegen der einführung der möglichkeit, früher erworbene kriegsanleihe zu beleihen, um mit dem entliehenen neue anteile zeichnen zu können" seien diese "nicht übel als perpetuum mobile bezeichnet worden. (...) es handelt sich zu einem guten teil auch nur um eine zentralisierung der öffentlichen mittel der reichskasse." hierauf läuft der reichstag sturm. mit der zaghaften aufforderung, karl liebknecht weiterreden zu lassen, verbindet der reichstagspräsident die feststellung: "ich kann allerdings nur meinem bedauern darüber ausdruck geben, daß ein deutscher von dieser tribüne äußerungen gemacht hat, wie dies seitens des abgeordneten dr. liebknecht geschehen ist." dem amtlichen stenogramm zufolge setzt nunmehr mit erregten zurufe: ‘das ist kein deutscher!‘ ein pogromartiger tumult ein, der darin gipfelt, daß ein abgeordneter karl liebknecht körperlich angreift und ihm sein manuskript aus der hand schlägt. als karl liebknecht einen schritt zur Seite tut, um seine blätter wieder aufzuheben, stellt der reichstagspräsident fest, er habe die tribüne verlassen und damit nicht mehr das rederecht. als er hiergegen protestiert, wird er von der sitzung ausgeschlossen und unter weiterer prügel anderer abgeordneter gewaltsam aus dem saal getrieben. jedwede berichterstattung über diesen vorgang (einschließlich der veröffentlichung des amtlichen stenogramms) wird durch die zensurbehörden auf weisung des reichstagspräsidenten unterbunden. karl liebknecht schreibt am folgenden tag einen brief an den reichstagspräsidenten, in dem er den tatsächlichen ablauf - unter protest gegen die falsche darstellung im amtlichen stenogramm - detailliert schildert und mit den worten schließt: "ich halte es für geboten, alles dies hier festzustellen." die frage, wozu, ist allenfalls damit zu beantworten, daß dieser brief mit einem bericht über seine vertreibung aus dem reichstag im politischen brief (nr. 19) vom 22.4.1916 abgedruckt wird.
angesichts des drohenden abbruchs der diplomatischen beziehungen durch die usa wegen des verschärften deutschen u-bootkrieges und der damit verbundenen möglichen weiteren eskalation richtet karl liebknecht am 28.4.1916 eine letzte (im politischen brief nr. 20 vom 15.5.1916 abgedruckte) eingabe an den reichstagspräsidenten:
"sosehr die mehrheit des reichstags nur eine schutztruppe des imperialismus und eine kulisse der militärdiktatur darstellte und so gewalttätig sie auch - selbst die russische duma weit übertrumpfend - im reichstage selbst einen belagerungszustand ohnegleichen zur unterdrükkung jeder ernsten oppositionellen regung etabliert hat, ich erachte es doch für meine pflicht zu verlangen: daß in einer sofortigen plenarverhandlung des reichstages die regierung der öffentlichkeit das gesamte material über diesen konflikt unterbreitet und ihre auffassung und absicht darlegt (...)"
im verlauf der kundgebung am 1. Mai 1916 in berlin wird karl liebknecht auf dem potsdamer platz verhaftet, nur zu bereitwillig stimmt der reichstag der aufhebung seiner immunität zu, erst am 23.10.1918 kommt er - durch massiven politischen druck - wieder aus dem knast.

4. maikundgebung und karl liebknechts verhaftung

der politische brief vom 15.5.1916 berichtet auch ausführlich von der eigenständig durch die gruppe internationale organisierten maikundgebung. einleitend wird dazu festgestellt: "es blieb uns nichts übrig, als auf eigene faust die maidemonstration vorzubereiten, so gut oder schlecht wir es konnten: den vorwurf, das geringste unterlassen zu haben, was (...) lebenszeichen der oppositions- und kampfesstimmung nach dem auslande tragen und dort neuen kampf und mut anfachen konnte, diesen vorwurf durften wir vor uns selbst nicht verdienen," rosa luxemburg schrieb den illegal verbreiteten aufruf. darin heißt es u.a.:
"am 1. mai rufen wir vieltausendstimmig: fort mit dem ruchlosen verbrechen des völkermordes! nieder mit seinen verantwortlichen machern, hetzern, nutzniessern! unsere feinde sind nicht das französische, russische oder englische volk, sondern sind deutsche junker, deutsche kapitalisten und ihr geschäftsführender ausschuß: die deutsche regierung! auf zum kampfe gegen diese totfeinde jeglicher freiheit, zum kampfe um alles, was das wohl und die zukunft der arbeitersache, der menschheit und der kultur bedeutet! schluß mit dem kriege! wir wollen frieden! hoch der sozialismus! hoch die arbeiter-internationale! proletarier aller länder, vereinigt euch!"
der politische brief berichtet:
"der potsdamer platz und seine zugänge waren schon um 7 uhr mit schutzleuten zu fuß und zu pferde überfüllt. um 8 uhr pünktlich sammelte sich am platze eine so dichte menge demonstrierender arbeiter, unter denen jugendliche und frauen sehr zahlreich vertreten waren, daß die üblichen scharmützel mit der polizei alsbald begannen. die ‘blauen‘ und namentlich ihre offiziere wurden bald von äußerster nervosität befallen und fingen an, die masse mit fäusten hin und her zu stoßen. in diesem moment, an der spitze der masse, mitten auf dem potsdamer platze erscholl die laute sonore stimme karl liebknechts: nieder mit dem krieg! nieder mit der regierung!‘ sofort bemächtigte sich seiner ein ganzes knäuel polizisten, die ihn durch einen kordon von der menge trennten und auf die wache am potsdamer bahnhof führten. hinter dem verhafteten erscholl der ruf: ‘hoch liebknecht!‘, worauf sich die polizisten in die menge stürzten und zu neuen verhaftungen schritten. nach der abführung karl liebknechts begann die polizei, angefeuert durch die offiziere, die sich am brutalsten benahmen, die menschenmassen in die seitenstraßen abzuschieben, so formierten sich drei große züge von demonstranten in der köthener straße, in der linkstraße und in der königgrätzer straße (heute: stresemannstraße - ak kassiber). die sich unter fortwährenden zusammenstößen mit der polizei langsam vorwärtswälzten. rufe ‘nieder mit dem kriege!´, ‘es lebe der frieden!´, ´es lebe die internationale!‘ erschallten einmal über das andere und wurden vieltausendstimmig wiederholt.(...) bis 10 uhr dauerte die demonstration, wobei die menge immer wieder durch die seitenstraßen aus den drei hauptzügen zusammenzuströmen suchte, aber durch die wimmelnden, springenden und dreinhauenden polizisten daran gehindert wurde. (...) erst gegen 1/2 11 uhr, stellenweise noch später, verlief sich allmählich die masse der demonstranten, die von ausgezeichneter stimmung beseelt waren, die anzahl der demonstrierenden wird nach mäßiger schätzung auf zehntausend gerechnet."
die opportunisten um lebedour hatten im vorfeld eine unterstützung der kundgebung abgelehnt:
"als hauptgrund der absage galt das argument: es fehle jede stimmung in den massen, es werde nichts zustandekommen, wir machen uns nur lächerlich."
neben dem bericht von der maikundgebung und dem aufruf dazu enthält der politische brief vom 15.5. noch eine ausführliche argumentationshilfe zur finanzsperre ( "finanzsperre und organisationsstatut")
der folgende politische brief vom 28.5.1916 beschäftigt sich vor allem mit der zweiten zimmerwalder konferenz, die vom 24. bis 30.4.1916 im schweizer kienthal (in die neutrale schweiz gestaltet sich die illegale einreise in der regel am einfachsten, darum die häufigen zusammenkünfte in der schweiz) stattgefunden hatte.
"es läßt sich nicht bestreiten, daß sie einen etwas chaotischen eindruck macht und wohl allgemein weniger befriedigen wird als die erste. zwar hatte auch diese, namentlich infolge des verhaltens der deutschen vertreter von der lebedour-gruppe, an entschlossenheit und klarheit viel zu wünschen übriggelassen. doch lag ihre eigentliche bedeutung in ihrem zustandekommen selbst, darin, daß sie das erste deutlich sichtbare symptom der internationalen sozialistischen selbstbesinnung und des bedürfnisses nach zusammenschluß war. die zweite konferenz mußte naturgemäß versuchen, einen schritt weiter zu tun: praktische arbeit zu verrichten. doch welcher art konnte diese arbeit sein? der knotenpunkt, der die wiederherstellung oder richtiger die schaffung einer sozialistischen internationale (...) wäre, liegt darin, daß die internationale aus den massen der arbeiterschaft in allen ländern besteht (...) arbeitermassen, die das graue elend und der nackte hunger, die peitsche des belagerungszustands und die offen betriebene prostitution der parlamente die infamien des perteivorstands nicht zum entschlossenen widerstand aufstacheln, werden nicht durch manifeste aus zimmerwald zur tatkraft und würde aufgerichtet werden (...). die zimmerwalder internationale dreht sich deshalb gewissermaßen im fehlerhaften zirkel. sofern klärung der gedanken, analyse des historischen prozesses und seiner richtlinien zur auslösung der revolutionären energien beiträgt, könnten auch die kundgebungen der zimmerwalder internationale - wenn sie die nötige kraft und einheitlichkeit der auffassung hätten - bedeutende wirkung ausüben. aber die zimmerwalder internationale kann unmöglich diese eigenschaften bei ihren kundgebungen aufbringen, weil sie selbst eine lose vereinigung ziemlich weit divergierender elemente der opposition ist und deshalb (...) zwischen verschiedenen auffassungen mehr oder weniger laviert, sich auf ein gewisses minimum beschränkt, wodurch ihren kundgebungen eine gewisse flachheit und halbheit anhaftet."
interessanterweise ist von der konferenz auch folgendes zu berichten:
"der vertreter der opposition der nordwestdeutschen lokalorganisation erklärte, daß er mit den leitsätzen und sonstigen vorschlägen der ‘internationale‘ im wesentlichen einverstanden sei, doch befriedige ihn nicht ganz die stellung der ‘internationale‘ zur frage der landesverteidigung. das argument, daß man gerade im interesse der landesverteidigung den klassenkampf führen müsse (wie dies z.b. in der junius-broschüre behauptet werde), könne er nicht billigen."
gemeint ist johann knief von den bremer linksradikalen, der an diesem punkt offenbar die leninsche kritik an der junius-broschüre teilt.
auch dieser politische brief enthält eine nochmalige argumentationshilfe zur beitragssperre ("noch einmal finanzsperre und organisationsstatut"). daraus, daß diese argumentationshilfen - von deutlich anderem charakter, als der der inhaltlich-politischen begründung des entschlusses zur beitragssperre -, in zwei aufeinanderfolgenden rundbriefen soviel raum einnehmen, dürfte zu schließen sein, daß die praktische durchführung dieser entscheidung mit weit mehr widerständen, skrupeln und zaghaftigkert konfrontiert war, als sich bei der verständigung auf die politische notwendigkeit zu diesem schritt absehen ließ.
der rundbrief berichtet außerdem unter anderem von kämpfen und unruhen in braunschweig. fortan nehmen berichte - auch ausführlichere mit bewertungen und einschätzungen - über die zunehmenden sozialen kämpfe und politischen widerstandshandlungen immer mehr raum in den rundbriefen ein, in den berichten finden sich auch wiederholt feststellungen wie:
"es wurden dann lohnforderungen gestellt, und die aktion, die zuerst einen imposanten anstrich hatte, verlief im sande. nach zwei streiktagen nahm man die arbeit wieder auf, legte sich aufs verhandeln und wurde gründlich übers ohr gehauen (...)"
insgesamt verschiebt sich damit nach dem 1. mai 1916 für die gruppe internationale zugleich der schwerpunkt ihrer unmittelbar praktischen arbeit von der eigenständigen organisierung und mobilisierung auf die agitation und politische unterstützung im zusammenhang mit den auch ohne ihre mobilisierung gegen den willen (und oft auch gegen die offene denunziation, zensur und repression) der gewerkschaftlichen gliederungen und parteiinstanzen beständig zunehmenden massenkämpfen in den betrieben, städten und regionen.

5. juni 1916: politische streiks anläßlich des prozesses gegen karl liebknecht

am 28. juni 1916 findet die militärgerichtsverhandlung erster instanz gegen karl liebknecht statt, in der er unter ausschluß der öffentlichkeit wegen "versuchten kriegsverrats in tateinheit mit erschwertem ungehorsam im felde sowie wegen widerstands gegen die staatsgewalt" zu 2 jahren, 6 monaten und drei tagen zuchthaus verurteilt wird. in seiner (später auch im ersten spartakusbrief dokumentierten) prozeßerklärung sagt karl liebknecht:
"landesverrat ist für den internationalen sozialisten vollkommener nonsens. er kennt keine feindliche macht, der ‘vorschub zu leisten‘ er auch nur denken könnte, er steht jeder fremden kapitalistischen regierung genau so revolutionär gegenüber wie der eigenen. nicht: ‘einer feindlichen macht vorschub leisten‘, sondern: ‘in internationaler wechselwirkung mit den sozialisten der anderen länder allen imperialistischen mächten zugleich abbruch tun‘ ist die quintessenz seines strebens. er kämpft im namen des internationalen proletariats gegen den internationalen kapitalismus. er faßt ihn dort, wo er ihn findet und wirksam treffen kann, das ist: im eigenen lande bekämpft er im namen des internationalen proletariats die eigene regierung, die eigenen herrschenden klassen als repräsentanten des internationalen kapitalismus, (...) ich habe die ausländischen regierungen, wo immer sich gelegenheit bot, in ihren eigenen ländern aug in aug angegriffen und in deutschland, wenn ich davon im ausland einen erfolg im sozialistischen sinn erwartete oder damit zugleich die deutsche regierung aug in aug angriff. niemals werde ich es tun, wenn ich dadurch der kriegshetzerei vorschub leiste."
. anläßlich dieses prozesses kommt es zu politischen massenstreiks und großdemonstrationen. allein in berlin streiken vom 28. bis 30. juni 1916 ca. 55.000 arbeiterInnen und arbeiter aus der munitionsbranche. der politische brief vom 12.8.1916 (der letzte hektographierte, ab september erscheinen die gedruckten spartakusbriefe) berichtet darüber ausführlich und versucht die entwicklung politisch genau einzuschätzen:
"das datum des 28. juni kann sicher zum wendepunkt in der inneren geschichte des krieges und der rolle des deutschen proletariats im kriege werden, sofern das beispiel der metallarbeiter berlins und braunschweigs in den anderen industrien und städten würdige nachahmung findet. als anfang der protestbewegung, als erstes kräftiges zeichen der selbstbesinnung der massen war der streik des 28. höchst bedeutsam. aber man darf sich darüber nicht täuschen, daß es doch nur ein anfang, ein kleiner anfang war und daß die bewegung im dritten kriegsjahr noch ganz anders, breit, mächtig, zäh einsetzen muß, um als ernster friedensfaktor endlich dem imperialistischen kriegswagen in die speichen zu fallen und dem sozialismus in deutschland wieder eine stätte zu erobern. (...) vor allem muß man sich heute vor augen halten, (...) daß eine revolutionäre bewegung, die nicht energisch vorwärtsschreitet, sondern auf dem einmal erreichten fleck längere zeit auf den lorbeeren ruht, in wirklichkeit zurückschreitet.(...) in zeiten der allgemeinen politischen kirchhofsruhe bleiben die heldenmütigsten opfer einzelner zunächst und sichtbar ohne jedes echo. und doch, auch solche anscheinend ‘zwecklose‘ opfer und wagnisse sind in der gesamtrechnung einer großen geschichtlichen bewegung ein unentbehrlicher posten.

wo wäre heute die russische arbeiterbewegung, wo hätte die große revolution des zarenreiches den gewaltigen vorrat an kampfenergie, politischer reife und zielklarheit in den massen vorgefunden, wenn nicht jahrzehnte vorher der golgathaweg der sozialistischen aufklärungsarbeit mit zahllosen persönlichen wagnissen und ‘zwecklosen‘ opfern besät worden wäre!

auch jetzt noch wandern russische sozialisten hundertweise ins gefängnis, in die verbannung, ins zuchthaus, ohne jedes aufsehen, ohne daß sich die welt auch nur die mühe gibt, ihre vertrackten namen zu erfahren - wie wenn russen andere menschen wären als wir, eigens für zuchthaus und gefängnis erschaffen. (...)

ehe die deutsche arbeitermasse nicht die korrumpierende schule der offiziellen sozialdemokratischen führer abgestreift hat, ehe sie nicht gelernt hat, daß man nicht bloß auf befehl des feldwebels und im interesse des kapitalistischen profits, sondern auch aus eigenem freien entschluss und für die eigene klassenbefreiung haut und leben in die schanze schlagen kann, bleiben alle beschwörungen der sozialistischen internationale und ihre formeln eitel schall und rauch."
gegen das urteil legt der stellvertretende gerichtsherr des kommandanturgerichts am 1.7. berufung ein, in der zweiten instanz verurteilt das oberkriegsgericht karl liebknecht am 23. august 1916 zu 4 jahren und 1 monat zuchthaus sowie dem verlust der bürgerlichen ehrenrechte für 6 jahre. letzteres ist insofern von bedeutung, als es für karl liebknecht - als rechtsanwalt - berufsverbot und - als ehemaliger reichstagsabgeordneter - den verlust des wahlrechts bedeutet. in seiner zweiten (später im dritten spartakusbrief vom dezember 1916 abgedruckten) prozeßerklärung sagt karl liebknecht:
"ich wiederhole zunächst mein verlangen, daß meine erklärungen nur genau in der von mir vorgetragenen und vorgelegten schriftlichen form in das urteil aufgenommen werden. sie und ich, wir gehören zwei verschiedenen welten an und sprechen zwei verschiedne zungen. ich verwahre mich dagegen, daß sie, die sie meine sprache nicht verstehen, die sie dem lager meiner feinde angehören, meine worte nach ihrem sinne gestalten. (...)

ihre ehre ist nicht meine ehre! aber ich sage ihnen: kein general trug je eine uniform mit so viel ehre, wie ich den zuchthauskittel tragen werde. - ich bin hier um anzuklagen, nicht - um mich zu verteidigen! nicht burgfrieden, sondern burgkrieg ist für mich die losung! - nieder mit dem krieg ! nieder mit der regierung !"
in der zwischenzeit - am 10. juli 1916 wird rosa luxemburg in schutzhaft genommen. sie kommt erst am 8. november 1918 wieder aus dem knast, nachdem sie erst im berliner frauengefängnis in der barnimstraße, dann in der festung wronke und zuletzt im breslauer gefängnis gefangen gehalten wurde.

am 20.9.1916 erscheint der erste illegal gedruckte spartakusbrief unter dem titel "spartacus" und der nummer der ausgabe stehen im kopf des rundbriefs künftig grundsätzlich zwei punkte aus den leitsätzen:
"
  • 3. in der internationale liegt der schwerpunkt der klassenorganisation des proletariats..,
  • 4. die pflicht zur ausführung der beschlüsse der internationale geht allen anderen organisationspflichten voran... (leitsätze)
"
. inzwischen brechen an vielen orten in den betrieben und auf der straße immer geballter kämpfe auf, zu denen die gruppe internationale sich durch praktische solidarität, politische unterstützung, solidarische kritik und revolutionäre agitation verhält, um sie zusammenzuführen und ihre politische entwicklung im sinne des revolutionären prozesses zu forcieren, die spartakusbriefe berichten einerseits von den vielfältigen kämpfen, dienen fortan aber andererseits in erster linie der verständigung und vereinheitlichung in politischen grundfragen. sie sind darum nur noch bedingt unmittelbarer spiegel der gesamtheit der politischen, organisatorischen und anderweitigen praktischen fragen und aktionen im querschnitt. einen eindruck der für die weitere arbeit der sich zur breiter verankerten spartakusgruppe entwickelnden gruppe internationale maßgeblichen politischen prozesse ist daher besser thematisch gebündelt nachzuzeichnen, als durch chronologische wiedergabe der in den spartakusbriefen behandelten themen und fragestellungen.

6. sozialismus oder barbarei ! vom antizipierenden schlachtruf zur zustandsbeschreibung

die gruppe internationale sieht sich in ihrer grundlegenden revolutionären auffassung durch die eskalation des weltkriegs bestätigt: zunehmends zeichnet sich ab, daß es eine militärische lösung des festgefahrenen stellungskrieges nicht gibt. die bis dahin eher antizipierte einsicht, der imperialismus könne aufgrund der durch seine entwicklung freigesetzten destruktivkräfte nur zur barbarei führen, sofern der sozialismus ihm nicht in den arm falle, wird nun zunehmends zur ganz unmittelbar greifbaren realität. im dezember1916 heißt es im dritten spartakusbrief:
"gerade die unmöglichkeit, sich der schlinge des eigenen tuns zu entziehen, gerade die fatalität, mit der die imperialistische staatskunst weiter und weiter ins dicke rennt, ohne der eigenen bewegung mehr einhalt gebieten, ohne sie mehr lenken zu können - das ist das bezeichnende an der heutigen militärischen wie politischen situation (...) der äußeren lage entspricht genau die innere, dieselben sozialimperialisten die vor hindenburg auf dem bauch rutschten, waren ja im anfang auch über die wirtschaftlichen zauberkünste des ‘kriegssozialismus‘ außer sich vor begeisterung, was ist heute von jenen zauberkünsten übriggeblieben? (...) nichts als ordinäre schutzmannsexperimente, als groteske pfuscharbeit, als betäubender bankrott, über den künftige generationen, wenn sie die tränen des zorns und des ekels abgewischt haben, vor lachkrämpfen die augen wieder werden trocknen müssen. (...) die leichenwürmer heilmann-scheidemann-david-haenisch und wie sie alle heißen verraten nur, daß im parteikörper längst verwesung vorhanden war, in der sie wie die maden im käse gediehen. heute ist die äußere parteieinigkeit mit diesen leuten nur noch produkt des belagerungszustandes, der als beschützer der offiziellen instanzen und der politik des 4. august zugleich den unaufhaltsamen prozeß der inneren zersetzung der partei durch die verwesungselemente fördert. (...) überall nur fäulnis, zerfall und trümmer. und daher die unerträgliche stickluft, in der menschen kaum noch atmen können. und dies ist die herrliche bürgerliche gesellschaft im zeichen des imperialismus (...) woher nun diese allgemeine ausweglosigkeit, woher der schlimme zirkel, in den das gesamte soziale leben geraten zu sein scheint?

(...)weil einerseits der moloch als weltenlenker seine rolle ausgespielt hat. er kann nur noch zerstören, zerfetzen, stürzen, er kann nicht mehr regieren und weiter führen.

(...) andererseits hat aber diejenige gesellschaftliche macht, deren eingreifen auf allen gebieten die entscheidung herbeizuführen und auf den trümmern ein neues leben aufzubauen berufen ist, sich in der gegenwärtigen krise noch nicht gemeldet."
im april 1917 heißt es im vierten spartakusbrief:
"die kapitalistischen staaten sind nicht mehr imstande, aus eigenem willen dem entfesselten imperialistischen hexensabbat halt zu gebieten. (...) nur eine einzige macht wäre imstande und war durch die geschichte berufen, dem rasenden abrutsch der gesellschaft in den abgrund der anarchie und der verwilderung in die speichen zu fallen: das internationale sozialistische proletariat. einen anderen ausweg aus dem kriege als die revolutionäre erhebung des internationalen proletariats zum kampfe um die macht gibt es nicht mehr - es sei denn die völlige erschöpfung der gesellschaft."
ein "derartiges versagen einer gesellschaftlichen klasse ihren geschichtlichen aufgaben gegenüber" sei "etwas ganz beispielloses." etwas so beispielloses, daß sich davon sogar "das vormärzliche deutsche reich" abhebe. dieses sei, wie sattsam bekannt, schon reichlich weit im zustand eines verwesenden kadavers vorgeschritten und erstickender dünste der zersetzung voll gewesen, "als die deutsche bourgoisie doch noch in der allerletzten stunde aus ihren altersschwachen lenden so etwas wie revolutionäre tatkraft hervorgeholt hatte, um wenigstens einen anlauf zur renovierung der morschen zustände zu machen."

daß es freilich auch eine option geben könnte, bei der die mehrheitssozialdemokratie im verbund mit der opportunistischen opposition von "so etwas wie revolutionärer tatkraft" eben so viel "aus ihren altersschwachen lenden" hervorzubringen sich entschließt, als erforderlich sein würde, um als vollzugsorgan der konterrevolution den einzig noch denkbaren "anlauf zur renovierung der morschen zustände" möglich zu machen, steht für die gruppe internationale nicht zu debatte.

zunehmends setzen sich die genossInnen der gruppe internationale auch mit der immer deutlicher werdenden - durch den verrat der sozialdemokratie in ungeahnter weise zusätzlich dynamisierten - besonderen destruktivität und gefährlichkeit des deutschen imperialismus auseinander. als am 5. november 1916 in warschau ein manifest des deutschen kaisers verkündet wird, mit dem dieser die "befreiung polens" und die bildung eines "selbständigen" polnischen staates bekannt gibt etwa, schreibt julian marchlewski dazu im dritten spartakusbrief vom dezember 1916 unter der überschrift "tanzt, ihr polen, tanzt, ihr deutsche...":
"der imperialismus scheint sich vorgenommen zu haben, der sozialdemokratie im weltkrieg einen spiegel vorzuhalten, in dem alle ihre worte und gesten als boshafte fratze wiedererscheinen,"
zum widerschein ihrer boshaften fratze gehöre nun auch
"endlich das selbstbestimmungsrecht der nationen als eine ‘wiederherstellung polens' (...) das deutsche kanonenfutter, dieses strammste, intelligenteste, sozialdemokratisch erzogene, organisatorisch disziplinierte, theoretisch geschulte, mit einem wort: das idealste kanonenfutter der welt - fängt leider an, allmählich zur neige zu gehen. die deutsche volksmasse ist zwar ein großes, schließlich aber kein unerschöpfliches reservoir. grenzenlos ist bis jetzt nur ihre geduld und passivität. (...) und doch muß ja der völkermord weitergehen, neues material muß herangeschaft werden. woher es nehmen? da ist polen, in dem noch menschenfleisch und dito knochen zu haben wären.(...) die sozialdemokratie kann, nachdem sie sich als eine macht mit eigener politik im weltkriege ausgeschaltet hat, nur noch eigene phrasen zu fremder, entgegengesetzter politik, zur politik des deutschen imperialismus, liefern, um die öffentliche meinung auf die taten der säbeldiktatur vorzubereiten und sie dem publikum ideologisch mundgerecht zu machen. (...) durch ihr treuherziges geschwätz von dem ‘alten vermächtnis´ der wiederherstellung polens, das auszuführen die angebliche aufgabe dieses weltkrieges wäre, hat sie auch die auf der leiche polens aufgeführte blutige posse des deutschen imperialismus an ihrem bescheidenen teil mit vorbereiten helfen. (...) napoleon brachte den landen, durch die er mit schwert und feuer zog, nicht nur ruin, hunger und anarchie, sondern auch die zertrümmerung des feudalismus. (...) die heutige improvisation der hindenburg und ludendorff an der weichsel hingegen ist ein unikum, eine posse, wie sie die welt noch nicht erlebt und erträumt hat. ein ‘unabhängiger‘ staat mit unbekannten grenzen, mit unbekannter regierung, mit unbekannter verfassung und - o graus! o schmach! - ein königtum ohne könig! (...) es ist schon zur beruhigung seiner untertanen bekannt, daß er ‘erblich´ sei, wer aber dieser erbliche könig des ‘unabhängigen´ staates ist, bleibt noch im busen hindenburgs und ludendorffs verborgen. (...) ohne alle wirtschaftlichen, politischen und kulturellen existenzmöglichkeiten, ohne das recht, selbst auch nur einen ton zur eigenen ‘befreiung‘ äußern zu dürfen (...) ohne hand und fuß, ohne kopf und schwanz zeigt das wiederhergestellte polen nur das eine als seines wesens wesenheit, dies aber schon faustdick, ganz reell und unzweideutig: es hat sofort ein polnisches heer unter deutschem kommando zu schaffen und seine ganze existenz im engsten anschluß an das deutsche reich zu führen."
bis zum sommer 1918 hat die diskussion in der spartakusgruppe deren positionen zur besonderen gefährlichkeit des deutschen imperialismus bereits deutlicher systematisiert und grundsätzlicher gefaßt. im neunten spartakusbrief vom juni 1918 etwa heißt es bei gleichzeitiger ableitung einer geradezu mechanisch folgenden unabwendbarkeit eines von den massen getragenen revolutionären umsturzes aus eben dieser besonderen gefährlichkeit:
"das deutsche proletariat, das verabsäumt hat, dem sturmwagen des imperialismus in die speichen zu fallen, wird von ihm nunmehr zur niederringung des sozialismus und der demokratie in ganz europa herumgeschleift. (...) eins aber stellt sich mit jedem tage klarer heraus: der deutsche sieg kann auf jeden fall nichts anderes bedeuten als die katastrophe der bürgerlichen gesellschaft. bei jeder militärischen entscheidung des heutigen weltkrieges würde der imperialismus der eigentliche sieger, das internationale proletariat der eigentliche besiegte sein. bei einem deutschen siege jedoch würde der imperialismus in seiner reaktionärsten, gewalttätigsten, aufreizendsten gestalt die herrschaft antreten. eine reihe rein historischer umstände bedingen dies mit zwingender logik. der englische und französische imperialismus wurzeln in einer kolonialpolitik alten datums, sind an traditionelle bahnen gebunden. Der deutsche war bis zum ausbruch des weltkrieges im embryonalen stadium, hat sich erst im laufe des kriegs zu ungeheurlichen dimensionen ausgewachsen, wächst jetzt noch mit jedem tage und füllt sich im blutrausch der millionenschlächterei mit einem welteroberungsdrang, der keine traditionen, keine fesseln und keine rücksichten kennt. der englische und französische imperialismus haben ihre macht- und expansionsgebiete in übersee, der deutsche hat im herzen europas seine zelte aufgeschlagen: ganz osteuropa stöhnt seit dem gewaltfrieden von brest-litowsk unter dem deutschen joch. der englische imperialismus ist aus geschichtlichen gründen an gewisse demokratische formen gebunden. der französische aus wirtschaftlichen gründen an ein langsames tempo und stagnierenden charakter gewöhnt. der deutsche imperialismus verbindet das brutale draufgängertum des preußischen junker- und polizeistaates mit der ungestümen gier eines modernen finanzkapitals, das gerade in der bluttaufe dieses krieges seine größte zusammenballung erreicht hat. (...) die deutsche säbelherrschaft über europa ist ein fiebertraum des blutrausches, aus dem das erwachen die europäische revolution heißt. (...) der deutsche arbeiter wird also - und sehr bald und erst recht nach einem ‘deutschen siege‘ - zur revolution greifen müssen. (...) der henker fremder freiheit, der gendarm der europäischen reaktion wird gegen sein eigen werk sehr bald rebellieren müssen, weil eherne geschichtliche gesetze ihrer nicht spotten lassen. mit eigenen händen, durch eigenen kadaver-gehorsam (...) bereitet der deutsche proletarier in diesen tagen die europäische und folglich die deutsche revolution vor und wenn die stunde schlägt, werden diejenigen, die sich jetzt von rußland abgewendet haben (...) wieder nach osten sich wenden, um sich ein wenig heilige glut von dem brande zu besorgen, den sie heute mit blutbesudelten kommißstiefeln auf geheiß des imperialismus auszutreten sich mühen."
auch an kleineren punkten wird deutlich, wie zugespitzt sich die gesamte entwicklung für die genossInnen der spartakusgruppe darstellt. als gruppe, die in der frage revolutionärer taktik und gewalt das, was sie unter "terroristischer taktik" faßt, also bewaffnete aktionen, die nicht unmittelbar ausdruck militanter massenaktionen sind, als unsachgemäß scharf ablehnt, kommentieren sie die erschiessung des österreichischen ministerpräsidenten durch den sozialisten friedrich adler am 21. oktober 1916, nachdem sie den hinweis vorangestellt haben, "daß wir über die zweckmäßigkeit der terroristischen taktik mit adler nicht zu rechten brauchen" im zweiten spartakusbrief so:
"friedrich adlers hand war die hand des rächers und richters, des mahners und warners, seine revolverschüsse zeigten der welt, wie im zucken des blitzes, das grauen des abgrundes, in dem sich das österreichische volk befindet. nicht die erweckung des österreichischen parlaments (...) war ihr zweck, sondern der alarm der öffentlichkeit, die endliche aufrüttelung des österreichischen proletariats zu selbständiger initiative, zu entschlossenem handeln, zum sozialistischen kampf, für diesen heiligen zweck brachte er bewußt sein opfer dar. ihre moralische höhe feit die tat gegen die niedrigkeit, die sie begeifert"
.

VI. der kampf um die partei - rücksichtsloseste kritik am opportunismus und gleichzeitige gemeinsame organisierung

in der auseinandersetzung mit der mehrheitssozialdemokratie wie mit der opportunistischen opposition kristallisieren sich zunehmends deutlicher umrissene zentrale fragen heraus. dabei geht es zum einen um die frage der haltung zu massenaktionen, zum parlamentarismus und zu der mit zunehmender zuspitzung der lage einhergehenden bereitschaft der bourgeoisie, begrenzte reformen in aussicht zu stellen, um eine revolution abzuwenden, zum anderen um die haltung zur friedensfrage, und schließlich um die haltung zur revolutionären entwicklung in rußland. von den permanenten heftigen auseinandersetzungen um diese fragen bleibt die der eigenen organisierung allerdings weitgehend unberührt.

1. massenaktionen, parlamentarismus und präventiv-konterrevolutionäre reformwilligkeit der bourgeoisie

bis zum november 1918 kritisiert die spartakusgruppe unablässig den wahn der sozialdemokratischen arbeitsgemeinschaft, später der uspd, weiterhin parlamentarisch etwas ausrichten und sich gleichzeitig zu den realen massenkämpfen indifferent verhalten zu können, sie allenfalls als unterstützung ihrer parlamentarischen initiativen aufzufassen, insgesamt aber eher als entgleisungen und störfaktor zu begreifen, denen allenfalls als affekthandlungen unzufriedener ein gewisses verständnis entgegenzubringen sei. gleich der erste spartakusbrief beginnt mit einer von rosa luxemburg verfaßten abgrenzung gegen die politik der sozialdemokratischen arbeitsgemeinschaft ("der rhodus"), deren verbissenes festhalten an ihrer parlamentarischen fixierung sie kommentiert:
"als ob die schicksale des kriegs und des friedens heute noch im parlament entschieden werden könnten! als ob die aktionen der sozialdemokratischen parlamentarier heute noch eine andere bedeutung, einen anderen zweck hätten, als den massen klarzumachen - daß sie nichts vom reichstag, daß sie alles nur von sich selbst zu erwarten haben. (...) und wenn die kreditbewilligung im reichstag allerdings zum springpunkt und zur losung der gesamten politik des sozialdemokratischen verrats wurde, so ist umgekehrt die ablehnung der kredite im reichstag mitnichten das a und o der rückkehr zur sozialistischen politik, vielmehr nur ein detail. ein schwacher anfang einer politik, deren ganzer schwerpunkt außerhalb des parlaments, in massenaktionen liegt."
als hugo haase, einer der führenden funktionäre der opportunistischen opposition auf einer reichskonferenz der mehrheitssozialdemokraten ("die reichskonferenz entbehrt jeder parteistatutarischen grundlage. (...) die parteikonferenz existiert parteirechtlich überhaupt nicht," war dazu im ersten spartakusbrief vom 20.9.16 festgestellt worden) klarstellt:
"keiner von uns empfiehlt wilde streiks, aber man soll verständnis für die darin ausbrechenden gefühle haben,"
kommentiert der zweite spartakusbrief :
"wenn die mehrheit die positive hilfsorganisation der arbeiterschaft für den imperialismus darstellt, so die arbeitsgemeinschaft die organisation der hilflosigkeit gegen den imperialismus, der frommen wünsche und der biederen gefühle, die nur allzuoft in den unfreiwilligen helferdienst für den gegner umschlagen."
mit blick auf die reichskonferenz wird festgestellt:
"die konferenz endete mit einem vertrauensvotum, das die mehrheitsvertreter den - mehrheitsvertretern spendeten. sie hatten nach der konferenz - was sie vor der konferenz hatten - ihre eigene überzeugung von ihrer eigenen trefflichkeit."
im zusammenhang mit der für die spartakusgruppe entscheidenden frage der haltung zu den streiks erfolgt auch eine genauere auseinandersetzung mit der rolle der deutschen gewerkschaften. im vierten spartakusbrief vom april 1917 heißt es:
"im großen und ganzen jedoch sind die sozialistische partei in frankreich, england und zu einem teil in rußland in dem gleichen strudel der imperialistischen sturzwelle untergegangen wie die deutsche. nicht so die gewerkschaften. in keinem der kriegführenden länder außer deutschland (und natürlich seinem parasiten österreich) haben die gewerkschaften den burgfrieden akzeptiert. (...) in deutschland allein sehen wir die beispiellose erscheinung, daß die machtvollsten gewerkschaftsorganisationen der welt vom ersten moment des kriegs ihre ganze gewaltige macht gebraucht haben - nicht gegen das ausbeutende kapital, sondern gegen die ausgebeuteten proletarischen massen (...) um sie just dann völlig zu entwaffnen, wo das deutsche kapital sich zur unerhörten macht aufrafft und zu einem nie dagewesenen feldzug gegen das proletariat in zukunft wappnet. (...) judas ließ sich die silberlinge wenigstens nicht von christus auszahlen. die individuen von der generalkommission der gewerkschaften hingegen (...) bezahlen jede käsestulle, die sie verzehren, und jedes glas bier, das sie herunterschlucken, nach wie vor aus den groschen derselben von ihnen verkauften und verrratenen proletariermassen. der herrschende klassenstaat braucht sich nicht in unkosten zu stürzen: diese prostituierten sind umsonst zu haben, sie kommen schon gelaufen auf einen leisen pfiff. (...) ein rätsel und ein problem sind die organisierten massen, die solchen kreaturen nach wie vor gehorsam und gefolgschaft leisten. (...) hier, in diesem verhältnis der deutschen organisierten arbeiterschaft, also der elitetruppe des deutschen proletariats, zu ihren führern, stoßen wir zugleich auf das problem des deutschen militarismus, also, auch des imperialismus. (...) in diesem völlig kritiklosen, geistlosen, mechanischen gehorsam der hammelherde, steckt eine der wesentlichen wurzeln des militarismus. der militarismus sitzt den deutschen arbeitern im eigenen nacken."
überhaupt sei festzustellen:
"der deutsche despotismus hat wahrhaftig ein schweineglück in der geschichte. (...) mit solcher ‘opposition‘ ist regieren keine kunst, hier darf die reaktion in ihrer waldursprünglichen nacktheit auftreten. erst hatte sie mit der feigsten bourgeoisie, jetzt mit der niederträchtigsten sozialdemokratie zu tun. die sozialdemokratie übertrumpft aber entschieden die bourgeoisie um ein erkleckliches. (...) und dieser völlige mangel an halt im abrutschen, an inneren hemmungen im abwerfen politischer scham und würde hat tiefe soziale ursachen. (...) die nationalliberalen wie die freisinnigen verrieten bloß die politischen prinzipien ihres programms, nie die materiellen interessen ihrer klasse. es war nicht ihre schuld, es war ihr historisches pech, daß diese interessen mit jenen prinzipien in widerspruch geraten sind. (...) mit ihrem blanken verrat der arbeiterklasse haben sich die scheidemänner völlig des eigenen bodens enthoben. sie laufen nur noch als tellerlecker der bourgoisie, als marketender des imperialismus hinter dem bürgerlichen lager einher und sind glücklich, wenn ihnen gelegentlich von dort wie einem gelehrigen pudel zugerufen wird: scheidemann, apporte !"
wie richtig ihre einschätzung der gewerkschaften ist, zeigt sich im januar 1918: die revolutionäre linke bekommt erheblichen auftrieb durch einen massenstreik in der rüstungsindustrie. einem aufruf der spartakusgruppe und der revolutionären obleute in den berliner großbetrieben folgend, beteiligen sich über 1 million arbeiterinnen an diesem politischen streik, während die regierung militär gegen die streikenden einsetzt und massenverhaftungen vornehmen läßt, unternehmen funktionäre der mehrheitssozialdemokratie und der gewerkschaften enorme, teils sehr erfolgreiche anstrengungen, um sich in die streikleitungen einzuschleusen und dort zum abwürgen des streiks beizutragen.

als erstmals nachwahlen zum reichstag stattfinden, bei denen vertreter der sozialdemokratischen arbeitsgemeinschaft kandidieren und unterliegen, hebt die spartakusgruppe entgegen der auffassung der mehrheitsfraktion, die darin den beweis zu sehen behauptet, es gebe für die opportunistische opposition gegen den krieg keine basis, hervor, daß es wohl für die oppposition gegen den krieg eine basis gebe, aber eben nicht für die opportunistische. insgesamt heißt es zu dieser frage im dritten spartakusbrief vom dezember 1916:
"wahlniederlagen der mehrheitsmänner wollen wir schon in kauf nehmen und sie auch standhaft ertragen - was uns desto leichter werden dürfte, als wir den verlust dieser herren, sei es auch mitsamt ihren mandaten, als den größten gewinn für die partei betrachten. was wir aber unter keinen umständen ‘mitbuchen‘, geschweige denn mitverschulden möchten, das sind gerade wahlsiege der herrschaften. der klassenkampf der arbeiter ist kein maskenball, und die dem internationalen sozialismus treu gebliebenen arbeiter haben an den offenen und aufrichtigen nationalliberalen vollständig genug, um sich nicht noch nach den vermummten und verkappten nationalliberalen in der rolle sozialdemokratischer parlamentsvertreter zu sehnen."
im frühjahr 1917 stürzt sich die sozialdemokratische arbeitsgemeinschaft - als ausdruck ihrer mobilisierung durch die russische februarrevolution ! - erneut geballt in wüste parlamentarische aktivitäten, ermutigt durch regungen des gemäßigten bürgerlichen lagers, die einführung einzelner bürgerlich-demokratischer elemente doch als den geeigneteren weg zur aufrechterhaltung der bürgerlichen herrschaft anzuerkennen. die spartakusgruppe kommentiert mit blick auf die zur verteidigung ihrer parlamentarischen borniertheit vorgebrachten schutzbehauptungen der arbeitsgemeinschaft:
"freilich lassen sich revolutionen nicht auf kommando machen. dies ist aber auch gar nicht aufgabe der sozialistischen partei. pflicht ist nur, jederzeit unerschrocken ‘auszusprechen, was ist‘, d.h. den massen klar und deutlich ihre aufgaben im gegebenen geschichtlichen moment vorzuhalten, das politische aktionsprogramm und die losungen zu proklamieren, die sich aus der situation ergeben. die sorge dafür, ob und wann die revolutionäre massenerhebung sich daran knüpft, muß der sozialismus getrost der geschichte selbst überlassen. erfüllt er in diesem sinne seine pflicht, dann wirkt er als mächtiger faktor bei der entfesselung der revolutionären elemente (...) aber auch im schlimmsten fall, wenn er zunächst als rufer in der wüste erscheint (...) schafft er sich, wie es sich am schluß der rechnung stets und unweigerlich herausstellt, eine moralische und politische position, deren früchte er später, wenn die stunde der geschichtlichen erfüllung schlägt, mit zinseszinsen einheimst, (...) der internationale sozialismus fungiert tatsächlich seit ausbruch des weltkrieges als der zuverlässigste wächter der bürgerlichen klassenherrschaft. (...) in wirklichkeit bereitet der internationale sozialismus damit nicht die beendigung des krieges, sondern ein leichentuch nach dem friedensschluß. zunächst für die russische revolution und dann für sich selbst als faktor der modernen weltgeschichte."
das problem des bürgertums mit blick auf aus seiner sicht wünschenswerte systemstabilisierende reformen sei gerade, daß "die deutsche reaktion (...) seit bismarcks zeiten ein so festgefügter und festverschlungener mechanismus" ist, "daß an ihm nicht zu bessern und nicht zu flicken ist. entweder stürzt alles, oder es darf nicht ein stückchen verrückt werden."- gerade "die parlamentarische farce der politischen erneuerung deutschlands durch den mehrheitsblock", durch die sich die arbeitsgemeinschaft so ermutigt sehe, auf dem richtigen weg zu sein, "schleudert den deutschen arbeitern abermals ins gesicht den notschrei der geschichtlichen stunde, diesmal sogar schon durch den mund reaktionärer bürgerlicher parteien: es gibt keinen weg zum frieden als die revolution!"

auch die preußische wahlrechtsvorlage vom herbst 1917, die die einführung des allgemeinen wahlrechts für den preußischen landtag in aussicht stellt, erfordert im spartakusbrief vom november 1917 eine eindeutige klarstellung gegenüber der opportunistischen begeisterung:
"die preußische wahlrechtsvorlage wurde geboren in den tagen, in denen die russiche revolution sich eben rührte,"
völlig zurecht habe der bürgerliche landtagsabgeordnete dr. pachnicke festgestellt,
"die ankündigung des gleichen wahlrechts war ein ventil für die spannungen, wie sie in einem langen kriege entstehen, wehe der hand, die dieses ventil wieder zu schließen versucht."
der kommentar fährt fort:
"aber wehe nicht denen, die bisher das wahlrecht wollten, sondern denen, die es fünfzig jahre versagten. sie sind es, die jetzt des wahlrechts bedürfen. (...) damit wäre an sich schon die stellung des proletariats gegeben gegenüber der wahlrechtsreform in diesem augenblicke. (...) die preußische wahlreform in diesem augenblick ist keine ‘abschlagzahlung´ - keine ‘konzession‘, sondern eine morphiumeinspritzung, die das proletariat einschläfern soll, (...) jetzt, in dieser stunde, da das russiche proletariat mit allgewalt an die pforten pocht, ist das preußische wahlrecht nichts revolutionäres; es ist die parole der konterrevolution. politische ziele sind keine ewigen götterbilder, an denen generationen anbetend vorüberwallen, was 1906 ein ziel war, kann 1917 aufgehört haben, eines zu sein."
nach der niederlage der novemberrevolution wird das allgemeine wahlrecht, dann auch für frauen, zu den wenigen bleibenden ergebnissen des blutig auf ausschließlich bürgerlich-demokratische inhalte zurückgestutzten in der form proletarisch-revolutionären umsturzes vom 9. november 1918 gehören.

2. die friedensfrage und der charme der neuen weltordnung

in dem maße, wie die immer weiter zunehmende eskalation und militärische unlösbarkeit des imperialistischen gemetzels die alternative sozialismus oder barbarei immer unabweisbarer auf die tagesordnung setzt, entwickeln sich in der mehrheits- wie der opportunistischen sozialdemokratie neue prioritäten in bezug auf politische modelle für eine beendigung des krieges und die anschließenden befriedungsmodalitäten. die mehrheitssozialdemokratie geht - mit sicherem gespür für ihre mit dem verrat an der internationale übernommene rolle und die möglichkeiten, die in der konsequenz dieses verrats für sie selbst wie die aufrechterhaltung der bürgerlichen herrschaft noch liegen - dazu über, als initiator und träger bürgerlicher friedenspolitik offen eine innerimperialistische verständigung zwischen den regierungen zu propagieren und forcieren.

damit liegt die mehrheit in wohl genauerer einschätzung als die revolutionären linke, die immer stärker von der annahme geprägt ist, mit jedem weiteren schritt der sozialdemokratie auf dem weg der "politik des 4. august" schalte diese sich nicht nur als revolutionärer, sondern überhaupt als geschichtlich relevanter politischer faktor aus

die opportunistische opposition hingegen erliegt den vorstellungen des bürgerlichen pazifismus und entwickelt einen geradezu phantastischen faible für den charme der von den imperialistischen regierungen entwickelten ideen einer "neuen weltordnung", die der frieden bringen solle.

ein forum für ihre politik der innerimperialistischen verständigung erhoffte sich die mehrheitssozialdemokratie - wie alle anderen revisionistischen und opportunistischen strömungen innerhalb der europäischen arbeiterbewegung - von der für august 1917 angesetzten, auf initiative des holländisch-skandinavischen komitees des isb und des petrograder sowjets der arbeiter- und soldatendeputierten angeschobenen internationalen konferenz aller arbeiterparteien und -organisationen.

während die uspd sich unweigerlich zur teilnahme berufen sah, wandte sich die zimmerwalder linke überwiegend mit nachdruck gegen jede beteiligung an der konferenz. lenin kündigte an, den ausschluß jeglicher bisher am zimmerwalder ansatz beteiligten gruppierung, die an der konferenz teilnehme, durchzusetzen. ironischerweise wurde die konferenz schließlich abgesagt, weil die englische und die französische regierung "ihren" delegierten die ausreise zu der konferenz untersagten. eine begründung, die zu einem zeitpunkt, zu dem die zimmerwalder linke seit jahren praktisch nur illegal agieren konnte und ein großteil der zentrale der gruppe internationale im knast saß, im siebten spartakusbrief vom november 1917 mit genüßlichem hohn quittiert und nicht zu unrecht als bildhafter ausdruck des mit der konferenz verbundenen politischen ansatzes bewertet wird.

von dieser entwicklung berichtet unter anderem auch der sechste spartakusbrief vom august 1917 und dokumentiert einen brief von franz mehring an den petrograder arbeiter- und soldatenrat, in dem er ihn von jeder unterstützung der geplanten stockholmer konferenz abzubringen versucht.

mit blick auf den immer stärker erblühenden faible auch der opportunistischen Opposition für die perspektive eines friedens der regierungen und ihrer diplomaten stellt der vierte spartakusbrief vom april 1917 klar:
"für jede sozialistische partei und richtung ist es heutzutage der wichtigste prüfstein, wie sie sich zu der friedensfrage stellt. entscheidend ist dabei selbstverständlich nicht der wunsch nach frieden an sich. dieser ist vielmehr nur eine allgemeine vage formel, hinter der sich sämtliche schattierungen der bürgerlichen wie der proletarischen politik verbergen können. (...) man bedenke: seit bald drei jahren liegt die internationale unter den hufen des dahinrasenden imperialismus. die imperialisten entfesseln hüben wie drüben die kriegsfurie bis zum äußersten, die orgie wird offenbar schließlich nur an innerer erschöpfung eine ende finden, um einer neuen periode der vorbereitung zum nächsten tanz platz zu machen. (...) eins von beiden. entweder glauben diese leute in vollem ernst und unschuldigen herzens an die möglichkeit, den heutigen imperialismus nach dem heutigen weltkriege durch ‘abkommen‘ der bürgerlichen diplomatie über schiedsgerichte und abrüstung fesseln und eindämmen zu können. dann stehen ihre geschichtsauffassung und ihre politische reife unter dem niveau des bürgerlichen freisinns, dann sind sie eben nicht ernstzunehmen. oder aber sie nehmen selbst ihre eignen phrasen nicht ernst und wiederholen sie nur aus furcht vor den entschlossenen konsequenzen, zu denen sie eine absage an den elenden phrasenplunder zwingen würde. (...) hier erfolgt aber einer der gelungenstens witze der weltgeschichte: kaum hatte die ‘arbeitsgemeinschaft‘ eine sorgfältige kopie des friedensprogrammes des amerikanischen präsidenten ausgefertigt, als dieser, der eben den mund zu einer dritten friedensbotschaft aufgetan hatte, einen moment schwieg und dann plötzlich erklärte: ‘meine herrschaften, ich habe mir‘s anders überlegt: ich mache nicht mehr frieden, ich mache krieg!‘ (...) aber die verspätete kopie der wilsonschen friedensbotschaft ist bei der arbeitsgemeinschaft mehr als politische impotenz: sie ist (...) eine glatte preisgabe des sozialismus. die sozialistische friedenspolitik ist heute in den folgenden einfachen worten enthalten: ihr arbeiter! entweder machen die bürgerlichen regierungen den frieden, wie sie den krieg machten. (...) dann geht es unvermeidlich immer weiter(...) der barbarei entgegen. oder ihr rafft euch zu revolutionären massenerhebungen auf, zum kampf um die politische macht, um euren frieden nach außen und nach innen zu diktieren, entweder imperialismus und rascherer oder langsamerer untergang der gesellschaft oder kampf um den sozialismus als einzige rettung. etwas drittes, etwas mittleres, gibt es nicht,"
mit dem für die opportunistische opposition unwiderstehlichen charme der "neuen weltordnung", der offenkundig auch nichts neues vor der geschichte ist, setzt sich unter der überschrift "vom papst bis haase" auch der siebte spartakusbrief vom november 1917 auseinander, insbesondere mit dem bürgerlichen pazifismus.
"wer bei dem heutigen pazifistischen dauerlauf ins land der utopie seinen kopf unter dem arm trägt, ist jedenfalls nicht der kapitalismus, sondern - der internationale sozialismus. (...) auch der bürgerliche pazifismus hat seine geschichte. und man muß in dieser zwei ganz verschiedene stränge auseinanderhalten, die nach ursprung und tendenz total unterschiedlich einzuschätzen sind. die utopie eines kant vom ewigen frieden war, so sehr sie eine blutleere abstraktion und insofern ein typisches produkt der derzeitigen preußischen misere darstellte, doch zweifellos von dem weltumspannenden hauch der großen französischen revolution umweht."
es folgt ein kurzer abriß verschiedener fortschrittlicher strömungen des bürgerlichen pazifismus im 19. jahrhundert.
"damit war aber gegeben, daß diesem pazifismus ein ziel gesetzt war - durch das aufkommen der modernen sozialistischen bewegung, welche die unklare kleinbürgerliche opposition in das breite bett des proletarischen klassenkampfes überleitet. der von marx und engels begründete internationale sozialismus kam auf in deutlichem gegensatz zu jenem bürgerlichen pazifismus, dem er alle lebensfähigen elemente abnahm und über den er zugleich das geschichtliche urteil fällte durch die epochemachende erkenntnis: es gibt keinen weltfrieden als auf den trümmern der bürgerlichen gesellschaft. (...)

ganz anders verläuft der zweite strang des ‘bürgerlichen pazifismus´. sein ausgangspunkt liegt nicht in den niederungen der volksmassen und der aus ihnen auf steigenden oppositionellen gärungen, sondern auf den höhen des gottesgnadentums, der throne und altäre. es ist die berühmte heilige allianz, dieselbe, die nach der niederwerfung napoleons durch die monarchische koalition das panier der reaktion in ganz europa aufpflanzte. (...)

heute feiern die traditionen und der geist der heiligen allianz in der friedensbewegung unter dem banner des papstes ihre fröhliche urständ. (...) über kurz oder lang wird aber der krieg ein ende nehmen, und für die zeit nach dem kriege bedarf die bürgerliche gesellschaft unbedingt der rückkehr zur ordnung, zur wohlanständigkeit und ehrbarkeit, sie bedarf einer halbwegs ausgeflickten ideologie, ohne die nun einmal keine klassenherrschaft möglich ist. ein erster vorbereitender schritt nach dieser richtung, die plattform, auf der sich die heute ringenden imperialistischen mächte am anderen tage nach dem kriege alle wieder zusammenfinden werden. das banner der künftigen heiligen allianz des imperialismus ist eben der heutige pazifismus und die ‘moralische kraft des rechts‘, die im leben der völker an die stelle der brutalen gewalt treten soll. (...)

die künftige heilige allianz des imperialismus gegen das internationale proletariat und seine mögliche revolutionäre massenauflehnung entsteht unter dem beifallssturm und mit moralischer beihilfe des internationalen sozialismus - ein groteskeres fastnachtsspiel hat die welt kaum gesehn."

3. rücksichtsloseste kritik und gemeinsame organisierung

die gruppe internationale bewegt sich, von der intensität und grundsätzlichkeit all dieser auseinandersetzungen weiterhin ungetrübt auf ihrer linie der rückeroberung der partei. dies wird etwa an der intensiven auseinandersetzung mit dem "vorwärtsputsch" im zweiten spartakusbrief vom 5. november 1916 deutlich. unter zuhilfenahme der presserechtlichen bestimmungen des belagerungszustands war der parteivorstand erneut gegen die redaktion des "vorwärts" vorgegangen und hatte diese, unter anderem durch die entlassung des zur gruppe internationale gehörenden genossen ernst meyer, so neu zusammengesetzt, daß sie vollends linientreu die "politik des 4. August" vertrat.

da der "vorwärts" formal die zeitung der berliner sozialdemokraten war und die parteigremien in groß-berlin zwischenzeitlich mehrheitlich von der opportunistischen opposition dominiert wurden, sah die gruppe internationale in der auseinandersetzung um den "vorwärts" einen kristallisationspunkt für die innerparteiliche auseinandersetzung. einleitend heißt es:
"die deutsche sozialdemokratie ist beim ausbruch des weltkrieges an dem kadavergehorsam der proletarischen massen ihren sogenannten führern, ihren eigenen ausführenden organen gegenüber zugrunde gegangen."
die rede ist vom
"jahrzehntelangen kasernendrill in der sozialdemokratie"
. dann heißt es zum "vorwärts-putsch":
"aber die basis, auf der die scheidemann-ebert in diesem falle fussen, ist ja gar nicht sozialdemokratisches parteistatut, sondern die bestimmungen der preußischen verfassung betreffend den belagerungszustand. so konnte denn der jetzige konflikt nicht als rechts-und kompetenzstreit, sondern nur als reine machtfrage ausgefochten werden."
dies dürfte für die gruppe internationale insofern ein wichtiger punkt gewesen sein, als ihnen gerade nach den erfahrungen, wie mühselig es sich offenbar gestaltete, die beitragssperre gegen formalrechtliche bedenken wegen des parteistatus durchzusetzen, daran gelegen sein mußte, auch die unmittelbare innerparteiliche auseinandersetzung wieder zu politisieren und gerade dem vorstand eigene verstöße gegen die durch ihn so borniert hochgehaltenen formalrechtlichen hüllen nachzuweisen. angemessen sei ausschließlich, den instanzen "dieses blatt mit verachtung vor die füße zu werfen." gegen mögliche bedenken heißt es:
"die massenhafte abbestellung des ‘vorwärts‘ kann gewiß in beträchtlichem maße zur absplitterung der abonnenten, zur einführung bürgerlicher blätter in arbeiterfamlien führen, aber die arbeiter, die jetzt, in dieser schweren krise, der sozialdemokratie den rücken kehren und dauernd zur bürgerlichen presse überlaufen, sind kein allzuernster verlust für die bewegung. gilt es doch endlich einzusehen, daß nicht die zahl, sondern politische reife, kampffähigkeit und idealismus die macht der sozialdemokratie ausmachen. - man kann überhaupt keinen ernsthaften kampf ausfechten, wenn man mit lauter wenn und aber rechnet und alle chancen des sieges im voraus in der tasche haben will."
die frage des vorwärts-boykotts verweist insgesamt auf ein weiteres problem für den kampf innerhalb der partei: die mitgliedschaft in der deutschen sozialdemokratie ist weit mehr als einfach nur der besitz eines parteibuchs. sie ist vielmehr geradezu eine lebensweise, die neben der teilnahme an parteiveranstaltungen und der stimmabgabe für die partei auch die zugehörigkeit zu einem weitverzweigten netz parteigebundener oder zumindest parteinaher organisationen vom sportverein über kulturgruppen bis hin zu den konsumgenossenschaften und eben auch dem abonnement parteieigener tageszeitungen umspannt. die frage einer parteispaltung war insofern für breite schichten der mitgliedschaft auch mit massiven einschnitten in das gesamte soziale und kulturelle umfeld verbunden. während die sportvereine und kulturgruppen im laufe des krieges, ähnlich wie die partei selbst, zunehmends an mitgliedern verloren, wird die ganze widersprüchlichkeit der situation daran deutlich, daß beispielsweise die konsumgenossenschaften gleichzeitig beständig weiter wuchsen, an mitgliedern und beschäftigten sowohl wie mit blick auf ihre umsätze.

4. die unfreiwillige gründung der uspd - die gruppe internationale ist mit von der partie

am 26.12.1916 verschickt leo jogiches außer der reihe ein zirkular der spartakusgruppe. die sozialdemokratische arbeitgemeinschaft (ag.) hat zu einer konferenz am 7.1.1917 eingeladen und dazu auch die teilnahme von vertretern der gruppe internationale eingeplant. nun muß kurzfristig eine entscheidung gefällt werden. leo jogiches:
"in unserem engeren berliner kreis sind wir nun der ansicht, daß der beschluß, ob wir der einladung der a.g. folgen sollen, von einer konferenz unserer richtung zu fassen ist, die zugleich die richtlinien für unsere delegierten festzulegen hätte." diese konferenz soll am 6.1.1917 stattfinden. er unterbreitet zugleich im namen des "engeren berliner kreises" vorschläge für forderungen die mit der teilnahme an der konferenz der a.g. verbunden werden sollen:
"
  1. die zugehörigkeit zu der gegenwärtigen sozialdemokratischen partei darf von der oppposition nur so lange aufrechterhalten werden, als diese ihre selbständige politische aktion nicht hemmt noch beeinträchtigt. die opposition verbleibt in der partei, nur um die politik der mehrheit auf schritt und tritt zu bekämpfen und zu durchkreuzen, die massen vor der unter dem deckmantel der sozialdemokratie betriebenen imperialistischen politik zu schützen und die partei als rekrutierungsfeld für den proletarischen antiimperialistischen klassenkampf zu benutzen.
  2. offenes schutz- und trutzbündnis aller zu einem entschlossenen kampf gegen die politik der pateiinstanzen bereiten parteiorganisationen mit eigener zentralbehörde und finanzen (...) durch die schaffung eines solchen bündnisses darf sowohl die gesonderte selbständige existenz der einzelnen oppositionsrichtungen als organisation wie ihre aktionsfreiheit (...) in keiner weise beeinträchtigt werden.
"
außerdem müßte festgeschrieben werden, daß die beitragssperre fortgeführt wird, den mehrheitsvertretern jegliche berechtigung, ihre mandate weiter wahrzunehmen, öffentlich abgesprochen wird, künftig bei (nach) wahlen eigene kandidatinnen und kandidaten aufgestellt werden bzw, sofern dies nicht möglich ist, öffentlich zur stimmenthaltung aufgerufen wird - und daß die parlamentstribüne künftig tatsächlich und ausschließlich zu agitationszwecken genutzt wird und der schwerpunkt der ganzen politischen tätigkeit - unter einschluß der offenen konfrontation mit den gewerkschafts- und parteiinstanzen - auf massenaktionen verlegt wird.
"wir geben uns keinen hoffnungen hin, daß die a.g. unsere forderungen annehmen wird. wir sind vielmehr der meinung, daß die gemeinsame konferenz angesichts der halbheit der a.g. und ihrer verwandtschaft in wesentlichen punkten mit der mehrheit kaum ersprießliche praktische resultate zeitigen wird. trotzdem glauben wir, die beteiligung an der konferenz befürworten zu können. die a.g. beherbergt in sich nämlich (...) eine ganze menge arbeiterelemente, die geistig und politisch zu uns gehören, und nur durch mangel an berührung mit uns oder aus unkenntnis der tatsächlichen beziehungen innerhalb der opposition und anderen zufälligen ursachen der a.g. folgen. es ist für uns von größter wichtigkeit, diese elemente aufzuklären, sie dem einfluß der a.g. zu entreißen und überhaupt den scheidungsprozeß innerhalb der a.g. zu beschleunigen. wenn die leitung der a.g. dieses programm nicht akzeptiert, so wird dessen aufstellung die möglichkeit geben, unsere richtung von der ag. nicht nur grundsätzlich, wie dies bereits auf der reichskonferenz geschehen, sondern nicht minder scharf bei der lösung der unmittelbaren praktischen parteiprobleme scharf und sichtbar für jedermann abzugrenzen, wodurch die klärung der situation und die klarheit in unseren eignen reihen nur gewinnen kann."
die gruppe internationale beschließt am 6. januar 1917 tatsächlich die teilnahme an der konferenz der a.g. am folgenden tag, an der insgesamt 157 delegierte teilnehmen, davon 34 vertreter der spartakusgruppe. den forderungen der spartakusgruppe stimmen genau 34 delegierte zu. die übrigen sprechen sich gegen die beitragssperre aus und verlegen sich darauf, konzepte für die "wiederherstellung verfassungsrechtlicher garantien" in der sozialdemokratischen partei zu entwerfen. dies wiederum erzürnt den parteivorstand so sehr, daß nun er die spaltung der partei erzwingt. völlig schockiert und überrannt beruft darauf die a.g. am 9. februar 1917 eine konferenz ein, auf der sich alle "grundsatztreuen genossen" zusammenfinden sollen, um sich "organisatorisch zu vereinen zu gemeinsamer arbeit für die gesundung der sozialdemokratischen bewegung." noch immer vermag sie das wort "parteigründung" nicht über ihre lippen zu bringen.

die gruppe internationale sieht nun ihre aufgabe darin, aus diesem anlauf zumindest die gründung einer neuen "partei der gesamten opposition" herauszuschlagen. johann knief interveniert zwar bei leo jogiches, um eine gemeinsame parteigründung der linksradikalen mit der spartakusgruppe vorzuschlagen, wird aber schroff zurückgewiesen. auch auf der vorkonferenz der gruppe internationale am 5. april 1917 kommt es zur kontroversen diskussion, unter anderem fritz heckert spricht sich nachhaltig für die gründung einer eigenen partei aus. ausgerechnet er wird dann auf vorschlag von leo jogiches, der ihn unter druck setzt, indem er sich auf rosa luxemburg beruft, damit beauftragt, für die spartakusgruppe auf dem gründungsparteitag der uspd zu reden. in der "arbeiterpolitik", der zeitung der bremer linksradikalen, stand dazu anschließend, fritz heckert habe eine rede gehalten, die mit einer dem gesamten inhalt der rede zuwiderlaufenden schlußfolgerung geendet habe - daß die gruppe internationale sich der uspd anschließe, sofern sie innerhalb der partei ihre weitgehende eigenständigkeit gewährleistet sehe. erneut hat die gruppe internationale sich gegen den offenen bruch und eine eigenständige revolutionäre organisierung entschieden.

hier tritt das problem des massenbezugs der gruppe internationale noch einmal besonders deutlich erkennbar zutage. die frage der "reife" der massen, also die frage danach, wie der politische prozeß aussieht, der breite schichten des proletariats vom aufbegehren gegen unmittelbar erfahrene unterdrückung und ausbeutung zum geschlossenen gemeinsamen handeln nach revolutionärer strategie führt, ist zwar als eine zentrale erkannt, wird aber mit stark aufklärerischem impetus vor allem als eine der vermittlung gefaßt.

im laufe der folgenden anderthalb jahre, je mehr sich die situation zuspitzt und sich eine perspektive auf den politischen umsturz abzeichnet, werden in den spartakusbriefen immer stärker fragen diskutiert und reflektiert, die sich daraus ergeben, daß sich die frage nach der "reife" der massen, auf die soviel hoffnung gelegt ist, komplexer ist, die tief verwurzelte prägung durch den preußischen wie den sozialdemokratischen kasernenhofdrill, die obrigkeitshörigkeit den herrschaftsapparaten wie den instanzen der "eigenen" organisationen gegenüber auch jenseits der politischen erkenntnis über den verrat der mehrheitssozialdemokratie und die gefahren des opportunismus den sprung zur freien selbstbetätigung nachhaltig blockiert.

daß die ganze tragweite dieses reflexionsprozesses so spät erst begriffen - und dann angesichts der unmittelbar anstehenden ganz praktischen aufgaben eher zurückhaltend bearbeitet wird - dürfte neben der vorstellung einer, weil unmittelbar aus den kämpfenden massen bestehenden, lebendigen internationale die wesentliche erklärung dafür sein, warum die frage der eigenständigen organisierung so spät ins blickfeld rückt. als frage primär der vermittlung begriffen, lag der schluß nah, sich erst mit der mehrhertssozialdemokratie, dann mit der uspd als politische organisationen gar nicht mehr auseinanderzusetzen, sondern sie als orte zu begreifen, an denen (im technischen sinne) organisierter zugang zu breiteren arbeiterInnenmassen bestand, der mitgenutzt werden konnte, solange man sich in der partei befand, daß so also für die vermittlung technisch bessere voraussetzungen bestanden, als sie eigenständig in kurzer zeit möglicherweise hätten hergestellt werden können.

daß für die entwicklung politischer reife diese fragestellungen standen nicht im mittelpunkt der überlegungen. aus ihnen hätte sich auch ergeben können, daß ein auch organisatorischer bruch mit der partei und die ausstrahlungskraft des (möglicherweise) wagnisses eigenständiger organisierung einen ungleich gewichtigeren beitrag zur politischen reife "der massen" hätte leisten können, als die vermeintlich effektive agitation unter ausnutzung der vorhandenen parteistrukturen.

so hat die spartakusgruppe für das "parteileben" der uspd auch von anfang an kaum mehr als spott übrig, der spartakusbrief vom november 1917 etwa berichtet folgendes: im oktober 1917 hatte die mehrheitssozialdemokratie einen parteitag in würzburg abgehalten. dabei war bekannt gegeben worden, daß die partei seit kriegsbeginn rund eine million mitglieder verloren hatte, so daß nur noch 200.000 leute in ihr organisiert waren. die uspd nun veröffentlichte darauf prompt eine erklärung, in der sie einen betrug der mehrheit entlarvt: es seien bloß noch 170.000 in der partei, sie hingegen, die uspd, haben seit ihrer gründung bereits 120.000 mitglieder organisiert. dazu heißt es:
"die berechnungen werden schon sicher stimmen, aber - wenn ich bloß was davon hätt - unbelehrt durch alle schrecken der erfahrung, treiben die sumpfleute genau denselben kultus mit der organisation (...) wie es weiland die offizielle deutsche sozialdemokratie trieb. (...) sie (...) erschaffen wie der liebe herrgott in 7 tagen tausende fix und fertiger "sozialdemokraten" (...) über der fleißigen ameisenarbeit des grashalmschleppens vergessen sie immer wieder den bergsturz, der den ameisenbau begraben hat."
immer wieder bemüht sich die spartakusgruppe um klärende polarisierung:
"die gute, alte, brave deutsche sozialdemokratie ist also tot. wir haben es schon längst gewußt. (...) es soll wohl in alten zeiten vorgekommen sein, daß, wenn ein großer starb, der treueste gefolgsmann sich in die gruft mit einmauern ließ, weil er kein neues leben mehr beginnen wollte oder konnte, ob die unabhängigen dies los teilen wollen? das ist die frage an das schicksal."
bei ehrlicher betrachtung wohl weniger eine schicksals - als eine rhetorische frage.

VII. zentrale antriebsfeder: die revolutionen in rußland - die weltrevolution beginnt!

weit mehr als die frage der organisierung innerhalb oder außerhalb der partei interessiert die gruppe internationale die entwicklung in rußland. die bürgerlich-demokratische februarrevolution schafft aus ihrer sicht die entscheidenden voraussetzungen für eine proletarische revolution, die den beginn der weltrevolution bedeuten würde. unablässig wird in den spartakusbriefen der charakter und die bedeutung der entwicklung in rußland bewertet und klargestellt, wird die entwicklung in rußland der situation in deutschland gegenübergestellt und vor allem immer deutlicher herausgearbeitet, daß nun für das deutsche proletariat die weitere selbstpreisgabe gleichbedeutend sei mit dem verrat an der russischen revolution.

1. nach der februarrevolution

so heißt es im vierten spartakusbrief vom april 1917:
"ist es nun nicht einigermaßen auffällig, daß das russische arbeitende volk im hundertjährigen joch eines orientalischen despotismus nicht gelernt hat, so geduldig zu hungern und sich unter die säbeldiktatur zu ducken, wie es das deutsche proletariat in der 50jährigen schule der sozialdemokratie gelernt zu haben scheint?"
mit blick auf den charakter der revolution in rußland heißt es:
"es waren die frischen erinnerungen an die jahre 1905-6, an die teilweise schrankenlose politische herrschaft des proletariats in rußland, an seine kühnen vorstöße, an sein extremes revolutionäres programm, was heute der russischen bourgoisie so wunderbar rasch den entschluß eingab, sich an die spitze der bewegung zu stellen (...) es ist dies ein versuch des vor zehn jahren gewitzigten besitzenden bürgertums rußlands, sich der volksbewegung zu bemächtigen, ihre politischen aufgaben in bürgerlichen-liberalen formen auszuführen, um ihre extremen demokratischen sowie sozialen tendenzen auszuschalten. hier zeigt sich jedenfalls, - allen besserwissern, klugen vorsichtsräten und kleingläubigen pessimisten zum trotz - daß das werk der revolution von 1905 nicht verlorengegangen ist (...) daß der kühn-revolutionäre charakter der forderungen, die von der sozialistischen arbeiterschaft vertreten wurden, wohl eine sehr praktische politik darstellte. (...) aber dieser sieg ist nicht das ende, sondern nur ein schwacher anfang. (...) vor allem ergibt sich aber für das sozialistische proletariat in rußland als die dringendste losung, die mit allen anderen unlösbar verknüpft ist: ende dem imperialistischen kriege ! hier verwandelt sich das programm des russichen revolutionären proletariats in den schärfsten gegensatz zur russischen imperialistischen bourgeoisie (...) die aktion für den frieden kann eben in rußland wie anderwärts nur in einer form entfaltet werden: als revolutionärer klassenkampf gegen die eigene bourgeoisie, als kampf um die politische macht im staate. dies sind die unabweisbaren perspektiven der ferneren entwicklung der russischen revolution."
unvermeidlich, so die spartakusgruppe, gebe es passend zu den großen ereignissen in rußland auch ein "niedliches satyrspiel an der spree" nämlich hektische bestrebungen der sozialdemokratie aller richtungen (außer ihrer) den vorgängen in rußland jedewede bedeutung abzusprechen aus
"angst vor allem vor dem schlechten russischen beispiel, das die guten sitten des deutschen proletariats verderben könnte,"
klar sei jedoch, daß die revolution in rußland gerade mit blick auf deutschland von zentraler bedeutung sei:
"aber auch das deutsche proletariat ist durch die vorgänge in rußland vor eine ehrenfrage und vor eine schicksalsfrage gestellt. (...) sobald (...) in rußland das proletariat den ‘burgfrieden‘ durch offene revolution aufgesagt hat, fällt ihm das deutsche proletariat, indem es die kriegsaktion ruhig weiter unterstützt, nunmehr direkt in den rücken (...) verwandelt sich das verharren des deutschen proletariers in der haltung eines gehorsamen kanonenfutters in offenen verrat an den russichen brüdern."
im folgenden fünften spartakusbrief vom mai 1917 wird die februarrevolution in rußland nochmals weit ausführlicher behandelt. ausgangspunkt ist dabei unverändert die von rosa luxemburg formulierte feststellung:
"und hier stehen wir wieder vor unserer alten verratenen losung der revolution und des sozialismus, die wir tausendmal in der agitation wiederholt und mit der wir verabsäumt haben, ernst zu machen, als sie mit dem ausbruch des weltkrieges zum fleisch werden sollte. sie ergab sich dann wieder logisch für jeden denkenden sozialisten aus der langen und hoffnungslosen dauer des völkermordes. sie ergab sich noch einmal schon handgreiflich in negativer form aus dem kläglichen fiasko der diplomatischen verständigungsversuche und des bürgerlichen pazifismus. heute steht sie wieder positiv vor uns. sie ist fleisch geworden in dem werk, den schicksalen und der zukunft der russischen revolution."
der spartakusbrief dokumentiert dann ausführlich verschiedene texte und erklärungen der russischen revolution, die ausführlichkeit, mit der diese erklärungen und texte dokumentiert und kommentiert werden, ist auch spürbar ausdruck der annahme, daß sie anschauungsmaterial für die im falle einer revolution anstehenden schritte darstellen, also mit blick auf die in absehbarer zeit anstehenden eigenen aufgaben unmittelbaren gebrauchswert haben.

dokumentiert wird außerdem der aufruf des petersburger arbeiter- und soldatenrats
"an die völker der ganzen welt"
. darin heißt es unter anderem:
"unser werk ist noch nicht vollendet (...) indem wir uns an alle völker wenden, die in dem entsetzlichen krieg vernichtet und ruiniert werden, erklären wir, daß der augenblick gekommen ist, um gegen die eroberungsgelüste der regierungen aller länder einen entschiedenen kampf zu eröffnen. der augenblick ist gekommen, um die entscheidung über die frage: krieg oder friede? selbst in die hand zu nehmen."
bezugnehmend auf die besonders originelle behauptung der mehrheitssozialdemokratie vom august 1914, sie habe dem krieg vor allem deshalb zugestimmt, weil durch den krieg der zarismus niedergerungen werden könnte, heißt es weiter.
"wir appellieren an unsere brüder, die proletarier der österreichisch-deutschen koalition und vor allem an das deutsche proletariat: seit den ersten kriegstagen hat man euch die überzeugung beizubringen versucht, daß, indem ihr gegen das abolutistische rußland die waffe erhebt, ihr die kultur europas (...)verteidigt. (...) nunmehr gibt es auch diese rechtfertigung nicht. (...) wir werden selbst standhaft unsere freiheit vor allen reaktionären anschlägen beschützen - mögen sie von innen kommen oder von außen (...) und so fordern wir euch auf: werft das joch eurer absolutistischen ordnung ebenso ab, wie das russische volk die selbstherrschaft des zaren von sich abgeschüttelt hat. weigert euch, als mittel der eroberung und der gewalt in den händen von königen, junkern und bankmännern zu dienen, und mit vereinten kräften werden wir dem furchtbaren gemetzel ein ende setzen, das die menschheit mit schmach bedeckt (...)"
mit blick auf die haltung der sozialdemokratie, der mehrheit wie der uspd, sei zu konstatieren, so rosa luxemburg, sie hätten
"keine ahnung davon, daß es sich zugleich um eine erste proletarische übergangsrevolution von welthistorischer tragweite handelt (...) diese schwindsüchtige theorie von den großartigen machtmitteln des staates und dem ersatz der revolution durch den parlamentarischen kampf wird den deutschen arbeitern just in dem moment gepredigt, wo die friedensfrage wie die ganze zukunft des internationalen sozialismus davon abhängt, daß die deutsche arbeiterklasse endlich die fatale verblendung der offiziellen deutschen sozialdemokratie, die ihr jahrzehnte lang beigebracht wurde, los wird: das dogma nämlich, daß in deutschland alles, was anderswo auf revolutionärem wege erreicht wird, ‘auf parlamentarischem boden´ durch das zungen-dreschen der reichstagsabgeordneten zu erlangen sei!"

2. die friedensfrage nach der oktoberrevolution

die polarisierung an der haltung zur revolutionären entwicklung in rußland verstärkt sich nach der oktoberrevolution. für die spartakusgruppe steht nun fest - die proletarische weltrevolution hat begonnen, an diesem maßstab haben sich nun alle kriterien zu messen. was zuvor schon zutiefst schädlich für revolutionäre politik gewesen sein mag, ist nun - offener verrat. Zugleich ergibt sich aus der oktoberrevolution eine überaus schwierige abwägung in der friedensfrage. soll im interesse der stabilisierung der macht der arbeiter- und soldatenräte in rußland ein seperatfrieden mit deutschland geschlossen werden, oder wiegt die mit einem solchen schritt verbundene stärkung des deutschen imperialismus und damit drohende verlängerung und verschärfung des krieges schwerer? die bolschewiki entscheiden sich für den seperatfrieden.

die frage nach der verantwortung der kaum in ansätzen geschaffenen internationale und insbesondere der deutschen revolutionärInnen für die verteidigung der russischen revolution ist im übrigen auch umgekehrt eine ganz unmittelbar praktische. daß die bolschewiki den seperatfrieden aus einer extremen defensive heraus abschließen müssen, zieht nach sich, daß deutsche soldaten unmittelbar an der niederschlagung der arbeiter- und soldatenräte in gebieten beteiligt sind, deren schutz die bolschewiki in den kriegsbeendigungsverhandlungen nicht durchsetzen können. so dokumentiert der siebte spartakusbrief zum beispiel einen aufruf des vollzugsausschusses der XII. russischen armee, den dieser bei der räumung rigas vor den heranrückenden deutschen truppen zurückgelassen hatte, darin heißt es unter anderem:
"deutsche soldaten! der vollzugsausschuß (...) lenkt eure aufmerksamkeit darauf, daß ihr für den absolutismus kämpft gegen die revolution, freiheit und gerechtigkeit. euer sieg bedeutet den tod der demokratie und der freiheit. (...) ihr seid heute stärker als wir, aber der sieg ist lediglich der sieg der rohen physischen kraft. (...) die geschichte wird einst künden, daß das deutsche proletariat gegen seine russischen brüder marschierte und die internationale solidarität preisgab. diese schuld kann nur dadurch gesühnt werden, daß ihr euch zum schutze eurer eigenen interessen wie derer der ganzen welt erhebt, eure ganze kraft gegen den imperialismus zusammenfaßt und im verein mit uns den feind zu boden werft."
der spartakusbrief konstatiert:
"der aufruf hat recht: diese schmach wird einst die geschichte künden."
der achte spartakusbrief vom januar 1918 setzt sich mit der entscheidung der bolschewiki zum seperatfrieden auseinander:
"es ist psychologisch begreiflich, daß die bolschewisten in ihrer situation jetzt das bedürfnis haben, in der entscheidenden frage, der des friedens, ihre politik als vom erfolge gekrönt anzusehen und sie auch so vor dem russischen volke hinzustellen. nüchterne betrachtung der dinge zeigt sie in anderem lichte. (...) mochten trotzki und genossen wiederum sich und den sowjet damit trösten, daß sie als bedingung des waffenstillstandes die verpflichtung erwirken wollten, keine truppenverschiebungen vorzunehmen, um den westmächten nicht in den rücken zu fallen,"
so sei doch in der realität festzustellen:
"noch warm von verbrüderungsszenen mit russischen revolutionären soldaten, (...) gesängen und hochs auf die internationale, stürzen sich bereits die deutschen ‘genossen‘ mit aufgekrempelten ärmeln (...) ins feuer, um ihrerseits französische, englische und italienische proletarier abzuschlachten. (...) und so ergeben sich als nächste wirkungen des russischen waffenstillstands und des ihm auf dem fuße folgenden sonderfriedens im osten nicht die beschleunigung des allgemeinen friedens, sondern erstens die verlängerung des völkermordens und unheuere steigerung seines blutigen charakters (...); zweitens eine enorme stärkung der militärischen position deutschlands (...). wenn sich jedoch so die dinge und wirkungen in ihr gegenteil verkehren. so ist die schuld keineswegs in erster linie auf seiten der russen zu suchen. sie waren von vornherein in der fatalen lage, zwischen zwei trachten prügel wählen zu müssen. (...) die ganze rechnung des russischen friedenskampfes beruhte nämlich auf der stillschweigenden voraussetzung, daß die revolution in rußland das signal zur revolutionären erhebung des proletäriats im westen (...) werden sollte. (...) die klassenpolitik des proletariats (...) kann aber nur international verwirklicht werden. bleibt sie nur auf ein land beschränkt, während die arbeiterschaft anderer länder bürgerliche politik betreibt, dann wird auch die aktion des revolutionären vortrupps in ihren weiteren folgen auf den kopf gestellt. und so ist auch die einzige bisherige internationale wirkung der russischen revolution: eine gewaltige machtstärkung des deutschen imperialismus und eine allgemeine verschärfung des weltkriegs. die schuld an diesem tragischen geschichtlichen quidproquo fällt in erster linie auf das deutsche proletariat. auf ihm ruht die hauptverantwortung vor der geschichte für die ungeheuren blutströme, die nunmehr vergossen werden, (...) denn nur die standhafte kadaverhaltung des deutschen proletariats hat die russischen revolutionäre dazu gedrängt mit dem deutschen imperialismus, als der einzigen herrschenden macht in deutschland, einen frieden zu schließen. und nur dieselbe kadaverhaltung hat es dem deutschen imperialismus ermöglicht, die russische revolution für sich auszunützen. (...) der allgemeine friede läßt sich ohne umsturz der herrschenden macht in deutschland nicht erreichen."
die auseinandersetzung in der gruppe internationale um die entscheidung der bolschewiki, auf den seperatfrieden mit deutschland zu setzen, ist in den ganzen monaten seit der oktoberrevolution stark von solidarischer kritik bestimmt, die die dinge präzise benennt, gleichwohl aber weder daran einen zweifel läßt, daß die bolschewiki nicht aus mutwillen, sondern aus einer ausgesprochen komplexen aussenpolitischen zwangslage heraus handeln, und vor allem - daß die hauptverantwortung für die weitgehende unlösbarkeit dieser zwangslage nicht etwa bei den bolschewiki, sondern bei denen liegt, die die internationale bei kriegsbeginn verraten haben, allen voran: die deutsche sozialdemokratie.
"die russen aber, sie müssen handeln. die arbeiterklasse hat dort die macht. sie ist im innern siegerin. sie ruft mit lauter stimme hinaus nach ihren brüdern in der welt. und statt der brüder antwortet ihr der heisere schakalschrei zünftiger diplomaten. (...) sollen sie selber weiter waten durch das meer von blut, um, nachdem der eigene imperialismus gestürzt, den der fremden länder zu besiegen? zu besiegen, indem man weiter proletarier totschlägt? ein furchtbarer knoten ist in rußland geschürzt: das schwert, das ihn zerhauen soll, liegt nicht in rußland. (...) deutscher proletarier: was nun?"
mit blick auf die sozialdemokratie, die mehrheit, vor allem aber die uspd, bezugnehmend auf kautsky, der die verzagtheit, geistige beschränktheit und den fundamentalen opportunismus der revisionistischen opposition einmal wieder in herausragender form theoretisch aufbereitet hat, heißt es:
"ob rußland für die soziale revolution reif sei? eine höchst geniale frage dies! als ob die soziale revolution eine ‘nationale‘ angelegenheit wäre, die in den grenzen rußlands ihre triebkräfte und ihre erledigung findet. (...) in rußland vereinigt sich die so lange unter dem druck des absolutismus zurückgedämmte revolutionäre energie der modernen kapitalistischen klassengegensätze: einerseits mit der gewaltigen spannung der ungelösten - und im rahmen des bürgerlichen staates unlösbaren - agrarfrage, andererseits mit der reifesten proletarischen ideologie, die der westen produziert hat: mit dem wissenschaftlichen sozialismus. just in dem moment, wo diese ideologie in ihrem wiegenland, in deutschland, sich als toter buchstabe ohne jede belebende wirkung auf das denken und fühlen der massen erweist, lodert sie drüben wie eine feuersäule in einer der mächtigsten taten der weltgeschichte auf und legt so gerade für ihren grundgedanken ein flammendes zeugnis ab: für ihre internationalität. (...) darin liegt das schicksal der russischen revolution (...) sie kann lediglich als prolog der europäischen revolution des proletariats ihr ziel erreichen. (...) diese inneren zusammenhänge äußern sich schon jetzt in allerlei sichtbaren hemmungen der bolschewistischen politik. (...) als viel wichtiger und schwerer kann sich eine andere schiefheit erweisen: ‘das selbstbestimmungsrecht der nationen‘, mit dem die sowjetregierung soviel herumfuchtelt. es gibt in wirklichkeit nur eine form der selbstbestimmung der nationen, die kein hohn auf dieses recht ist: das ist die revolution des proletariats, als der masse des volkes in jeder nation. abgesehen von diesem fall, im rahmen des bürgerlichen staates, ist das ‘selbstbestimmungrecht der nationen‘ eine hohle phrase, die in der praxis stets die volksmasse den herrschenden klassen ausliefert. (...) ja, sie begehen manche fehler und werden deren wahrscheinlich noch viel mehr begehen. (...) tadellos und nach dem schnürchen verlaufen die dinge nur in konventikeln oder auch bei massenparteien, die ein politisches scheindasein führen und scheinkämpfe ausfechten wie die weiland deutsche sozialdemokratie. (...)so tadellos geht es aber gemeiniglich bei wirklichen großen historischen auseinandersetzungen nicht zu. die bolschewisten mögen denn auch sicher noch viele fehler begehen. aber auf sie paßt das wort lessings von dem edlen pferd, das nie mehr funken aus den steinen schlage, als wenn es stolpere (...). wie wird die geschichte über die deutsche arbeiterklasse urteilen?"
rosa luxemburg führt die auseinandersetzung um den entschluß der bolschewiki zum seperatfrieden im vorletzten spartakusbrief vom september 1918 fort und drückt ihre sorge aus, die ausweglosigkeit der umzingelung der russischen revolution durch die imperialistischen mächte bei gleichzeitiger stärkung des deutschen imperialismus gerade durch den seperatfrieden könne zu gravierenden fehlentscheidungen auf der ganzen linie führen ("die russische tragödie"). sie schreibt:
"der brester friede war in wirklichkeit nichts anderes als eine kapitulation des russischen revolutionären proletariats vor dem deutschen imperialismus. freilich, lenin und seine freunde täuschten über die tatsachen weder sich noch andere. sie gaben die kapitulation unumwunden zu. worüber sie sich leider täuschten, war die hoffnung, um den preis dieser kapitulation eine wirkliche atempause zu erkaufen, durch einen seperatfrieden sich aus dem höllenbrand des weltkrieges wirklich retten zu können (...) die allgemeine konsequenz dieses unumschränkten schaltens und waltens deutschlands in rußland war naturgemäß eine ungeheure stärkung der position des deutschen imperialismus nach innen wie nach außen und dadurch selbstverständlich (...) verlängerung und verschärfung des weltkrieges. (...) so wird die russsische revolution im endresultat des brester friedens von allen seiten umzingelt, ausgehungert, erdrosselt. (...) der deutsche imperialismus ist der pfahl, der im fleische der russischen revolution wühlt. (...) die bolschewiki haben sicher verschiedene fehler in ihrer politik begangen und begehen sie vielleicht noch jetzt - man nenne uns eine revolution, in der keine fehler begangen worden sind! (...) wenn die sogenannten führer des deutschen sozialismus in einer außergewöhnlichen situation schon vor einer einfachen reichstagsabstimmung die sogenannten köpfe verlieren und ihnen schon dort, wo das einfache abc des sozialismus den weg klar vorzeichnet, das herz in die hosen rutscht und sie den ganzen sozialismus wie eine schlecht gelernte lektion vergessen - wie will man, daß eine partei in einer wahrhaft dornenvollen und unerhörten historischen situation, in der sie der welt ganz neue bahnen weisen will, keine fehler begeht? die fatale lage jedoch, in der sich die bolschewiki heute befinden, ist mitsamt den meisten ihrer fehler selbst eine folge der grundsätzlichen unlösbarkeit des problems, vor das sie durch das internationale, in erster linie durch das deutsche proletariat gestellt worden sind. (...) es ist eben die falsche logik der objektiven situation: jede sozialistische partei, die heute in rußland zur macht gelangt, muß eine falsche taktik befolgen, solange sie als ein teil der internationalen proletarischen armee vom gros dieser armee im stiche gelassen wird. (...) die nachrichten, die heute aus rußland kommen, und die lage der bolschewiki sind ein erschütternder appell an den letzten funken ehrgefühl in den deutschen arbeiter- und soldatenmassen. (...) es gibt nur eine lösung der tragödie, in die rußland verstrickt ist: den aufstand im rücken des deutschen imperialismus (...) als signal zur internationalen revolutionären erhebung."
es gibt in der kommunistischen geschichtsschreibung zahlreiche ausführungen zu der frage, ob nun und wie grundlegend die "kontroverse" zwischen rosa luxemburg und den bolschewiki in dieser auseinandersetzung gewesen sei. in der regel laufen diese darstellungen darauf hinaus, sie habe, nicht zuletzt bedingt durch ihre situation im knast, durch die sie von genaueren informationen abgeschnitten gewesen sei, schlichtweg eine falsche einschätzung in dieser frage gehabt und diese nach ihrer freilassung revidiert, was darin belegt sei, daß sie in besonderem maße die entscheidung forciert habe, die gründung der kpd von anfang an aufs engste mit der der verpflichtung zur unterstützung und verteidigung der oktoberrevolution zu verknüpfen. daß diese darstellung in der regel als ehrenrettung gemeint ist, erweist sich darin, daß sie zuallererst durch offenbar unzählige mündlich überlieferte äußerungen rosa luxemburgs zu beweisen sein soll, in denen sie diesen meinungswandel mehr oder minder schuldbewußt bekannt haben soll.

daß für rosa luxemburg der kampf um die verteidigung und entwicklung der oktoberrevolution und ihr eigener ganz unmittelbarer eins waren, steht außer zweifel. nach unserer auseinandersetzung mit ihren positionen in dieser frage denken wir, daß sich der zwang, ihr in dieser frage eine "ehrenrettung" angedeihen zu lassen, nicht aus der damals real geführten auseinandersetzung ergibt, sondern nachträglich daraus, daß die dogmatisierung jener politik, die sich aus der notwendigkeit, angesichts des scheiterns bzw. ausbleibens der revolution in westeuropa neue konzepte für die weitere entwicklung der sowjetmacht zu entwickeln, ergab ("sozialismus in einem land"), als unmittelbarer ausdruck der positionen und kriterien, die angeblich immer schon geltung gehabt hätten, die entwertung der positionen, an denen die auseinandersetzungen real geführt worden waren, notwendig machte. so ergibt sich nachträglich eine gegnerschaft rosa luxemburgs zur "ewigen wahrheit", von deren zeitloser gültigkeit zu dem zeitpunkt, als sie die inkriminierten positionen bezog, freilich noch keiner etwas wußte.

daß es sich bei der kritik am seperatfrieden der bolschewiki mit dem deutschen imperialismus nicht um die bornierte besserwisserei deutscher revolutionäre den "rückständigen" russischen revolutionären gegenüber handelt, wird am aufruf des spartakusbundes "an die proletarier aller länder" nach der novemberrevolution deutlich. mit diesem aufruf melden sie sich, nicht ohne zu erklären, daß es ihnen noch nicht gelungen sei, die entwicklung der novemberrevolution zur proletarischen revolution durchzusetzen, gleichsam bei der internationale zurück, sie schreiben:
"das, was von den herrschenden klassen als friede und recht vorbereitet wird, ist nur ein neues werk der brutalen gewalt, aus dem die hydra der unterdrückung, des hasses und neuer blutiger kriege ihre tausend häupter erhebt, (...) bedenkt: eure siegreichen kapitalisten stehen bereit, unsere revolution, die sie wie die eigene fürchten, blutig zu unterdrücken. (...) darum blickt das proletariat deutschlands in dieser stunde auf euch."
der schritt zur "sozialen revolution" sei in deutschland schon weitgehend angebahnt, aber auch für die politik des spartakusbundes gilt:
"den sozialismus kann nur das weltproletariat verwirklichen. (...) wir rufen euch auf, das werk der sozialistischen befreiung zu vollbringen, der geschändeten welt wieder menschenantlitz zu verleihen (...) die internationale wird die menschheit sein! es lebe die weltrevolution des proletariats! proletarier aller länder, vereinigt euch!"
- unterschreiben werden diesen in der "roten fahne" veröffentlichten aufruf im namen des spartakusbundes karl liebknecht, rosa luxemburg, franz mehring und clara zetkin.

VIII. oktober 1918: vor der novemberrevolution

im zehnten spartakusbrief vom august 1918 wird eine verfügung des oberkommandos für den fall "innerer unruhen" dokumentiert. darin wird unter anderem unmißverständlich ausgeführt: "auf das telegramm ‘einschließung‘ marschieren das 3., 4. und 5. korps, das zu diesem zweck herangezogen wird, auf berlin bis zum stadtring. das gardekorps drückt vom stadtinnern nach der ringbahn, woselbst die menschenmengen zusammengetrieben werden." vorzugehen sei unter einsatz von maschinengewehren. im zeichen der im zuge der sich ausweitenden kämpfe eintretenden allgemeinen eskalation der repression häufen sich auch in den spartakusbriefen berichte und praktische anleitungen, wie verschiedenen konfrontationen begegnet werden kann. unter anderem heißt es - in einer form, die das sendungsbewußtsein der in der neuen linken alle paar jahre neu erfundenen positionen in dieser frage geradezu der lächerlichkeit preisgibt: "immer wieder muß den genossen gesagt werden: vor polizei oder gericht hat jeder angeschuldigte das gesetzliche recht und die moralische pflicht, jede aussage zu verweigern, niemand darf sich durch drohungen, versprechungen irgendwelcher art zu mitteilungen auch scheinbar harmloser natur zwingen oder verleiten lassen. die aussage über die eigene person und adresse genügt. wer über sich oder gar über andere irgend etwas sagt, übt verrat an unserer sache!"

spürbar sind die genossinnen und genossen der gruppe internationale und ihres umfelds zunehmend intensiver mit der frage beschäftigt, wie in allen bereichen die bedingungen zu bestimmen und herbeizuführen sind, um einen revolutionären kampf um die macht in angriff nehmen zu können. dazu gehören neben praktischen erwägungen und anleitungen wie im vorangegangenen auch weit grundsätzlichere fragestellungen und reflexionsprozesse. so heißt es im vorletzten spartakusbrief vom september 1918:
"was heutzutage die äußerung der steigenden erbitterung in den volksmassen lähmt, ist sicher weniger der mangel an mut und entschlossenheit als die politische ratlosigkeit, als das zurückschrecken vor der unbestimmten grösse der aufgabe. deutschland ist nicht umsonst das land ohne revolutionäre traditionen, das land des preußischen kasernendrills. auch die deutsche sozialdemokratie hat sich 50 jahre lang nur darin geübt, die arbeitermassen im kasernendrill, genannt organisationsdisziplin, zu verblöden. mit dem resultat, daß heute die deutschen arbeiter eben nur nach dem taktstock einer obrigkeit sich zu bewegen vermögen: sei es nach dem taktstock eines feldwebels oder eines legien von der generalkommission der gewerkschaften. und auch dann, wenn der deutsche arbeiter geistig bereits der autorität des feldwebels und legiens entwachsen ist, fühlt er sich noch zunächst ganz hilflos, wenn er gegen den feldwebel und gegen den legien vorgehen, wenn er als freier proletarier sich selbst führen soll. (...)

diese vom imperialismus selbst zusammengeschweißten kompakten massen der ‘arbeiter und soldaten‘ ermangeln nur der inneren selbsterkenntnis ihrer mission und ihrer eigenen macht, um sich aktionsfähig zu erweisen. ihnen nach dieser richtung den anstoß zu geben, sie mit innerem wagemut, mit dem glauben an die eigene kraft zu erfüllen, das ist jetzt die dringendste aufgabe aller ehrlichen sozialistischen elemente. (...) was gerade jetzt die pflicht der intensivsten agitation ganz besonders dringend erscheinen läßt, ist die internationale lage. (...) die aussichten und wirkungen der deutschen massenerhebung, die nun einmal früher oder später unvermeidlich ist, steigen und fallen zusammen mit der frage, ob es ihr gelingen wird oder nicht, der russischen revolution noch beizuspringen und mit ihr gemeinsam vorzugehen. (...) wo sind eigentlich die führer der unabhängigen? (...) ‘die legalität‘, auf gut deutsch: der parlamentarische kretinismus, hat die alte sozialdemokratie getötet. ihr heutiger sproß, die haase-partei, findet nach vier jahren weltkrieg und weltuntergang nichts besseres zu tun, als das vermächtnis der teuren entschlafenen pietätvoll zu hüten und getreulich in ihren fußstapfen zu wandeln."
der letzte spartakusbrief erscheint im oktober 1918. mit der novemberrevolution hat er keine funktion mehr, der spartakusbund wird konstituiert und die revolutionäre linke schafft sich mit der tageszeitung "die rote fahne" ein, wenn auch unter aus sicherheitsgründen weitgehend von illegalität geprägten herstellungsbedingungen produziertes, so doch der form nach legales organ zur berichterstattung, agitation und mobilisierung. der letzte spartakusbrief berichtet unter anderem vom engeren zusammenschluß der revolutionären linken auf einer reichskonferenz am 7. oktober 1918. auf ihr waren auch die erfahrungen in der uspd beraten worden, das ergebnis war eindeutig: "günstige erfahrungen sind in keinem orte mit der usp gemacht worden, nur in den orten, wo sich die organisationen der usp völlig in den händen von spartakusanhängern befinden, sind die genossen mit dem in gotha vollzogenen zusammenschluß zufrieden."

auf der reichskonferenz war endlich ein "zusammenschluß zwischen der linksradikalen bewegung und der spartakus-organisation zustande gekommen. der eintritt in die usp ist damit indessen nicht verbunden." die linksradikalen hatten sich der uspd in gotha nicht angeschlossen, so daß ein engerer organisatorischer zusammenschluß ausgeschlossen war, solange die gruppe internationale selbst sich mit blick auf ihre strukturen durch ihre zugehörigkeit zur uspd gebunden fühlt. im wesentlichen aber ist die reichskonferenz mit anderen dingen beschäftigt, so mit der frage, wie der beschluß "die bildung von arbeiter- und soldatenräten sofort in allen orten in angriff zu nehmen, soweit solche räte bisher nicht in funktion getreten sind", praktisch umgesetzt werden kann.

im letzten spartakusbrief erscheint auch rosa luxemburgs artikel "die kleinen lafayette", in dem sie sich mit dem eintritt der mehrheitssozialdemokraten in der regierung unmittelbar vor der nahenden revolution auseinandersetzt:
"das neue an dem historischen spiel ist nur dies: bisher gaben sich zu solcher blitzableiter-rolle in letzter stunde nur die verwaschensten, lendenlahmsten liberalen her: (...) diesmal, zum ersten mal in der geschichte, gibt sich eine partei, die sich sozialdemokratisch nennt, dazu her, bei sichtbar nahender katastrophe der bestehenden klassenherrschaft der retter in der not zu spielen (...) schon ruft das politische allerweltsmärchen ‘vorwärts‘ (...), ´das ziel einer deutschen demokratie wird in kurzer zeit auf dem wege der friedlichen umwälzung erreicht sein. dann tritt die gewaltige frage der weltwirtschaftlichen neuordnung an uns heran, und der sozialismus wird seinen vormarsch antreten. jetzt kommt es darauf an, daß von dem, was uns bleibt, nichts überflüssig zerstört und vernichtet wird. wir dürfen uns nicht von gefühlen leiten lassen, sondern nur von der klaren erkenntnis dessen, was unserem schwergeprüften volk not tut. - not tut ihm die vermeidung all dessen, was nur zu altem unglück neues unglück fügt.´

also die sache ist klar (...) gröber rechts, payer links, scheidemann in der mitte, ein nationalliberaler hinten und prinz max an der spitze - so wird der ‘sozialismus seinen vormarsch antreten‘. (...) in deutschland wird die befreiung der arbeiterklasse das werk der nationalliberalen, des zentrums, der freisinnigen und ihrer regierungssozialistischen schleppträger sein! (...) zusammenmenbruch der hindenburg-diktatur und des deutschen imperialismus - das ist ‘altes unglück‘, und eine proletarische revolution in deutschland - das ist ‘neues unglück‘. (...) darin liegt der kernunterschied des heutigen deutschen ministersozialismus von dem französischen und belgischen (...).. es war die erste gewaltige springflut des entfesselten imperialismus, die sie (in belgien und frankreich - ak kassibe) vom klassenstandpunkt hinweggespült und in eine zusammenarbeit mit der bourgeoisie zum behufe der ‘nationalen verteidigung‘ hineingestoßen hat. die deutschen regierungssozialisten traten zur zusammenarbeit mit der bourgeoisie ins ministerium nicht zu beginn, sondern am schluß des kriegs, nachdem sich das ministerialistische experiment in frankreich wie in belgien völlig abgetragen, zerschlissen, korrumpiert hat. (...) nachdem der imperialismus militärisch, politisch und moralisch ausgespielt hat (...) kurz: nachdem der vierjährige krieg durch seine dialektik die internationale revolution des proletariats unvermeidlich gemacht hat! die guesde und vandervelde desertierten vom klassenstandpunkt (...) vor dem anmarsch der deutschen militär-bataillone, die scheidemann und bauer (...) vor dem drohenden anmarsch der revolutionären bataillone. (...) die scheidemann und bauer, die jetzt mit einem kuß auf die hand der deutschen monarchie beginnen, werden noch mit blauen bohnen gegen streikende und demonstrierende deutsche arbeiter enden."
jenseits ihrer brillanten rhetorik, ihres souveränen hohns auf die mehrheitssozialdemokratie und ihrer absoluten klarsicht auf die dimension der politischen entwicklung, der ihre kritik gilt: es wiederholt sich hier die situation vom vorabend des 4. august 1914. "die reichstagsfraktion wird uns morgen verraten. sie wird sich nur der stimme enthalten," hatte sie damals zu hugo eberlein gesagt. dem entspricht im oktober 1918, was sie als warnende zuspitzung begreift, wenn sie den teufel an die wand malt: wenn sie so weitermachen, werden "die scheidemann und bauer (...) noch mit blauen bohnen gegen streikende und demonstrierende arbeiter enden." wenige wochen später ist die mehrheitssozialdemokratie nicht als ersatzkasperle für lendenlahmste liberale hinweggefegt, sondern das politische vollzugsorgan der konterrevolution, auf ihren befehl hin liegt rosa luxemburg kein vierteljahr später ermordet im landwehrkanal.

1. der politische druck wächst - die politischen gefangenen kommen frei

rosa luxemburg hatte im ersten spartakusbrief vom september 1916 zur situation karl liebknechts (und überhaupt der politischen gefangenen) geschrieben:
"und nur derselbe entschlossene massenkampf um den frieden kann liebknecht aus seiner zelle befreien. als das englische volk im siebzehnten jahrhundert zum kampf um politische freiheit sich erhob, war sein erster schritt, die märtyrer der freiheit zu befreien (...). in paris, als die sturmglocke der grossen revolution läutete (...), war die erste geste der volksmassen - der sturm auf die bastille. (...) und auch in rußland, als die volksmasse im jahre 1905 ihren ersten triumph (...) feierte, eilte sie sofort vor die tore der gefängnisse (...). auch liebknecht kann aus seinem zuchthaus nur durch die masse des deutschen proletariats befreit werden, wenn sie ihre pflicht, ihre ehre und damit ihre wahre macht wiedergefunden hat."
am 8. september 1917 schreibt karl liebknecht an seine frau:
"du tadelst: ich wiederhole oft dasselbe. es ist nicht greisenschwäche! es ist hämmern, bis der nagel fest sitzt. axtschlagen - bis der baum fällt. pochen - bis schlafende aufwachen. peitschen - bis träge u. feige aufstehn u. handeln (...). ich möchte helfen unter opferung von tausend eignen leben - mithelfen zu dem einzigen, was der russischen revolution und der welt helfen kann. verdammte ohnmacht. ich stoße an die wände."
nach dem eintritt der mehrheitssozialdemokraten in die regierung setzten diese sich zur beruhigung der lage für eine amnestie für die politischen gefangenen ein. reichskanzler prinz max von baden berichtete darüber in seinen erinnerungen:
"die mehrzahl der kabinettsmitglieder war im falle liebknecht nur für die umwandlung der zuchthausstrafe in gefängnis oder festung. scheidemann aber erklärte sich gegen jede weitere inhaftierung: der märtyrer sei gefährlicher, gegen den freien liebknecht könne man reden. als ich ihn fragte: ist die freilassung liebknechts mit der sicherheit des vaterlandes vereinbar? antwortete er mit einem bestimmten ja: wenn gefahr bestünde, könne man ihn ja aufs neue einsperren."
am 12. oktober 1917 erläßt die regierung eine umfassende amnestie für die politischen gefangenen: ausgenommen ist karl liebknecht, auch rosa luxemburg kommt nicht frei. eine gute woche später erklärt scheidemann dem reichskanzler (dessen erinnerungen zufolge):
"ohne die begnadigung liebknechts sei er dem ansturm nicht gewachsen. (...) der staatssekretär bestand auf seiner meinung, daß liebknecht im gefängnis gefährlicher sei als draußen. ich traute damals seinem gefühl für die stimmung der arbeiter und hielt es für lebenswichtig, daß die mehrheitssozialdemokraten ihre macht in den gewerkschaften behaupteten. daher setzte ich am 21. oktober die begnadigung liebknechts gegen den widerstand des vorsitzenden des reichsmilitärgerichts und des kriegsministers durch."
am 23. oktober kam karl liebknecht in berlin an. otto franke schrieb später:
"zum 22. oktober 1918 hatte die berliner gewerkschaftskommission (...) eine versammlung sämtlicher gewerkschaftsfunktionäre einberufen. (...) auf der tagesordnung stand wieder einmal ein vortrag über die durchhaltepolitik (...). statt dessen rede anzuhören, verlangte genosse paul eckert das wort zur geschäftsordnung. versammlungsleiter körsten versuchte mit aller kraft, genossen eckert am reden zu hindern, aber mit hilfe der anwesenden revolutionären gewerkschaftsobleute setzte sich paul eckert durch. er erklärte: ‘ich habe den gewerkschaftsfunktionären die mitteilung zu machen, daß am 23. oktober um 5 uhr nachmittags auf dem anhalter bahnhof unser genosse karl liebknecht aus dem zuchthaus luckau eintrifft'. diese kurze mitteilung versetzte die rechten funktionäre in starke aufregung.

die revolutionären obleute wurden mit schimpfworten bedacht, fäuste gegen sie erhoben. wir sangen die ‘internationale‘ und verließen das gewerkschaftshaus. kaum waren wir auf der straße, kam schon die polizei. als die ‘blauen‘ in den saal 4 stürmten, fanden sie nur noch die rechten gewerkschaftsfunktionäre vor. am 23. oktober 1918 zwischen 4,30 und 5 uhr nachmittags setzten sich die proletarier berlins aus den kriegsbetrieben in bewegung. wie eine mauer standen die arbeiter vor dem anhalter bahnhof."
fritz globig, der karl liebknecht von der oppositionellen jugendkonferenz in jena ostern 1916 kannte, schrieb über karl liebknechts ankunft in berlin:
"dann fuhr der stark besetzte zug ein, und da stieg auch karl liebknecht mit sophie liebknecht und seinem jüngeren sohn bob (robert) aus dem wagen. genossin liebknecht hatte (...) von der entlassung karls gehört, und sie war (...) nach luckau gefahren, um liebknecht dort abzuholen. der zuchthausdirektor wußte von nichts, ihm war kein freilassungsbeschluß mitgeteilt worden. es bedurfte erst mehrerer energischer telefonischer gespräche mit der regierung max von baden-payer-scheidemann, ehe liebknecht freigelassen wurde. jetzt stand karl wieder in unserer mitte. freunde schüttelten ihm die hände. er wurde umarmt und beglückwünscht. alles war still und ergriffen. (...) im selben augenblick duchbrach die menge die polizeiliche sperre, einige nahmen karl auf die schultern. liebknecht sollte sprechen, und er richtete, obgleich stark erregt, einige sätze an die menge. (...) liebknecht und sophie stiegen auf den wagen, dicht umdrängt von demonstranten. einige riefen: ‘liebknecht soll stehen, die andern sitzen.‘ man wollte ihn sehen. ‘nein, wir werden um karl stehen und ihn schützen. Losfahren! "
karl liebknechts ankunft in berlin läßt - unmittelbar vor der novemberrevolution - etwas von der revolutionären mischung aus ausstrahlungskraft, kampfgeist und gespür für die eigene würde aufscheinen, die die spartakusgruppe dann zu mobilisieren vermochte, wenn die momente unmißverständlicher gegnerschaft gegen die partei und unverwechselbarer eigenständigkeit gegen den opportunismus einen sichtbaren ausdruck fanden, am folgenden abend gab die russische botschaft ein bankett zu ehren karl liebknechts, ein wunderbarer affront.

rosa luxemburg schrieb am 10. Oktober 1918 an mathilde jacob: "die spannung, die jetzt in der luft liegt, die erwartung, bald herauskommen zu können, läßt mir kaum noch die geduld, briefe zu schreiben." am 4. november schreibt sie: "meine liebste mathilde, erst dachte ich, ich würde jeden augenblick herauskommen, und hatte deshalb gar keine geduld mehr, briefe zu schreiben. (...) jetzt sehe ich, daß die sache sich sehr in die länge zieht". am 9. november endlich rief rosa luxemburg bei mathilde jacob an: "ihr war am 8. november 10 uhr abends von der gefängnisdirektion mitgeteilt worden, daß sie frei sei. da sie (...) so spät am abend nicht wußte, wohin sie gehen sollte, blieb sie während der nacht (...) noch im gefängnis. (...) auch an diesem tage gingen keine züge von breslau nach berlin. (...) am abend zog sie mit parteifreunden durch die straßen breslaus, in denen die revolution ausgerufen wurde." am 10. november fand rosa luxemburg einen zug, der nach frankfurt/oder fuhr. mathilde jacob machte sich währenddessen auf die suche nach einem wagen, mit dem sie rosa luxemburg aus frankfurt abholen könnte. sie beschreibt eine ganz andere realität als die, die bei karl liebknechts ankunft in berlin spürbar geworden war:
"während des herumfahrens konnte ich das berliner publikum und das der vororte, durch die wir kamen, beobachten. in den arbeitervierteln wehten vereinzelte rote fahnen, die menschen aber, die wir trafen, waren stumpf und ohne begeisterung, kaum daß hin und wieder passanten unserem mit roten fahnen geschmückten wagen zunickten (...). kein einziger von den soldaten unserer etwa 15 köpfigen begleitmannschaft wußte, wem er entgegenfahren sollte. als wir durch die gemeinsame fahrt miteinander bekannt geworden waren, fragte man mich, ein wenig verlegen, wer eigentlich rosa luxemburg sei."
ein geeigneter wagen konnte nicht aufgetrieben werden, rosa luxemburg indes hatte wider erwarten doch noch einen völlig überfüllten zug von frankfurt nach berlin gefunden. "auf einem koffer im gang sitzend", völlig erschöpft kam sie am schlesischen bahnhof an, fuhr in mathilde jacobs wohnung und wartete dort auf sie, um dann sofort mit ihr in die redaktion der "roten fahne" zu fahren. die spartakusgruppe hatte am 9. november kurzerhand die redaktion des "berliner lokal-anzeiger" besetzt (einer extrem reaktionären und kaisertreuen zeitung, die später zum hugenberg-imperium gehörte), um dort ihre zeitung zu produzieren. etwas verschreckt ließ man sie einen tag gewähren, wandte sich dann aber an die regierung, und ebert befand, die redaktionsräume seien dem verleger zurückzugeben. der bestach darauf kurzerhand eben jene soldaten, die tags zuvor die besetzungsaktion der sparktakusgruppe abgesichert hatten, so daß diese nun ihrerseits die redaktion mitsamt der eben eingetroffenen rosa luxemburg in den redaktionsräumen gewaltsam festhielten. vor allem rosa luxemburgs verhandlungsgeschick soll es nach aussagen mathilde jacobs zu verdanken sein, daß, nach dem klar geworden war, daß die redaktionsräume nicht zu halten sein würden, sie zumindest ihre freilassung durchsetzen konnten. zusammen verließen sie die redaktionsräume und gingen ins hotel "excelsior" gegenüber vom anhalter bahnhof. dort richteten sie eine zentrale ein und gründeten am folgenden tag, am 11. november also, den spartakusbund. noch immer keine eigene partei und noch immer unter dem dach der uspd. die zweite ausgabe der "roten fahne" war allen auseinandersetzungen zum trotz noch erschienen, vom projekt einer anderen enteignung mußte aus verschiedenen gründen abstand genommen werden, so daß der spartakusbund schließlich "das kleine journal" in der koniggrätzer straße kaufte und erst am 18. november die dritte ausgabe der "roten fahne" herausbringen konnte. rosa luxemburg war von nun an ihre chefredakteurin. eine ganze woche lang hatte die zeitung nicht erscheinen können, eine woche, die rosa luxemburg dem wahnsinn nahegebracht haben dürfte.

2. die novemberrevolution beginnt

die novemberrevolution hatte am 3. november mit dem bewaffneten aufstand der matrosen und arbeiterInnen in kiel begonnen und sich rasant über das ganze land ausgebreitet. an vielen orten entstehen arbeiter- und soldatenräte, die in sehr unterschiedlich durchgreifendendem maße die verfügungsgewalt über die exekutive und die betriebe an sich reißen. die uspd freilich hat den umsturz in berlin auf den 11. november festgelegt und beharrt darauf. "es sei technisch unmöglich, die revolution früher zu machen". um der mehrheitssozialdemokratie nicht noch mehr raum zur konterrevolutionären propaganda zu überlassen, werden am morgen des 9. november zwei flugblätter der revolutionären obleute der berliner großbetriebe und der spartakusgruppe mit dem aufruf zum generalstreik und bewaffneten aufstand in berlin verteilt. bis 8 uhr haben sich an verschiedenen punkten der stadt bereits riesige demonstrationszüge formiert, die damit beginnen, verschiedene kasernen und wichtige öffentliche einrichtungen zu besetzen. ein demonstrationszug bildet sich in der schöneberger hauptstraße und bewegt sich auf die innenstadt zu. ihm schließen sich auch karl liebknecht und eine reihe genossInnen der spartakusgruppe an. otto franke beschreibt den vorgang: "karl liebknecht hielt den zug an. ich half ihm, frauen und kinder aus den ersten reihen zu entfernen, an ihrer stelle wurden soldaten mit gewehren eingereiht. (...) unser demonstrationszug(...) bewegte sich unter den linden entlang auf das kaiserliche schloß zu." die reichsregierung erkennt umgehend den ernst der lage und ist sich darüber im klaren, daß es nur noch eine möglichkeit gibt, eine sozialistische revolution abzuwenden, der reichskanzler max von baden schreibt in seinen erinnerungen:
"ich sagte mir: die revolution ist im begriff, siegreich zu sein; wir können sie nicht niederschlagen, vielleicht aber ersticken. jetzt heraus mit der abdankung (des kaisers - ak kassiber), mit der berufung ebert, mit dem appell an das volk, durch die verfassungsgebende nationalversammlung seine eigene staatsform zu bestimmen. wird ebert mir als volkstribun von der straße präsentiert, dann kommt die republik, ist es liebknecht, auch der bolschewismus. aber wenn der abdankende kaiser ebert zum reichskanzler ernennt, dann besteht noch eine schmale hoffnung für die monarchie. vielleicht gelingt es, die revolutionären energien in die legalen bahnen des wahlkampfes zu lenken."
der reichskanzler läßt eine entsprechende presseerklärung verbreiten und beordert ebert zu sich. der läßt sich von max von baden die fortführung seiner amtsgeschäfte übertragen und erläßt als erstes einen aufruf an die bevölkerung:
"mitbürger! ich bitte euch dringend. verlaßt die straßen, sorgt für ruhe und ordnung .(...)"
die gesamte innenstadt ist mittlerweile von demonstrantlnnen überrannt. um eine erstürmung des reichstags zu verhindern, läßt sich scheidemann widerwillig dazu bewegen, vom balkon des reichstags zu verkünden:
"nichts darf geschehen, was der arbeiterbewegung zur unehre gereicht. seid einig, treu und pflichtbewußt. das alte und morsche, die monarchie, ist zusammengebrochen. es lebe das neue. es lebe die deutsche republik!"
nicht der kapitalismus, nicht der imperialismus sind für die mehrheitssozialdemokratie mehr das "alte und morsche", das hinwegzufegen aufgabe der revolution wäre, sondern - die monarchie. freilich, ebert geht selbst diese festlegung zu weit. wüst beschimpft er scheidemann für seinen auftritt: er habe kein recht, die republik auszurufen. was aus deutschland werde, ob republik oder was sonst, das entscheide eine konstituante. noch zeigen sich die verschiedenen demonstrationen in der stadt weitgehend unbeirrt. in tegel öffnen sie den knast, in der lehrter straße den militärknast. auf dem alexanderplatz wird das polizeipräsidium gestürmt, die wachmannschaften flüchten panikartig und lassen ihre waffen zurück. ein neuer polizeipräsident wird von den erstürmern des präsidiums eingesetzt: emil eichhorn, der dem linken flügel der uspd zugerechnet wird. während ebert im reichstag mit der uspd verhandelt, um sie an der regierung zu beteiligen und so auf seinen kurs einzuschwören, und mit otto wels, eugen ernst und otto braun prophylaktisch einen eigenen mehrheitssozialdemokratischen arbeiter- und soldatenrat konstituieren läßt, stürmen die demonstrantInnen schließlich gegen 17 uhr das schloß, die wachhabenden soldaten ergeben sich widerstandslos. karl liebknecht tritt auf den balkon des schlosses und spricht zu der demonstration:
"der tag der revolution ist gekommen. wir haben den frieden erzwungen. (...) in dieser stunde proklamieren wir die freie sozialistische republik deutschland. wir grüßen unsere russischen brüder (...) wenn auch das alte niedergerissen ist, dürfen wir doch nicht glauben. daß unsere aufgabe getan sei. wir müssen alle kräfte anspannen, um die regierung der arbeiter und soldaten aufzubauen und eine neue staatliche ordnung des proletariats zu schaffen, eine ordnung des friedens, des glücks und der freiheit unserer deutschen brüder und unserer brüder in der ganzen welt. wir reichen ihnen die hände und rufen sie zur vollendung der weltrevolution auf."
anschließend eilt karl liebknecht zum reichstag, um mit dem vollzugsausschuß der revolutionären obleute und der uspd zu beraten. die uspd hat sich mittlerweile zur beteiligung an der regierung bereit erklärt. obgleich keine ihrer forderungen von der mehrheitssozialdemokratie erfüllt wurde - mit einer ausnahme: eine berufung karl liebknechts in die regierung wird nicht grundsätzlich ausgeschlossen. karl liebknecht weiß, so bilden spd und uspd unter der bezeichnung "rat der volksbeauftragten" eine provisorische regierung. am abend versammeln sich die revolutionären obleute im reichstag, konstituieren sich als provisorischer arbeiter- und soldatenrat und rufen dazu auf, in allen kasernen und betrieben delegierte für eine konstituierende versammlung der gewählten arbeiter- und soldatenräte am folgenden tag im zirkus busch zu wählen. die mehrheitssozialdemokratie weiß, daß ihre zukunft davon abhängt, mit allen mitteln dafür zu sorgen, daß die in den zirkus busch entsandten delegierten mehrheitlich ihrer richtung anhängen. daß ihnen dieses gelang ist auch ein ergebnis ihrer überlegenheit mit blick auf die technischen möglichkeiten einer flächendeckenden agitation. den vorgang darauf reduzieren zu wollen und ihn ausschließlich als einen der arglistigen manipulation beschreiben zu wollen, griffe aber zu kurz. daß viele "stumpf und ohne begeisterung" waren (wie mathilde jacob es beobachtet haue), war ja auch ein natürliches ergebnis eines vierjährigen, mit zunehmendem hunger und bitterem elend verbundenen krieges; vor allem aber dürfte darin das im spartakusbrief vom september 1918 formulierte problem, daß "der deutsche arbeiter" sich auch dann, wenn er "geistig bereits der autorität des feldwebels und legiens entwachsen ist, (...) noch zunächst ganz hilflos" fühlt, "wenn er gegen den feldwebel und gegen den legien vorgehen, wenn er als freier proletarier sich selbst führen soll", seinen ausdruck gefunden haben.

auf der versammlung im zirkus busch am 10. november kommt es dann folgerichtig zum offenen bruch. nach der begrüßung erhält zunächst ebert das wort, der für seine politik wirbt, nach ihm spricht haase von der uspd. die reaktionen, die beide mit ihren reden ernten, lassen bereits deutlich erkennen, daß die mehrheit der delegierten eher zur position der mehrheitssozialdemokratie tendiert. nach ihnen spricht karl liebknecht:
"ich muß wasser in den wein eurer begeisterung schütten. die gegenrevolution ist bereits auf dem marsche, sie ist bereits in aktion! sie ist bereits hier unter uns ! (...) es drohen gefahren für die revolution von vielen seiten. gefahren nicht nur aus den kreisen, die bis dahin das heft in der hand gehabt haben (...) sondern auch von jenen, die heute mit der revolution gehen und vorgestern noch feinde der revolution waren. (...) seid vorsichtig in der wahl der männer, die ihr in die regierung setzt, in der wahl eurer führer (...) ich weiß, wie unangenehm ihnen diese störung ist, aber wenn sie mich erschießen - ich werde das aussprechen, was ich für notwendig halte, der triumph der revolution wird nur möglich sein, wenn sie zur sozialen revolution wird."
die versammlungsleitung legt schließlich eine kandidatenliste zur wahl des vollzugsrats der arbeiter- und soldatenräte vor, die sich ausschließlich aus leuten von der uspd und der spartakusgruppe zusammensetzt. wilhelm pieck beschreibt, was dann geschieht: "es ... drangen (...) soldaten mit erhobenen gewehren und säbeln gegen das präsidium vor und forderten eine paritätische zusammensetzung des vollzugsrates aus regierungssozialisten und unabhängigen." es kommt zu einem wilden tumult und handgemenge, an dessen ende karl liebknecht und die anderen anhänger der spartakusgruppe den zirkus busch verlassen. im ergebnis wird ein paritätisch aus spd und uspd besetzter vollzugsrat gewählt, der eindeutig von unterstützern des kurses der regierungssozialisten dominiert wird. aus der provisorischen regierung wird der offizielle "rat der volksbeauftragten", eberts erste anschließende amtshandlung besteht in der verständigung mit dem oberkommando der reichswehr über ein bündnis zur sicherung der nunmehr etablierten ordnung.

dies ist der stand der dinge, als sich die spartakusgruppe am 11. november als spartakusbund, als untergliederung der uspd konstituiert!

3. kampf um die macht der arbeiter- und soldatenräte

umgehend erfassen die genossInnen des spartakusbundes die entstandene lage. karl liebknecht schreibt am 21. november in der "roten fahne" über den charakter der revolution:
"ihre politische form ist die einer proletarischen aktion, ihr sozialer inhalt der einer bürgerlichen reform (...): aufgabe des sozialistischen proletariats ist, den rückständigen inhalt auf die höhere stufe der fortgeschritteneren form zu erheben: die revolution zur sozialen revolution zu steigern."
dem widerspruch zwischen der proletarisch-revolutionären form und den bürgerlich-demokratischen inhalten entspricht auch der schwebezustand der doppelung der machtstrukturen: einerseits die regierung unter ebert, andererseits der vollzugsrat. während die position der arbeiter- und soldatenräte schon dadurch massiv geschwächt ist, daß der vollzugsrat als ihr vorläufig höchstes vertretungsorgan von den gleichen politischen kräften gestellt wird, die auch in der regierung sind, hat sich die regierung über ihre verpflichtung, alle grundlegenden politischen entscheidungen der nationalversammlung zu übertragen, die unterstützung relevanter teile der bourgeoisie gesichert - und vor allem schlagkräftiger teile der reichswehr, die von den soldaten, die den umsturz mitgetragen und -ermöglicht haben, insbesondere auch unterscheidet, daß sie weder mit hunger noch mit sonstigen formen der verelendung konfrontiert sind, die der krieg hinterlassen hat. für die genossInnen vom spartakusbund ist klar: wenn die revolution eine chance haben soll, dann muß die erste priorität darauf liegen, die position der arbeiter- und soldatenräte zu sichern, auszubauen und sämtliche behörden und ämter, die bestandteil der alten herrschaftsapparate waren, gleich ob oder von welcher sorte "sozialdemokraten" auch immer besetzt oder geleitet, zu entmachten.

auch hier kommen die beiden grundprämissen der vorstellung der im spartakusbund organisierten genossInnen vom revolutionären prozeß zum tragen: zum einen, daß taktisch das einzige, was nach vorne bringt, ist: materiell fakten schaffen, wo es nur geht, und zwar vor allem auf ökonomischem gebiet, aber auch in der frage der entwaffnung der (im weitesten sinne) repressionsorgane und der bewaffnung der arbeiterinnen. zum anderen, daß der raum, in dem die massen all das an reife, an selbst- und zielbewußtsein, an kampfgeist und geschichtsmächtigkeit, was noch zum sieg der revolution fehlt, lernen und sich aneignen können, die revolution selbst ist, also der zähe kampf der arbeiter- und soldatenräte um die durchsetzung der macht, die die durchführung ihrer aufgaben und die Sicherung des schon erreichten erfordern.

so hält rosa luxemburg, als die "rote fahne" am 18.11.1918 endlich wieder erscheinen kann, als "fazit der ersten woche der revolution" fest:
"im staate der hohenzollern hat sich im wesentlichen nichts verändert, die arbeiter- und soldatenregierung fungiert als stellvertreterin der imperialistischen regierung, die bankrott geworden ist. (...) das bild der deutschen revolution entspricht der inneren reife der deutschen verhältnisse."
aber:
"aus dem ziel der revolution ergibt sich klar ihr weg, aus der aufgabe ergibt sich die methode (...). revolutionen stehen nicht still, (...) das erste stadium treibt schon durch seine inneren widersprüche vorwärts, die lage ist als anfang begreiflich, als zustand auf die dauer unhaltbar,"
- die konterrevolutionäre weichenstellung, die schon mit der zusammensetzung des vollzugsrats vorgegeben war, gehört für sie zu diesen vorwärtstreibenden widersprüchen. auf der tagesordnung stünden daher:
"ausbau und wiederwahl der lokalen arbeiter- und soldatenräte. damit die erste chaotische und impulsive geste ihrer entstehung durch bewußten prozeß der selbstverständigung über ziele, aufgaben und wege der revolution ersetzt wird."
im übrigen fordert sie die durchsetzung all jener maßnahmen, die das rätesystern insgesamt stärken würden:
"ständige tagung dieser vertretungen der masse und übertragung der eigentlichen politischen macht aus dem kleinen komitee des vollzugsrates in die breitere basis des a. u. s. -rates; schleunigst einberufung des reichsparlaments der arbeiter und soldaten."
dieser vorgang ist für sie eins mit seinem schutz und der ausschaltung der materiellen machtbasis der konterrevolution:
"bildung einer proletarischen roten garde zum ständigen schutze der revolution (...) sofortige konfiskation der dynastischen vermögen und besitzungen sowie des großgrundbesitzes als vorläufige, erste maßnahme zur sicherung der verpflegung des volkes, da hunger der gefährlichste bundesgenosse der gegenrevolution ist: sofortige einberufung des arbeiterweltkongresses (...)‚ denn in der weltevolution des proletariats allein ist die zukunft der deutschen revolution verankert."
für rosa luxemburg sind das
"nur die ersten notwendigen schritte."
aus diesem ansatz ergibt sich als wichtigste aufgabe auf zentraler ebene, alles zu tun, um die arbeiter- und soldatenräte durch diskussionen, auseinandersetzungen und agitation so zu beeinflussen, daß sie sich gegen die nationalversammlung stellen. daß dabei auf diejenigen, die der mehrheitssozialdemokratie anhängen, nicht zu rechnen ist, ist ihnen klar, aber noch immer setzen sie darauf, relevante teile derer, die - wie sie selbst - noch in der uspd organisiert sind, durch unerbittliche kritik und denunzierung der parteiführung für ihre richtung gewinnen zu können. immer wieder beschwören die genossInnen vom spartakusbund die leserInnen der "roten fahne", die teilnehmerInnen an den demonstrationen und betriebsversammlungen, auf denen sie reden, alle, derer sie habhaft werden können, sich der einsicht zu stellen, daß schon die idee, die nationalversammlung könne etwas ausrichten, nicht nur lachhaft, sondern vor allem zutiefst konterrevolutionär ist. rosa luxemburg schreibt in der "roten fahne" vom 20. november 1918:
"mit wächtern der kapitalistischen kassenschränke diskutieren wir weder in der nationalversammlung noch über die nationalversammlung. aber auch unabhängige führer stellen sich in dieser entschiedenen frage mit den wächtern des kapitals in reih und glied. (...) sie stellen sich den verlauf der (...) revolution (...) in der form vor, daß verschiedene gesellschaftsklassen zusammenkommen, eine schöne ruhige und ‘würdige‘ diskussion miteinander pflegen, sodann eine abstimmung (...) wenn da die kapitalistenklasse sieht, daß sie in der minderheit ist, erklärt sie (...) mit einem seufzer: nichts zu machen! wir sehen, daß wir überstimmt worden sind. wohlan, wir fügen uns und übergeben unsere gesamten ländereien, fabriken, bergwerke, alle unsere feuersicheren kasernen und schönen profite den arbeitern. (...) diese herren junker und kapitalisten sind nur so lange ruhig, wie die revolutionäre regierung sich damit begnügt, kleine schönheitspflästerchen auf das kapitalistische lohnverhältnis zu kleben. (...) das heutige idyll, wo wölfe und schafe, tiger und lämmer wie in der arche noahs friedlich nebeneinander grasen, dauert auf die minute so lange, bis es mit dem sozialismus ernst zu werden beginnt. (...) was gewinnt man also durch diesen feigen umweg der nationalversammlung? man stärkt die position der bourgeoisie. man schwächt und verwirrt durch leere illusionen das proletariat, man verzettelt und verliert zeit und kraft. (...) man arbeitet mit einem wort all denjenigen elementen in die hand, deren zweck und absicht es ist, die proletarische revolution um ihre sozialistischen ziele zu betrügen, sie zu einer bürgerlich-demokratischen revolution zu entmannen. (...) keine ausflüchte, keine zweideutigkeiten - die würfel müssen fallen. der parlamentarische kretinismus war gestern eine schwäche, ist heute eine zweideutigkeit, wird morgen ein verrrat am sozialismus sein."
ende november ist die situation zutiefst widersprüchlich. einerseits entwickeln sich zunehmende kämpfe in den betrieben, eine breiter werdende streikbewegung zeichnet sich ab, in der die genossInnen vom spartakusbund die wesentliche perspektive einer revolutionären entwicklung sehen.
"die beginnende streikbewegung ist ein beweis, daß die politische revolution in das soziale fundament der gesellschaft eingeschlagen hat,"
schreibt rosa luxemburg am 27.11.1918 in der "roten fahne".
"daher die fieberhaften bemühungen der abhängigen gewerkschaftsführer, den heraufziehenden orkan in die netze ihrer alten bürokratisch-instanzlichen mittelchen zu fangen (...) diese beginnende streikbewegung ist zugleich die lapidarste kritik der massen auf die chimäre ihrer sogenannten ‘führer‘ über die ‘nationalversammlung‘. sie haben ja schon die ‘majorität, die streikenden proletarier in den fabriken und gruben! die tölpel, warum laden sie nicht ihren unternehmer zu einer kleinen ‘debatte‘ ein, um ihn dann durch erdrückende mehrheit‘ zu überstimmen und all ihre forderungen glatt und ordnungsgemäß durchzusetzen?"
wobei die noch immer populäre forderung nach ‚einheit‘ der sozialistischen strömungen und der arbeiterbewegung zugleich gerade in dieser streikbewegung ihre breiteste basis findet, andererseits betreibt nicht nur die regierung, sondern ergibt sich auch der vollzugsrat seiner zunehmenden entmachtung.

der vollzugsrat, der am 10. november im zirkus busch auf der versammlung der berliner arbeiter- und soldatenräte gewählt worden war, war bis zur durchführung einer landesweiten räteversammlung, die einen zentralrat zur vertretung aller arbeiter- und soldatenräte wählen sollte, mit der wahrnehmung auch dieser aufgabe betraut. hatte der spartakusbund angesichts der ausschließlich mehrheitssozial-demokratisch-opportunistischen zusammensetzung dieses vollzugsrates anfangs energisch die einberufung einer versammlung aller arbeiter- und soldatenräte gefordert, in der annahme, ein dort gewählter zentralrat werde günstiger zusammengesetzt sein, ergibt sich anfang dezember 1918 eine veränderte situation: die regierung setzt auf die entmachtung des vollzugsrates und unternimmt geballte anstrengungen, um einen mehrheitssozialdemokratisch dominierten kongress der arbeiter-und soldatenräte zu organisieren, der ihr einen zentralrat bescheren soll, der umgänglicher noch als der vollzugsrat ist. an der regierung, die dies betreibt, ist die uspd ebenso beteiligt wie an dem vollzugsrat, der sich dies weitgehend bieten läßt, doch die regierung geht noch einen schritt weiter

4. die auseinandersetzungen eskalieren

am 6. dezember kommt es zu einem angeblichen "putsch"-versuch, einer nachhaltigen machtdemonstration: teile jener truppen, die ebert und scheidemann unterstützen, marschieren an verschiedenen stellen in der stadt auf, sie umstellen das preußische abgeordnetenhaus, in dem der vollzugsrat tagt, und verhaften ihn - auf befehl eberts, wie sie sagen. sie marschieren zum sitz des reichskanzlers und erklären ebert zum präsidenten. ebert tritt auf den balkon des reichskanzlerpalais und läßt sich durch die "putschisten" stürmisch feiern, wieder andere umstellen die "rote fahne", um, wiederum, wie sie sagen, auf eberts befehl, karl liebknecht, rosa luxemburg und möglichst viele weitere genossInnen der spartakuszentrale zu verhaften. schließlich überfallen die "putschisten" unbewaffnete soldaten, als diese eine versammlung in der chausseestraße verlassen, mit maschinengewehren. 14 soldaten werden ermordet, zahlreiche verletzt.

insbesondere dieser mordüberfall führt offenbar dazu, daß ebert und scheidemann nunmehr doch davor zurückschrecken, angesichts des kräfteverhältnisses zum momentanen zeitpunkt auf eine gewaltsame beseitigung des rätesystems zu setzen. die "putschenden" truppenteile ziehen sich unvermittelt zurück und verstreuen sich, freilich ohne daß der geringste versuch unternommen würde, sie für ihr vorgehen zur rechenschaft zu ziehen. der spartakusbund ruft umgehend zu einer demonstration für den folgenden tag auf. am 7.12. und auch am darauffolgenden tag kommt es zu großdemonstrationen. am 8.12. zieht die demonstration von treptow in die innenstadt zur kommandantur, dem sitz des zum stadtkommandanten ernannten rechtssozialdemokraten otto wels. dort wird die kommandantur - gegen den rat von karl liebknecht und wilhelm pieck, die an der spitze der demonstration laufen, - gestürmt, die demonstrantInnen wollen wels persönlich zur rechenschaft ziehen. wels jedoch war es gelungen, rechtzeitig zu flüchten.

rosa luxemburg faßt die entwicklung am 11.12.1918 in der "roten fahne" zusammen:
"mitten im wirrwarr sich überstürzender gegenrevolutionärer anschläge, hetzereien und konspirationen vollzieht sich eine tatsache von allerhöchster wichtigkeit für die geschicke der revolution: die ausschaltung des vollzugsrats der a- u. s. -räte und dessen verurteilung zu völliger macht- und bedeutungslosigkeit. den ergebnissen der versammlung im zirkus busch zufolge sollte der vollzugsrat bis zum zusammentritt des zentralrats der a.u. s.-räte die höchste behörde des deutschen reiches sein, der träger der souveränität des gesamten arbeitenden volkes, das oberste organ der macht der sozialistischen republik. (...) das ebert-haase-kabinett konnte einzig und allein ausführendes organ des vollzugrats und seines willens sein. dies und nichts anderes,"
so rosa luxemburg, und darin irrt sie ganz sicher, behauptet es aber vermutlich nur in der hoffnung, so der spd wie vor allem der uspd einen nicht nur faktischen, sondern bewußten verrat nachweisen zu können,
"war auch die auffassung auf allen seiten (...). dies dauerte aber nicht lange. (...) der alte satz lassalles von der geschriebenen verfassung und den realen machtverhältnissen sollte sich wieder einmal bewahrheiten."
sie macht sich keinerlei illusionen, sondern sagt, was ist: "die reife frucht dieser emsigen umtriebe, die aktion," die die bemühungen der regierung um die ausschaltung des vollzugsrates und der macht der arbeiter- und soldatenräte insgesamt
"abschliessen sollte, war der putsch des 6. dezember (...) wenn die a.- u. s.-räte ganz deutschlands das scheidemann-ebertsche nest nicht rücksichtslos zerstampfen, werden sie sich bald selbst, genau wie der jetzige vollzugsrat, ausgeschaltet und schließlich von der siegreichen gegenrevolution erdrosselt sehen."
für den 16. dezember ist nunmehr der allgemeine kongress der arbeiter- und soldatenräte terminiert. die hetze der mehrheitssozialdemokratie, auch von teilen der uspd und der bürgerlichen presse ohnehin, gegen den spartakusbund nimmt ungeheure ausmaße an. spöttelnd berichtet rosa luxemburg in der "roten fahne": "verschiedene personen haben sich an liebknecht mit der rührenden persönlichen bitte gewandt, ihre gatten, neffen oder tanten von dem beabsichtigten bethlehemitischen kindermord, den die spartakusse planten, ausnehmen zu wollen." der ernst der lage ist ihr aber grundsätzlich klar: "die hetze wird planmäßig betrieben(...) um eine pogromatmosphäre zu schaffen und die spartakusrichtung politisch zu meucheln, ehe sie noch die möglichkeit hatte, die breitesten massen mit ihrer politik und ihren zielen bekannt zu machen." doch sie ist dennoch voller zuversicht. zum einen mit blick auf den revolutionären prozeß:
"mag uns eine momentane wiederkehr der gegenrevolutionären sturzwelle wieder in kasematten sperren, die wir eben erst verlassen haben - der eherne gang der revolution läßt sich nicht aufhalten."
als auch mit blick auf die massen:
"das zentralorgan der abhängigen sozialdemokratie, der vorwärts, ist jetzt zentralorgan der gegenrevolutionären treibjagd gegen die spartakusleute. (...) die trabanten der wels und genossen hetzen die unklarsten elemente unter den soldaten gegen liebknecht und seine freunde auf. (...) wir sehen dem schauspiel von der geschichtlichen warte mit kaltblütigem lächeln zu. (...) was, denkt man aber wohl, was würden die massen der revolutionären proletarier tun, wenn die hetze ihren zweck erreichte, wenn etwa demjenigen ein haar gekrümmt werden sollte, den sie auf ihren armen aus dem zuchthaus geholt und als den berufenen führer anerkannt haben? wer hätte wohl dann die macht, diesen massen kaltblütigkeit zu predigen?"
daß sie schon jetzt praktisch illegal leben muß, um ihres lebens sicher zu sein, daß eine der logischen konsequenzen der konterrevolutionären politik, deren unerbittlicher kritik und denunziation sie sich ohne nennenswerte ruhepausen rund um die uhr widmet, ihre ermordung und die ihrer genossinnen ist, ist für sie in allererster linie unter dem aspekt von interesse, als die verschärfung der widersprüche die entwicklung vorwärtstreibt. dabei gibt es neben der ganz unmittelbaren auseinandersetzung um die durchsetzung der macht der arbeiter- und soldatenräte warnsignale, die sie grundsätzlich durchaus erfaßt. so stellt sie fest, daß die revolution vom 9. november - ob in gestalt eindeutiger massenkundgebungen, der regierung oder des vollzugsrats - etwas ganz schlichtes nicht in ordnung gebracht hat, was für sie zum allerselbstverständlichsten gehört: sofort die todesstrafe abzuschaffen und menschenwürdige bedingungen in den knästen herzustellen.
"ach, wie ist diese deutsche revolution - deutsch! wie ist sie nüchtern, pedantisch, ohne schwung, ohne glanz, ohne größe. die vergessene todesstrafe ist nur ein kleiner, einzelner zug. aber wie pflegt sich gerade in solchen zügen der innere geist des ganzen zu verraten! (...) liebknecht und ich haben beim verlassen der gastlichen räume, worin wir jüngst hausten - er seinen geschorenen zuchthausbrüdern , ich meinen lieben armen sittenmädchen und diebinnen (...)- wir haben ihnen heilig versprochen (...): wir vergessen euch nicht!"
noch jedenfalls wählen die massen einen kongress der arbeiter- und soldatenräte, der völlig von den mehrheitssozialdemokraten dominiert wird. der spartakusbund ist praktisch nicht vertreten. während der spartakusbund darum zu einer großdemonstration am 16. dezember vor dem tagungsort mobilisiert, an der sich 250.000 menschen beteiligen werden, beordert der stadtkommandant wels weitere truppen in die stadt und läßt sie am 10. dezember auf die regierung ebert vereidigen.

mit blick auf die uspd gibt es aus den ereignissen am 6. dezember für die genossInnen vom spartakusbund nur eine konsequenz: den austritt aus der regierung ebert. wozu die führung der uspd nicht den geringsten anlaß erkennen kann. der spartakusbund setzt nun entschiedener darauf, in der uspd eine entscheidungssituation herbeizuführen, die den bruch entweder einer (vermeintlichen) mehrheit der in der uspd organisierten zur parteiführung oder den eigenen zur uspd herbeiführen soll. schon am 29. november hatte rosa luxemburg in der "roten fahne" geschrieben:
"die unabhängige sozialdemokratie ist von hause aus ein kind der schwäche, und kompromiß ist ihres daseins wort. (...) ihre offizielle geburt als selbständige partei ist nicht ein akt (...) klarer entscheidung aus eigener initiative, nicht historische tat gewesen, sondern erzwungenes resultat des hinauswurfs durch die scheidemänner, (...) eine derart beschaffene partei, plötzlich vor die geschichtlichen entscheidungen der revolution gestellt, mußte jämmerlich versagen."
das erinnert an fritz heckerts rede mit der dem inhalt der rede entgegengesetzen schlußfolgerung auf dem gründungsparteitag der uspd im april 1917. aber die entwicklung seit dem 9. november macht die notwendigkeit einer entscheidung ungleich drängender:
"(...) ihre eigentliche mission als teilhaberin der firma scheidemann-ebert ist: deren klaren und unzweideutigen charakter als schutztruppe der bürgerlichen klassenherrschaft in ein system von zweideutigkeiten und feigheiten zu mystifizieren. (...) das deutsche proletariat braucht heute an seiner spitze eine sozialistische partei, die der großen stunde gewachsen ist. für eine partei der halbheit und zweideutigkeit ist in der revolution kein platz. (...) der jetzige zustand der partei ist unhaltbar geworden. sie muß vor eine entscheidung gestellt werden. die schleunigste einberufung des parteitags, der klärung und entscheidung bringen wird, ist eine unabweisbare forderung geworden!"
am 15.12. 1918 findet eine außerordentliche verbandsversammlung der uspd von großberlin statt. diese versammlung nutzt rosa luxemburg - als delegierte, der spartakusbund gehört noch immer der uspd an, und sie ist mitglied dieser partei! -‚ um der forderung des spartakusbundes nach austritt der uspd aus der regierung und sofortiger einberufung eines parteitags über die engere parteiführung hinaus geltung zu verschaffen, in ihrem referat sagt sie:
"nach dem 6. dezember mußten die unabhängigen aus der regierung austreten. sie mußten die verantwortung für das geschehene ablehnen, um die massen aufzurütteln und ihnen zu sagen, die revolution ist in gefahr. (...) haase hat das prinzip der demokratie gerühmt. nun, wenn das prinzip der demokratie gelten soll, so doch vor allem in unserer partei selbst. dann aber muß sofort der parteitag einberufen werden, damit die massen sagen können, ob sie diese regierung noch wolllen. (...) wenn haase und seine freunde (...) fortfahren, die regierung zu decken, so werden die massen sich erheben und euch fortfegen. (...) die zustände in der usp sind unhaltbar, da hier elemente vereinigt sind, die nicht zusammengehören. entweder ist man entschlossen, gemeinsame sache mit den sozialpatrioten zu machen, oder man muß mit dem spartakusbund gehen. darüber soll der parteitag entscheiden."
sie bringt einen antrag ein, der verlangt: dieser antrag wird mit 485 gegen 195 stimmen abgelehnt, kaum mehr als ein viertel der delegierten folgen der auffassung der spartakusbunds. rosa luxemburg ruft der verbandsversammlung darauf aufgebracht zu:
"unsere erste pflicht ist es, jede brücke zu der gegenwärtigen regierung abzubrechen. das ist unsere forderung, und damit sind wir im recht. (...) ihr steht jetzt vor der entscheidung, welchen weg ihr gehn wollt, entweder mit uns oder mit scheidemann."

5. ´Was will der spartakusbund ?´

diesmal zumindest trifft die neuerliche niederlage bei dem versuch, aus der zugehörigkeit zur uspd kapital für den revolutionären prozeß zu schlagen, den spartakusbund alles andere als unvorbereitet. in der "roten fahne" vom vortag ist eine ausführliche programmatische darstellung rosa luxembumgs "was will der spartakusbund?" erschienen, die zwei wochen später mit nur geringfügigen änderungen auf dem gründungsparteitag der kpd als parteiprogramm verabschiedet werden wird. darin werden eine eigenständige vorstellung von revolutionärer politik und der eigenen verantwortung für den revolutionären prozeß mit klaren strategischen vorgaben für die sicherung und entwicklung der begonnenen revolution und unmittelbar praktischen vorschlägen für die umsetzung der so bestimmten revolutionären politik in großer dichte verknüpft:
"der weltkrieg hat die gesellschaft vor die alternative gestellt: entweder fortdauer des kapitalismus, neue kriege und baldigster untergang im chaos und in der anarchie oder abschaffung der kapitalistischen ausbeutung.
  • (...) nur die weltrevolution des proletariats kann in dieses chaos ordnung bringen,
  • (...) nieder mit dem lohnsystem! das ist die losung der stunde.
  • an stelle der lohnarbeit und der klassenherrschaft soll die genossenschaftliche arbeit treten.
  • (...) regelung der produktion und verteilung der produkte im interesse der allgemeinheit.
  • (...) an stelle der arbeitgeber und ihrer lohnsklaven freie arbeitsgenossen!
  • die arbeit niemandes qual, weil jedermanns pflicht!
  • ein menschenwürdiges dasein jedem, der seine pflicht gegen die gesellschaft erfüllt.
  • (...) erst in einer solchen gesellschaft sind völkerhaß, knechtschaft entwurzelt.
  • erst wenn eine solche gesellschaft verwirklicht ist, wird die erde nicht mehr durch menschenmord geschändet, erst dann wird es heißen: dieser krieg ist der letzte gewesen.
(...) sozialismus oder untergang in der barbarei !(...) das wesen der sozialistischen gesellschaft besteht darin, daß die große arbeitende masse aufhört, eine regierte masse zu sein,
  • vielmehr das ganze wirtschaftliche und politische leben selbst und in bewußter freier selbstbestimmung lenkt.
  • (...) nur in ständiger, lebendiger wechselwirkung zwischen den volksmassen und ihren organen, den a.- u. s. -räten, kann ihre tätigkeit den staat mit sozialistischem geiste erfüllen.
  • (...) in zähem ringen mit dem kapital. brust an brust in jedem betriebe, durch unmittelbaren druck der massen, durch streiks, durch schaffung ihrer ständigen vertretungsorgane können die arbeiter die kontrolle über die produktion und schließlich die tatsächliche leitung an sich bringen.
  • die proletariermassen müssen lernen, aus toten maschinen (...) zu denkenden, freien, selbstätigen lenkern dieses prozesses zu werden.
  • (...) es ist ein toller wahn, zu glauben, die kapitalisten würden sich gutwillig dem sozialistischen verdikt eines parlaments, einer nationalversammlung fügen. sie würden ruhig auf den besitz, den profit das vorrecht der ausbeutung verzichten. (...) die imperialistische kapitalistenklasse überbietet als letzter sproß der ausbeuterklasse die brutalität, den unverhüllten zynismus, die niedertracht aller ihrer vorgänger. sie wird ihr allerheiligstes, ihren profit und ihr vorrecht der ausbeutung, mit zähnen und mit nägeln (...) verteidigen. (...) all dieser widerstand muß schritt um schritt mit eiserner faust, mit rücksichtloser energie gebrochen werden.
  • der gewalt der bürgerlichen gegenrevolution muß die revolutionäre gewalt des proletariats entgegengestellt werden.
  • (...) den drohenden gefahren der gegenrevolution die bewaffnung des volkes und entwaffnung der herrschenden klassen (...)
  • nicht wo der lohnsklave neben dem kapitalisten, der landproletarier neben dem junker in verlogener gleichheit sitzen, um über ihre lebensfragen parlamentarisch zu debattieren,
  • dort, wo die millionenköpfige proletariermasse die ganze staatsgewalt (...) ergreift, (...) dort allein ist die demokratie, die kein volksbetrug ist.
"
"um dem proletariat die erfüllung dieser aufgaben zu ermöglichen, fordert der spartakusbund: als sofortige maßnahmen zur sicherung der revolution" "auf politischem und sozialem gebiete" werden gefordert: im übrigen soll die "nächste wirtschaftliche forderungen" sind für den spartakusbund international steht vorerst nur eins für der spartakusbund auf der tagesordnung:
"das will der spartakusbund und weil er das will, weil er der mahner, der dränger, weil er das sozialistische gewissen der revolution ist, wird er von allen offenen und heimlichen feinden der revolution und des proletariats gehaßt, verfolgt und verleumdet. kreuziget ihn! rufen die kapitalisten (...) rufen die kleinbürger, die offiziere, die antisemiten (...) rufen die scheidemänner, die (...) um die silberlinge ihrer politischen herrschaft zittern, (...) der sieg des spartakusbundes steht nicht am anfang, sondern am ende der revolution: er ist identisch mit dem siege der großen millionenmassen des sozialistischen proletariats. auf proletarier! zum kampf! es gilt, eine welt zu erobern."
der allgemeine kongress der arbeiter- und soldatenräte, den der spartakusbund mit einer massendemonstration mit einer viertelmillion menschen zu beeinflußen versucht, und den die "rote fahne" eindringlich auf seine "eigentlichen" aufgaben hingewiesen hat, gerät - als kongress - zur farce. rosa luxemburg berichtet in der "roten fahne" vom 20.12.1918 darüber, wie am 18.12. ein "antrag lüdemann" eingebracht wurde, der
"verlangte, ´bis zur anderweitigen regelung durch die nationalversammlung' die gesamte gesetzgebende und vollziehende gewalt (...) dem ebertschen kabinett zu übertragen. dieser antrag ist zwischen tür und angel am mittwochabend ohne jede debatte angenommen worden!"
allerdings hatte der kongress zu diesem zeitpunkt noch gar nicht darüber debattiert, ob er die nationalversammlung befürwortet. diese entscheidung stand erst am folgenden tag auf der tagesordnung. am 19.12. allerdings stimmt der kongress dann erst über den termin der wahlen zur nationalversammlung ab (sie wurden auf den 19. januar 1919 festgelegt), bevor mit der debatte begonnen wurde, ob es eine nationalversammlung geben soll. rosa luxemburg faßt den verlauf des kongresses kurz und knapp zusammen:
"die zusammensetzung dieses kongresses, sein verhalten von anfang bis ende stellt ihm das attest entschlossener, unentwegter parteinahme für das lager der scheidemannschen konterrevolution aus."
der vollzugsrat war nunmehr faktisch komplett entmachtet. alle machtbefugnisse waren "bis zur nationalversammlung" der regierung übertragen. der erste kongress aller arbeiter- und soldatenräte hat die macht der arbeiter- und soldatenräte eigenhändig liquidiert. jener vollzugsrat, der im zirkus busch ausschließlich aus vertretern von spd und uspd zusammengesetzt worden war, auf einer versammlung, auf der karl liebknecht und seine genossinnen vom spartakusbund mit waffengewalt bedroht und letztlich hinausgetrieben worden waren, dieser vollzugsrat ist nun die verbliebene und zu verteidigende resterrungenschaft des umsturzes vom 9. november. immer orientiert am revolutionären prozeß als prozeß des heranreifens der massen, in dem die verschärfung der inneren widersprüche der motor der entwicklung ist, unternimmt rosa luxemburg in der "roten fahne" gewaltige anstrengungen, um nachzuweisen, daß der kongress den vollzugsrat gar nicht ausschalten konnte. sie schreibt:
"hier schneidet sich jedoch die gegenrevolutionäre macht durch übereifer ins eigene fleisch. (...) da der rätekongreß die körperschaft selbst, von der er seine vollmachten erhalten, (...) zum bloßen schattendasein verurteilt, so hat er damit seine vollmachten überschritten, hat das mandat verraten,(...) hat den boden aufgehoben, auf dem seine existenz und seine autorität fußte. durch den beschluß (...) hat der kongreß (...) nicht diese, sondern sich selbst als politische macht aufgelöst. (...) die a.- u. s.räte sind als politische macht nicht aufgelöst, können nicht aufgelöst werden. (...) die revolutionäre masse wird den ihr zugedachten selbstmord nicht begehen. (...) sie werden das gegenrevolutionäre werk ihrer ungetreuen vertrauensmänner für null und nichtig erklären"
. der vollzugsrat allerdings ist aufgelöst, denn nach seiner entmachtung durch den kongress zieht die uspd ihre vertreter aus dem vollzugsausschuß ab. die situation ist nunmehr grotesk: die uspd ist in der regierung, nicht aber im vollzugsausschuß, weil der vollzugsausschuß als aus dem umsturz vom 9. november hervorgegangenes höchstes machtorgan auf betreiben der regierung - des ausführenden organs des vollzugsausschusses -, der sie angehört, faktisch aufgelöst worden ist!

die politische einschätzung des kongresses durch den spartakusbund allerdings fällt unmißverständlich aus: "ein sieg der ebertregierung. ein sieg der gegenrevolution auf der ganzen linie."

schockartig stößt rosa luxemburg darauf, daß die viefältigen schwierigkeiten der revolution nicht nur ganz allgemein aus der "reife" der situation in deutschland resultieren, sondern gerade aus den spezifischen bedingungen des verrats durch die sozialdemokratie. die frage steht für einen kurzen moment der tieferen erkenntnis im raum - hätte eine von der bourgeoisie, selbst von der bourgeoisie des reaktionärsten und aggressivsten imperialismus, des deutschen, mit alleinigen kräften zu organisierende konterrevolution annähernd so leichtes spiel gehabt wie die konterrevolution unter der leitung von ebert und scheidemann?
"es ist eine sozialistische partei, es ist das ureigenste geschöpf der arbeiterbewegung und des klassenkampfes, das sich in das wuchtigste instrument der bürgerlichen gegenrevolution verwandelt hat. kern, tendenz, politik, psychologie, methoden - alles ist gut kapitalistisch, nur schilder, apparat und phraseologie sind vom sozialismus übriggeblieben, und doch genügen schilder, apparat und phraseologie, um breite massen über kern und inhalt der politik zu täuschen (...). das ist die schule der deutschen sozialdemokratie, das ist die quittung über die letzten 25 jahre ihrer tätigkeit (...). der geist des 4 august 1914 herrschte über dem sitzungsaal des rätekongresses: das alte vorrevolutionäre deutschland."
schärfer können sich die widersprüche, die den revolutionären prozeß vorantreiben, kaum mehr präsentieren. unbeirrt bleibt rosa luxemburg dabei:
"und doch: jenes deutschland besteht nicht mehr. es ist das wunderbare geheimnis aller innerlich herangereiften, geschichtlich notwendigen sozialen umwälzung, daß ein tag der revolution das antlitz der gesellschaft verändert, das alte zur vergangenheit für ewige zeiten macht. (...) jeder tag verschärft die situation, jeder tag meißelt das weltgeschichtliche dilemma schroffer, unerbittlicher heraus, (...) der rätekongreß hat in den wenigen tagen (...) alle schleppenden schleier von dem kern der gegenrevolution hinweggezogen, daß seine tagung wie eine sprengmine die gewissen der proletarischen massen auf rütteln muß (...) - der sieg der ebertregierung wird - wie alle siege der gegenrevolution - ein pyrrhussieg bleiben."

6. die entscheidung zum bruch

am tag nach dem kongress kommt die spartakuszentrale zur beratung zusammen. zweierlei steht nun unweigerlich fest. zum anderen ist die sozialdemokratie endgültig tot. nicht nur ist die spd zur vorhut der konterrevolution geworden, sondern auch die uspd hat nicht nur durch ihre paktierei mit der spd jede moralische legitimität verspielt und der ausstrahlungskraft revolutionärer politik schwer geschadet, sondern hat in sich auch alle voraussetzungen systematisch eliminiert, die sie zur partizipation am revolutionären prozeß befähigen würden. das stellt schon rein taktisch ein massives problem dar. während der spartakusbund den kern der nunmehr nächsten phase der revolution in der anwachsenden streikbewegung sieht, steht die uspd gegen diese streikbewegung. es gibt somit nur noch zwei möglichkeiten: dafür, die erste der beiden möglichkeiten überhaupt noch in erwägung zu ziehen, obwohl sie denkbar unrealistisch ist, spricht, daß auf diesem wege die bindung der revolutionären obleute an den spartakusbund einfacher sein dürfte.

die zweite möglichkeit hingegen erleichtert eher den zusammenschluß mit den bremer linksradikalen um johann knief und den mit ihnen verbundenen revolutionären gruppen.

die spartakuszentrale beruft also zum einen eine eigene reichskonferenz für den 29.12. nach berlin ein und richtet zugleich eine ultimative aufforderung an den vorstand der uspd, bis zum 25.12. verbindlich darüber auskunft zu geben, ob die sofortige einberufung eines parteitags erfolgt oder nicht. noch vor ablauf dieses ultimatums spitzen sich die auseinandersetzungen erneut zu. nach seinem sieg auf dem rätekongress will ebert klar schiff machen. das schließt für ihn ein, sich der uspd zu entledigen. zu den truppenteilen in berlin, die eindeutig auf die uspd orientieren, gehört die volksmarinedivision, die im schloß und im marstall ihr quartier hat und dadurch letztlich die militärische kontrolle über das regierungsviertel.

nach der machtdemonstration vom 6. dezember hatten die soldaten ihren kommandanten abgesetzt und einen matrosen aus ihren reihen als leiter gewählt. am 24.12. ließ ebert die volksmarinedivision durch fronttruppen, die er eigens zu diesem zweck bei der heeresleitung angefordert und in die stadt hatte karren lassen, angreifen. die matrosen wehren sich und können den stadtkommandanten wels gefangen nehmen. als sich dann auch noch demonstrierende arbeiterInnen an den ort des geschehens begeben, dann auch bewaffnete revolutionäre, müssen sich eberts truppen zurückziehen, elf der matrosen haben sie während der kämpfe ermordet, selbst allerdings 56 soldaten verloren. die uspd zeigt sich nun doch etwas verärgert. allerdings ist sie vorerst damit beschäftigt, dem spartakusbund auseinanderzusetzen, warum aufgrund der äußerst prekären verkehrslage, die eine geordnete anreise von parteitagsdelegierten einfach grundschwierig mache, aber auch angesichts der ungeheuren kräfte, die durch den wahlkampf für die nationalversammlung gebunden seien, an einen parteitag schlichtweg nicht zu denken sei. die weichen sind nunmehr in doppelter hinsicht gestellt. als die uspd sich am 29.12., erschrocken über unerwartet heftigen mißmut in teilen der eigenen mitgliedschaft über den zaghaft vorgetragenen protest gegen den militärischen angriff auf den einzigen relevanten truppenteil, der hinter der eigenen partei steht, entschließt, - nicht etwa verbündete zum sturz der regierung zu suchen, sondern - die regierung aus protest zu verlassen, findet im preußischen landtag die reichskonferenz des spartakusbundes statt, aus der der gründungsparteitag der kpd werden wird. zugleich hat sich ebert erfolgreich des moralinsauren unsicherheitsfaktors uspd entledigt und seiner regierung den spielraum für den offenen angriff auf die revolution unter einschluß der möglichkeit der physischen liquidierung der revolution und ermordung der sie tragenden subjekte geschaffen.

7. der gründungsparteitag der kpd

der reichskonferenz hat rosa luxemburg in der ausgabe der "roten fahne" vom selben tag einen rückblick auf die bisherige entwicklung des spartakusbundes und die ihm vorangegangene arbeit seit dem 4. august 1914 vorangeschickt:
"nach jedem anlauf fielen und glätteten sich die kaum bewegten wogen des kampfes, eine tödliche, bleierne windstille nahm scheinbar wieder von den geistern der masse besitz. es gehörte eiserner wille dazu und ein glaube, der berge versetzt, um in diesen viereinvierteljahren nicht für einen tag zu erlahmen, nicht das rastlose minierwerk im stiche zu lassen, nicht in den bequemen pessimismus über die ‘deutschen massen‘ zu verfallen, der den unabhängigen als billiger vorwand ihrer eigenen indolenz diente. spartakusleute kannten kein verzagen, wie sie kein zagen kennen. lustig pfeifend in der vergitterten zelle wie in der werkstatt. im schützengraben wie in dem konspirativen, von spitzeln umspürten, von häschern umstellten beratungsquartier. schärften sie ihre pfeile, verbreiteten ihre flugblätter, zerrten derb an dem gewissen der massen, warfen immer wieder dem triumphierenden koloß des imperialismus keck den fehdehandschuh ins gesicht."
die notwendigkeit des endlich beschlossenen bruchs begründend, schreibt sie über den spartakusbund:
"ihn trennt ein gähnender abgrund von den feigen handlangern der ausbeuter und unterdrücker, von den blutbefleckten ebert-scheidemannleuten (...). ihn trennt ein abgrund auch von den unabhängigen, die es verstanden haben, sich (...) nicht vorwärts-, sondern rückwärtszuentwickeln, aus tatenlosen kritikern (...) zu tätigen teilhabern dieser prostitution zu werden, über putsche, intrigen und gräber, über infamien und blutlachen hinweg den ebert-scheidemann noch die hand zum gemeinsamen werke zu reichen. von diesen leuten (...) gilt das wort: zu spät! (...) aber auch von den schwankenden und zagenden elementen der usp trennt uns ein grenzrain, die, erbittert über den tiefen fall (ihrer parteiführung - ak kassiber) (...), dennoch nie den mut und die konsequenz fanden (...) sie vor die alternative der loslösung von der gegenrevolution oder der ausstoßung aus den reihen des kämpfenden proletariats zu stellen."
an der nicht öffentlich tagenden reichskonferenz nehmen 83 delegierte aus 46 orten teil, außerdem 3 vertreter des roten soldatenbundes und ein als vertreter der revolutionär organisierten jugendlichen bestimmter junger genosse. nach nunmehr nur noch kurzer debatte wird bei drei gegenstimmen die gründung einer eigenen partei beschlossen, zu denen, die dagegen stimmen, gehört auch leo jogiches, weil er unter primär technischen gesichtspunkten den verlust praktischer handlungsmöglichkeiten befürchtet. damit findet am 30. und 31. dezember 1918 öffentlich der gründungsparteitag der kommunistischen partei deutschlands (spartakusbund) statt. an ihm nehmen 127 delegierte aus 56 orten teil. in seinem eingangsreferat beschreibt karl liebknecht noch einmal die motive für den bisherigen verbleib in der uspd:
"wir haben der usp angehört, um aus der usp herauszuschlagen, was herausgeschlagen werden kann, um die wertvollen elemente aus der usp voranzutreiben, um sie zu radikalisieren, um auf diese weise schließlich bei einem zersetzungprozeß, bei weiterem fortgang des zersetzungsprozesses zu erreichen, daß möglichst starke revolutionäre kräfte gewonnen werden könnten für die zusammenfassung in einer geschlossenen, einheitlichen, revolutionären proletarischen partei."
nun, da die gründung der eigenen partei beschlossene sache ist, stellt er unumwunden fest:
"das, was erreicht wurde, war außerordentlich gering,"
und fährt fort:
"wir stehen vor der tatsache, daß ein weiteres verbleiben im verbande der usp geradezu bedeutet eine solidarisierung mit der gegenrevolution, eine preisgabe der ehre des sozialismus (...). wenn wir heute auseinandergehen, muß eine neue partei gegründet sein (...). eine partei, die geschlossen und einheitlich zusammengesetzt ist im geiste und im willen, eine partei, die ein klares programm hat, eine partei, in der das ziel und die mittel zum ziele gewählt sind mit klarer entschlossenheit, mit einer entscheidung, die nicht verwirrt werden kann."
rosa luxemburg begründet das vorgeschlagene parteiprogramm und ordnet es noch einmal stärker in ihre umfassende vorstellung von revolutionärer politik ein, ihr redebeitrag mutet zum teil befremdlich an, ein befremden, das aus der konzentrierten dichte erwächst, in der bei ihr ihre umfassende vorstellung von revolutionärer politik und ihr begriff ihrer eigenen und der verantwortung der neugegründeten partei für den revolutionären prozeß, ihre daraus entwickelten strategischen überlegungen und taktischen schlußfolgerungen stets eins sind; es ist also ein befremden, das ausdruck nicht der abwegigkeit ihrer überlegungen ist, wie es mitunter auf anhieb zu sein scheint, sondern der eigenen entfremdung von der entschlossenheit und geschichtsmächtigkeit des revolutionären bruchs, für den die gründung der kpd ein zentraler kristallisationspunkt war, in ihrer rede stellt rosa luxemburg fest:
"wir sind wieder bei marx, unter seinem banner. wenn wir heute in unserem programm erklären: die unmittelbare aufgabe des proletariats ist keine andere, als - in wenigen worten zusammengefaßt - den sozialismus zur wahrheit und tat zu machen und den kapitalismus mit stumpf und stiel auszurotten, so stellen wir uns auf den boden, auf dem marx und engels 1848 standen und von dem sie prinzipiell nie abgewichen waren. jetzt zeigt sich, was wahrer marxismus ist und was dieser ersatzmarxismus war, der sich als offizieller marxismus in der deutschen sozialdemokratie so lange breitmachte. (...) nein, marxismus führte nicht dorthin, zusammen mit den scheidemännern konterrevolutionäre politik zu machen. wahrer marxismus kämpft auch gegen jene, die ihn zu verfälschen suchten. (...) genossen, unser heutiger parteitag, der ja, wie ich glaube mit stolz sagen zu dürfen, der konstituierende parteitag der einzigen revolutionären sozialistischen partei des deutschen proletariats ist, dieser parteitag fällt zusammen (...) mit einem wendepunkt in der entwicklung der deutschen revolution selbst. man kann behaupten, daß mit den vorgängen der letzten tage die anfangsphase der deutschen revolution abgeschlossen ist, daß wir jetzt in ein zweites, weiteres stadium der entwicklung treten, und es ist unser aller pflicht und zugleich die quelle einer besseren, tieferen erkenntnis für die zukunft, selbstkritik zu üben, eine nachdenkliche kritische prüfung des geleisteten, geschaffenen und versäumten vorzunehmen, um die handhaben für unser weiteres vorgehen zu gewinnen. (...) die erste phase vom 9. november bis zu den letzen tagen ist charakterisiert durch illusionen nach allen seiten hin. (...) was kann charakteristischer sein für die innere schwäche der revolution des 9. november als ihr erstes ergebnis, daß an die spitze der bewegung elemente getreten sind, die zwei stunden vor ausbruch der revolution ihr amt darin erblickten, gegen sie zu hetzen, sie unmöglich zu machen (...). die idee der vereinigung der verschiedenen sozialistischen strömungen (...), das war das motto der revolution vom 9. november - eine illusion, die sich blutig rächen sollte und die wir erst in den letzten tagen ausgelebt und ausgeträumt haben; (...) ferner eine illusion der bourgeoisie (...), daß sie vermittels der kombination ebert-haase (...) die proletarischen massen im zügel halten und die sozialistische revolution werde erdrosseln können, und die illusion auf seiten der regierung ebert-scheidemann, daß sie mit hilfe der soldatischen massen (...), die arbeitermassen (...) niederhalten könnte. (...) sämtliche illusionen sind in nichts zerronnen. (...) es war das blut der opfer in der chausseestraße am 6. dezember, es war das blut der gemordeten matrosen am 24. dezember, das die erkenntnis und die wahrheit für die breiten massen besiegelt hat: was ihr da zusammengeleimt habt als eine sogenannte sozialistische regierung, ist nichts anderes als eine regierung der bürgerlichen konterrevolution, und wer diesen zustand weiter duldet, der arbeitet gegen das proletariat und gegen den sozialismus. (...) die regierung wird, um ihren rückhalt bei der einzigen klasse, deren wirkliche klasseninteressen sie vertritt, bei der bourgeoisie, zu stärken (...) sich gezwungen sehen, eine immer gewaltsamere konterrevolutionäre politik zu treiben. (...) daraus ergibt sich aber, daß wir gerade durch die bisherige entwicklung, durch die logik der ereignisse selbst und durch das gewaltsame, das über den ebert-scheidemann lastet, dazu kommen werden, in der zweiten phase der revolution eine viel verschärftere auseinandersetzung, viel heftigere klassenkämpfe zu erleben, als das vorhin der fall; (...) nicht bloß deshalb, weil die politischen faktoren, die ich bisher aufgezählt habe, dahin führen, (...) sondern deshalb, weil ein neues feuer, eine neue flamme immer mehr aus der tiefe in das ganze hineingreift, und das sind die wirtschaftlichen kämpfe. (...)

erst in den letzten wochen haben ganz spontan die streiks angefangen sich bemerkbar zu machen (...). es liegt gerade in dem ganzen wesen dieser revolution, daß die streiks sich mehr und mehr auswachsen, daß sie immer mehr zum mittelpunkt der revolution werden müssen, das ist dann eine ökonomische revolution, und damit wird sie eine sozialistische revolution. (...) ich möchte auch hier betonen, wir können es mit stolz sagen. und das wird niemand bestreiten: wir im spartakusbund, die kommunistische partei deutschlands, sind die einzigen in ganz deutschland, die auf seite der streikenden und kämpfenden arbeiter stehen. (...) in der kommenden phase der revolution werden (...) die streiks (...) im mittelpunkt (...) der revolution stehen (...). denn damit kommt die revolution an die stelle, wo die bourgeoisie keinen spaß versteht. die bourgeoisie kann sich mystifikationen leisten auf politischem gebiet (...) aber nicht da, wo es um den profit geht.

da wird sie die regierung ebert-scheidemann vor die alternative stellen: entweder mit den streiks ein ende zu machen (...) oder aber die herren ebert-scheidemann werden ausgespielt haben. (...) so (...) drängen die herren ebert-scheidemann dazu, daß sich eine konterrevolutionäre bewegung breitmacht (...). genaues läßt sich nicht bestimmen (...) aber es kommt ja gar nicht auf die äußeren formen an (...) uns genügen die großen richtlinien der weiterentwicklung, und die führen dahin:

nach der ersten phase der revolution, der des vorwiegend politischen kampfes, kommt eine phase des verstärkten, gesteigerten, in der hauptsache ökonomischen kampfes, wobei in kurzer oder vielleicht etwas längerer zeit die regierung ebert-scheidemann in den orkus verschwinden wird. (...) wir müssen die macht ergreifen, wir müssen uns die frage der machtergreifung vorlegen als die frage: was tut, was kann, was soll jeder arbeiter- und soldatenrat in ganz deutschland? dort liegt die macht. (...) wir müssen von unten auf den bürgerlichen staat aushöhlen, indem wir überall die öffentliche macht, gesetzgebung und verwaltung nicht mehr trennen, sondern vereinigen, in die hände der arbeiter- und soldatenräte bringen (...). so soll die machteroberung nicht ein einmalige, sondern eine fortschreitende sein (...).

dazu müssen die proletarier erst geschult werden. auch dort, wo arbeiter- und soldatenräte bestehen, fehlt noch das bewußtsein dafür, wozu arbeiter- und soldatenräte berufen sind. (...). davon sind auch noch diejenigen arbeitermassen, die schon in arbeiter- und soldatenräten organisiert sind, meilenweit entfernt, ausgenommen natürlich einzelne kleinere minderheiten von proletariern (...).

die masse muß, indem sie macht ausübt, lernen, macht auszuüben. es gibt kein anderes mittel, ihr das beizubringen. (...) ich übernehme es nicht zu prophezeien, wieviel zeit dieser prozeß braucht, wer rechnet von uns, wen kümmert das, wenn nur unser leben dazu ausreicht, es dahin zu bringen! es kommt nur darauf an, daß wir klar und genau wissen, was zu tun ist."
kontroversen: im rahmen des parteitags kam es unter den delegierten zu zwei entscheidenden kontroversen, sie betrafen zum einen die frage der teilnahme an den wahlen zur nationalversammlung, zum anderen die von den linksradikalen weiterhin vertretene forderung nach gründung einer einheitsorganisation. rosa luxemburg hatte bereits am 23.12.1918 in der roten fahne geschrieben:
"auch über die schicksale der nationalversammlung selbst entscheidet nicht die parlamentarische mehrheit in der nationalversamlung, sondern die proletarische masse draußen in den betrieben und auf der straße. (...) die herren bourgeois mit der ebert-regierung an der spitze wollen den klassenkampf durch die nationalversammlung bannen (...). diesem plan zum trotz soll der klassenkampf in die nationalversammlung selbst hineinstürmen. er soll die wahlen wie die verhandlungen der nationalversammlung gerade zur beschleunigung der revolutionären entscheidung ausnutzen."
sie und karl liebknecht befürchten, daß die massen einem boykottaufruf des spartakusbundes nicht folgen werden, und die kpd nur die möglichkeiten einer agitation in und aus der nationalversammlung heraus verspielen würde. die mehrheit der delegierten aber beharrt darauf, den mit der parteigründung vollzogenen bruch nicht durch anschließende verstrickung in die farce der parlamentarisch organisierten nationalversammlung zu relativieren, die nationalversammlung sei das instrument der konterrevolution zur liquidierung der macht der arbeiter- und soldatenräte, eine beteiligung an ihr sei schlichtweg indiskutabel. allerdings stecken hinter dieser kontroverse auch zum teil unterschiedliche einschätzungen der weiteren revolutionären entwicklung, die nicht etwa in einer programmdebatte, sondern an diesem punkt ihren ausdruck finden: die debatte ist teilweise von harscher gegnerschaft gekennzeichnet. immer wieder fordern genossInnen den abbruch der diskussion und sofortige abstimmung. selbst rosa luxemburg muß sich während ihres debattenbeitrags immer wieder energisch gehör verschaffen. schließlich stimmen 62 delegierte gegen eine beteiligung an den wahlen zur nationalversammlung, 23 dafür.

die frage der einheitsorganisation hatten die linksradikalen schon auf die tagesordnung der ersten reichskonferenz der gruppe internationale anfang 1916 gesetzt. den linksradikalen schwebte nun auch die gründung der kpd als wirtschaftlich-politische einheitsorganisation vor, also als organisation, in der die genossIinnen nicht nur politisch als parteimitglieder, sondern auch gewerkschaftlich organisiert sein sollten. zugleich sollte die mitgliedschaft in der kpd als mit der mitgliedschaft in den gewerkschaften unvereinbar erklärt werden. auch für rosa luxemburg ist klar, daß
"die frage des kampfes für die befreiung (...) ist identisch mit der frage der bekämpfung der gewerkschaften."
"wir haben dazu in deutschland zehnmal mehr grund als in anderen ländern. (...) die offiziellen gewerkschaften haben sich im verlaufe des krieges und in der revolution bis zum heutigen tage als eine organisation des bürgerlichen staates und der kapitalistischen klassenherrschaft gezeigt."
die von den linksradikalen vorgeschlagene einheitsorganisation sei hierfür aber nicht der richtige weg und stehe zudem gegen die im programmentwurf entwickelten vorstellungen der partei zum verhältnis
"
  • heute müssen wir uns auf das system der arbeiterräte konzentrieren,
  • müssen die organisationen nicht durch kombination der alten formen, gewerkschaft und partei zusammengeschlossen,
  • sondern auf ganz neue basis gestellt werden,
"
so rosa luxemburg. außerdem müsse, wenn die liquidierung der bisherigen gewerkschaften auf die tagesordnung gesetzt werde, nicht zuletzt ganz praktisch geklärt werden, wer deren finanzen und vermögen erhalte, die durch einen sofortigen beschluß zum kollektiven austritt in den händen der funktionäre verblieben. die linksradikalen konnten sich gegen die eindeutige mehrheit der delegierten, die die im programmentwurf entwickelte vorstellung der lösung dieser frage im rahmen des systems der arbeiter- und soldatenräte unterstützte, nicht mit ihrer forderung nach bildung einer einheitsorganisation durchsetzen. die linksradikalen eint trotz dieser kontroversen mit rosa luxemburg, karl liebknecht und ihren engsten genossInnen, daß ihnen die gemeinsame organisierung in der neugegründeten partei als ausdruck des revolutionären bruchs wichtiger ist, als ihre ihnen jeweils besonders wichtigen positionen in diesen fragen gegen die mehrheit der delegierten durchzusetzen oder aufgrund ihrer abstimmungsniederlage von der gemeinsamen parteigründung abstand zu nehmen.

darin unterscheiden sie sich von den teils unorganisierten, teils zum umfeld der uspd gehörenden revolutionären obleuten, die unmittelbar vor dem 9. november mit der spartakusgruppe gegen den willen der uspd zum umsturz mobilisiert und in den ersten wochen nach dem 9. november zahlreiche gemeinsame aktionen mit dem spartakusbund organisiert hatten. sie hatten durch geschicktes taktisches agieren zwischen der uspd und dem spartakusbund ein hohes maß an aktionsfähigkeit erlangt, ohne sich in entscheidenden politischen fragen für die zukunft der revolution verbindlich festlegen zu lassen.

durch die gründung der kpd sahen sie die widersprüchliche konstellation, die grundlage ihrer praktischen politik geworden war, schwinden. daher erschienen eine reihe vertreter der revolutionären obleute auf dem gründungsparteitag und forderten verhandlungen über die gründung einer gemeinsamen partei des spartakusbundes und der linksradikalen einerseits und ihres zusammenhangs andererseits.

unter den obleuten herrscht allerdings massive uneinigkeit darüber, ob und zu welchen bedingungen ein zusammenschluß erfolgen soll. etliche delegierte sprechen sich dafür aus, die verhandlungen einfach abzubrechen. karl liebknecht aber, geprägt durch die erfahrungen der um den 9. november mit den obleuten durchgeführten gemeinsamen aktionen, vor allem aber darauf aus, daß auf keinen fall der eindruck entsteht, der spartakusbund habe seinerseits sektiererisch eine einigung mutwillig vereitelt, nimmt intensive verhandlungen mit den obleuten auf und setzt durch, daß der parteitag um einen tag verlängert wird, um die verhandlungen mit genügend zeit und genauigkeit fortführen und abschliessen zu können. dennoch kommt es nur zum eintritt einzelner obleute in die kpd. mehrheitlich stellen sie forderungen auf, die mit dem grundcharakter der neugegründeten partei nicht zu vereinbaren sind: in der "roten fahne" vom 3. januar 1919 berichtet rosa luxemburg über den gründungsparteitag der kpd. besonders wichtig ist ihr, daß die parteigründung
"nicht als eine von einer handvoll radikaler führer aus freien stücken und unter ausschluß der öffentlichkeit gemachte spaltung"
erfolgt sei. vielmehr habe sie sich als
"natürliches produkt der historischen entwicklung, als fragment im werdegang der deutschen revolution, somit als erscheinung des politischen lebens der proletarischen massen ergeben. (...) die entschleierte gegenrevolution ebert-scheidemann auf dem einen pol bedingt die hemmungslose und rücksichtslose entrollung der revolutionären fahne auf dem anderen pol (...). klärung der gegensätze, verschärfung des kampfes, das reifen und die selbstbestimmung der revolution, das sind die momente, aus denen die kommunistische partei deutschlands geboren und denen zu dienen sie ihrerseits berufen ist. (...) es gilt nunmehr, an stelle der revolutionären stimmung allenthalben die unbeugsame revolutionäre überzeugung, an stelle des spontanen das systematische zu setzen. (...) entgegen der traditionellen ‘markstein‘-anpreisung des eben geschlossenen parteitages und seines werkes sei es offen gestanden, daß der parteitag das ihm vorliegende enorme werk nur bruchstückweise, nur andeutungsweise hat vollbringen können. (...) was er aber geleistet hat, scheint uns dennoch im wesen das wichtigste zu sein: er hat die summa unter den geschichtlichen lehren der bisherigen revolution gezogen, die großen richtlinien der kommenden entwicklung gewiesen."
als kristallisationspunkt der entscheidung zum revolutionären bruch und ihrer entschiedenen verantwortung für den revolutionären prozeß haben die genossInnen vom spartakusbund mit der parteigründung politisch dennoch enormes geleistet. lenin schreibt später über die gründung der kpd:
"als der deutsche ‘spartakusbund‘ (...) den namen kommunistische partei deutschlands annahm, da war die gründung einer wahrhaft proletarischen, wahrhaft internationalistischen, wahrhaft revolutionären III. internationale, der kommunistischen internationale, tatsache geworden."
welche entschlossenheit, welcher kampfgeist hinter dieser gründung steht, wie stark und entschlossen der entschluß zur wahrnehmung der eigenen verantwortung für den revolutionären prozeß und zur verteidigung der eigenen würde gegen die konterrevolution ist, der in ihr seinen ausdruck gefunden hat, wird sich in den januarkämpfen zeigen, die im massaker an denen enden, die den mit der gründung der kpd verbundenen revolutionären prozeß in besonderer weise verantwortlich vorangetrieben haben und für ihn eingetreten sind.

IX. frontalangriff der konterrevolution - die januarkämpfe

als die parteitagsdelegierten auseinandergehen, sind sie eingestellt auf einen langwierigen zähen kampf. konfrontiert werden sie mit einem frontalangriff der mehrheitssozialdemokratischen regierung ebert-scheidemann auf die revolution: sie verfügt am 4. januar 1919 die absetzung emil eichhorns als polizeipräsident von berlin. eine der wenigen bedeutsamen machtstellungen, die noch mit jemandem besetzt sind, der das weitgehende vertrauen der arbeiter- und soldatenräte besitzt, soll der konterrevolution rückübereignet werden. umgehend kommen die kpd, die uspd und die revolutionären obleute zusammen und rufen für den 5. januar zum protest auf.
"das könnt, das dürft ihr nicht dulden! heraus darum zu wuchtigen massendemonstrationen! zeigt den gewalthabern von heute eure macht: zeigt, daß der revolutionäre geist der novembertage in euch nicht erloschen ist."
hunderttausende demonstrieren am folgende tag gegen eichhorns absetzung. am 6. januar werden die massendemonstrationen fortgesetzt, über eine halbe million menschen nehmen an ihnen teil, die mehrheit der berliner arbeiterInnen tritt in einen politischen generalstreik, und die reichsdruckerei, das haupttelegrafenamt, einige andere öffentliche gebäude und der "vorwärts" werden durch bewaffnete revolutionäre besetzt. die stimmung ist zum platzen geladen. aus dem koordinierungsgremium für die aktionen wird ein ‚revolutionsausschuß‘ gebildet, im marstall und im polizeipräsidium werden waffen ausgegeben, etwa 3000 arbeiter können bewaffnet werden.

die spartakuszentrale steht vor einer verzweifelten herausforderung: nun auf einmal tendieren teile der uspd angesichts der massenhaften und im ausdruck unerwartet entschlossenen beteiligung an den protesten und ihrer militanz dahin, den kampf gegen die absetzung eichhorns zum bewaffneten aufstand gegen die regierung aufzubauen. die genossinnen der kpd sehen für ein solches vorhaben keine reale chance. können sich aber auch nicht gegen die aktionen der demonstrantInnen und der bewaffneten revolutionäre richten. sie nutzen alle ihnen zur verfügung stehenden möglichkeiten, um die demonstrantInnen und protestierenden zu beeinflußen und im revolutionsausschuß entscheidungen zu forcieren, die einerseits den angriff der regierung mit der gebotenen deutlichkeit zurückschlagen, andererseits aber keine bewaffneten auseinandersetzungen heraufbeschwören, die über jene konfrontationen hinausgehen, in denen konkrete machtpositionen real gesichert werden können, weil diese angesichts des organisatorischen chaos und der unklaren und uneinheitlichen politischen vorstellungen im revolutionsausschuß praktisch nur mit einer niederlage enden können. rosa luxemburg schreibt am 7. januar1919 in der "roten fahne":
"wer die gestrige massendemonstration (...) miterlebt hat, wer diese felsenfeste revolutionäre überzeugung, diese prächtige stimmung, diese tatkraft, die aus den massen strömte, mit gespürt hat, der mußte zu dem schluß gelangen: die proletarier sind durch die schule der letzten wochen, der jüngsten ereignisse politisch enorm gewachsen. sie sind sich ihrer macht bewußt geworden, und nichts fehlt ihnen, als von dieser macht gebrauch zu machen. (...) die arbeiterschaft berlins (...) dürstet nach entschlossenen taten, nach klaren situationen, nach durchgreifenden maßnahmen (...). 24 stunden sind seit dem anschlag der ebert-regierung gegen eichhorn verflossen. die massen sind dem appell ihrer führer mit ungestüm gefolgt (...). sie haben sich, soweit es ging, bewaffnet. sie warten auf weitere weisungen und handlungen ihrer führer. was haben diese inzwischen getan, was beschlossen? wir sehen und hören nichts! mag sein, daß die vertrauensmänner der arbeiterschaft gründlich und ausgiebig beraten. jetzt gilt es aber zu handeln. (...) Handeln! Handeln! mutig, entschlossen, konsequent (...) die gegenrevolution entwaffnen, die massen bewaffnen. alle machtpositionen besetzen. rasch handeln!"
am 6. januar wird deutlich, wie verworren die situation ist: der revolutionsausschuß ruft einerseits - gegen offenbar wohl eher zaghaft geltend gemachten widerstand von karl liebknecht und wilhelm pieck, die die kpd im revolutionsausschuß vertreten, - zum bewaffneten aufstand zur beseitigung der regierung ebert-scheidemann auf, tritt aber anschließend in der nacht vom 6. auf den 7. januar mit eben dieser regierung in verhandlungen. woraufhin karl liebknecht und wilhelm pieck aus dem ausschuß abberufen werden. rosa luxemburg sieht die katastrophe heraufziehen. in der "roten fahne" vom 8. januar schreibt sie:
"was haben wir aber in diesen drei tagen erlebt? alles, was wirklich an positionen erobert worden ist (...), war spontanes werk der massen. was haben die körperschaften daraus gemacht, die in diesen tagen an der spitze der massen standen oder zu stehen vorgaben (...)? die allerelementarsten regeln der revolutionären aktion haben sie vernachlässigt (...). wenn die massen auf die straße gerufen werden, um in alarmbereitschaft zu sein, dann muß ihnen klar und deutlich gesagt werden, was sie zu tun haben, oder mindestens, was vorgeht, was von freund und feind getan und geplant wird. (...) aber die massen müssen eben nicht bloß gerufen, sondern auch politisch tätig sein."
die regierung ebert-scheidemann hat inzwischen in gustav noske einen "genossen" gefunden, der bereit ist, die aufgabe, die die sozialdemokratie zu leisten hat, will sie für die bourgeoisie als vollzugsausschuß der konterrevolution unentbehrlich bleiben, ohne jede falsche rücksichtnahme zu erfüllen. in den verhandlungen zwischen revolutionsausschuß und regierung wird ein waffenstillstand vereinbart, der eben jene zeitspanne freistellt, die noske noch dringend benötigt, um die zu beginn der verhandlungen erst unzureichend zusammengezogenen konterrevolutionären truppen kampfbereit zu formieren. am 8. januar, die verhandlungen laufen noch, das waffenstillstandsabkommen gilt laut vereinbarung noch, greifen die konterrevolutionären truppen unter noske die relevanten stellungen der bewaffneten revolutionäre im zeitungsviertel an. die revolutionäre wehren sich mit allen ihnen zur verfügung stehenden mitteln erbittert gegen die materiell eindeutig überlegenen konterrevolutionären truppen. für die eingeschlossenen revolutionäre wie für den spartakusbund steht nun außer frage, daß es kein zurück mehr gibt. eine in diesen kämpfen erlittene niederlage wird eine weitere etappe des revolutionären kampfes sein, ein rückzug vor der konfrontation jedoch würde all das, was die arbeiterInnen sich seit dem 9. november an kampfgeist, revolutionärem bewußtsein und selbstmächtigkeit angeeignet und erobert haben, zunichte machen.

daß allerdings diese kämpfe nicht mit einer militärischen niederlage, sondern einem massaker ungeahnten ausmaßes an den subjekten der revolution enden könnte, scheinen die genossInnen vom spartakusbund in letzter konsequenz noch immer nicht begriffen zu haben. daß der terror nach der niederlage im konkreten kampf eine so nachhaltige schockwirkung haben wird, daß er dem ganzen revolutionären prozeß eine - bis auf den heutigen tag spürbare - ernsthafte niederlage beibringt, erst recht nicht. die genossInnen in bremen unternehmen massive vorstöße, rosa luxemburg und karl liebknecht nach bremen zu holen, um ihre ermordung zu verhindern, auch eine flucht ins ausland wird erwogen. rosa luxemburg und karl liebknecht jedoch wollen von solchen überlegungen absolut nichts wissen. im gegenteil treiben sie die genossInnen, die für ihre sicherheit verantwortlich sind, von einem nervenzusammenbruch zum nächsten. während diese alle nur denkbaren anstrengungen unternehmen, um sie unversehrt von einem illegalen quartier zum anderen, von einer versammlung zur nächsten zu schleusen, mischen sie sich an jeder straßenecke in diskussionen ein, gehen auf leute, die sie anpöbeln, zu, um ihnen zu erklären, sie seien verhetzt.

1. die niederlage in den januarkämpfen - die ermordung rosa luxemburgs und karl liebknecht

am abend des 10. januar kommt die spartakuszentrale zum letzten mal zu einer besprechung zusammen, in der wohnung eines arztes mit namen dr. alfred bernstein (mathilde jacob berichtet, er sei "der bekannte anarchist und gebärstreikpropagandist") in der blücherstraße beraten sie bis tief in die nacht. die pogromhetze gegen sie hat mittlerweile solche ausmaße angenommen, daß sie öffentlich nicht mehr auftreten können. so können sie die kämpfe auch nicht mehr direkt beeinflußen, keine direkte agitations- und mobilisierungsarbeit mehr betreiben, ihnen bleibt nur die "rote fahne", um zu intervenieren, so schreibt rosa luxemburg in der "roten fahne" vom 11. januar 1919 über den zugleich überstürzten wie halbherzigen aufruf zum bewaffneten aufstand:
"
  • nachdem man vier tage lang die prächtigste stimmung und kampfenergie der massen durch völlige direktionslosigkeit hatte verzetteln und verpuffen lassen,
  • nachdem man durch zweimalige anknüpfung der unterhandlungen mit der regierung ebert-scheidemann die aussichten des revolutionären kampfes aufs schwerste erschüttert und die position der regierung aufs wirksamste gestärkt hatte,
entschlossen sich die revolutionären obleute endlich in der nacht vom mittwoch zum donnerstag
  • zum abbruch der unterhandlungen und zur aufnahme des kampfes auf der ganzen linie.
  • die parole generalstreik wurde herausgegeben
  • und der ruf: zu den waffen. (...)
es versteht sich von selbst, daß, wenn man die parole zum generalstreik und zur bewaffnung in die massen wirft, man alles tun muß, um die ernergischste durchführung der parole zu sichern.
  • nichts dergleichen ist von den obleuten unternommen worden!
  • sie beruhigten sich bei der nackten parole
  • und - beschlossen gleich am donnerstagabend, zum dritten male in unterhandlungen mit ebert-scheidemann einzutreten!
(...) der bisherige zustand der mangelnden führung, des fehlenden organisationszentrums der berliner arbeiterschaft ist unhaltbar geworden.
  • soll die sache der revolution vorwärtsgehen (...), dann muß sich die revolutionäre arbeiterschaft führende organe schaffen, die auf der höhe sind, die die kampfenergie der massen zu leiten und zu nutzen verstehen.
  • vor allem aber muß die nächste zeit der liquidierung der usp, dieses verwesenden leichnams, gewidmet werden, dessen zersetzungsprodukte die revolution vergiften.
"
am morgen des 11. januar können karl liebknecht und rosa luxemburg ihr illegales quartier zunächst nicht verlassen, weil die konterrevolutionären truppen, die das zeitungsviertel beschießen, direkt vor der haustür stehen. da sie aber schon erkannt worden sind, müssen sie weg. otto franke, der für karl liebknechts sicherheit verantwortlich ist, organisiert eine droschke, die wartend vor dem eingang steht, so gelingt ihnen die flucht.

es ist der morgen, an dem die bewaffneten revolutionäre im zeitungsviertel sich vor der militärischen überlegenheit der konterrevolutionären truppen ergeben müssen. sie schicken sechs parlamentäre, die über die kapitulationsbedingungen verhandeln sollen, einer von ihnen wird zurückgeschickt, um mitzuteilen, daß die konterrevolutionären truppen eine bedingungslose kapitulation verlangen und den eingeschlossenen revolutionären zehn minuten zeit einräumen, um sich in gefangenschaft zu begeben. nun beginnt das massaker. die anderen fünf parlamentäre werden unter peitschen- und gewehrkolbenschlägen zur garde-dragoner-kaserne (dem heutigen kreuzberger finanzamt am mehringdamm) getrieben und dort erschossen, rund 300 revolutionäre gefangene machen die noske-truppen im zeitungsviertel. einer der überlebenden berichtet später:
"unter den gemeinsten beschimpfungen gaffenden bürgerpöbels und unter mißhandlungen der soldateska mit hundepeitschen, gewehrkolben und fußtritten nach der dragonerkaserne geführt, mußten wir auf dem hofe der kaserne aufstellung nehmen. musterungen, anpöbelungen, beschimpfungen, stöße, ohrfeigen - ‘wo habt ihr eure rosa'?"
am 12. januar erobern die konterrevolutionären noske-truppen das polizeipräsidium zurück, sie beginnen damit, einzelne stadtteile vollständig abzusperren und die wohnungen systematisch zu durchsuchen. arbeiterInnen, bei denen waffen oder ein parteiausweis der kpd gefunden werden, werden sofort erschossen. in der alexander-kaserne im stadtzentrum internieren sie am 12. und 13. januar alle revolutionäre, derer sie habhaft werden können, mißhandeln tausende und ermorden zahlreiche gefangene. am 13. januar gibt es noch vereinzelte bewaffnete widerstandshandlungen der revolutionäre vor allem in moabit, am 14. januar 1919 haben die konterrevolutionären truppen alle kämpfe niedergeschlagen.

am 13. januar werden sophie liebknecht und der jüngste sohn karl liebknechts verhaftet. am 13. januar fällt auch mathilde jacob den konterrevolutionären in die hände: "ich konnte die briefe karl liebknechts und rosa luxemburgs unbemerkt in ein butterbrot schieben, das ich verzehren wollte, hätte man mir nicht gestattet, die toilette aufzusuchen. soldaten begleiteten mich dorthin, und erwarteten mich mit aufgepflanztem gewehr, während ich die briefe zerriß und durch das wasser in die tiefe spülen ließ." mathilde jacob wird in den reichstag gebracht, auch dort haben die konterrevolutionäre einen stützpunkt der repression, der folter und des mordes eingerichtet. als vermeintliche schwester rosa luxemburgs gilt sie den konterrevolutionären eher als geisel denn als "straftäterin", und wird in den knast nach moabit überstellt. unterwegs wird sie in ihre wohnung gebracht, die durchsucht werden soll. dort wartet paul levi (der nach der ermordung karl liebknechts und rosa luxemburgs provisorisch - bis zu dessen ermordung zusammen mit leo jogiches - die leitung der partei übernehmen wird) nichtsahnend auf sie und wird ebenfalls verhaftet. mathilde jacob sitzt in moabit, abgeschnitten von allen nachrichten: "nach einigen tagen besuchte mich ein junger anwalt in vertretung hugo haases. auf meine fragen, (...) anwortete er: ‘nichts neues, rosa luxemburg und karl liebknecht sind ermordet worden. nun ist wieder ruhe eingetreten.' - ich starrte den überbringer dieser nachricht an, konnte die tränen nicht zurückhalten und schluchzte unaufhörlich." durch den schock wird mathilde jacob so schwer krank, daß sie nach einer woche freigelassen wird.

karl liebknecht und rosa luxemburg hetzen unterdessen von einer illegalen wohnung zur nächsten. "sie (...) versuchten, so weit als möglich die trübe stimmung zu bannen und sich darüber hinwegzusetzen. rosa luxemburg meinte: ‘es ist traurig, daß man nicht einmal einen spaziergang machen kann, es ist ja hier schlimmer als im zuchthaus. das ist ja direkt freiheitsberaubung.‘
sie tauschten nun gegenseitig ihre ‘zuchthaus- und gefängniserinnnerungen aus. liebknecht erzählte unter anderem, daß er sich seine augen dadurch verdorben hätte, daß er bei dem von außen hereinscheinenden licht einer kleinen laterne gelesen hätte"
, so die erinnerung von otto franke. die redaktionsräume der "roten fahne" sind längst von den konterrevolution besetzt und verwüstet worden. rosa luxemburg und ihren genossInnen ist nur durch zufall die flucht gelungen. dennoch gelingt es ihnen, die zeitung noch bis zum 15. januar herauszubringen, in der "roten fahne" vom 13. januar schreibt rosa luxemburg:
"heute ist klar, daß ebert-scheidemann nur durch bajonette herrschen können. ist dem aber so, dann will das bajonett auch ohne ebert-scheidemann herrschen. (...) mögen diese gegnerischen kräfte für den augenblick durch ihre gewaltmittel oberhand gewinnen, den weiteren entwicklungsgang, den siegeszug der revolution aufzuhalten, sind sie völlig machtlos. (...) was auch morgen oder übermorgen als ergebnis und lösung der krise zustande kommen mag: es wird ein provisorium, es wird ein kartenhaus sein. (...) kaum werden die trümmer und die leichen dieser jüngsten episode hinweggetragen werden, tritt die revolution an .(...) ihre unermüdliche tagesarbeit (...). die spartakisten gehen ihren weg mit unerschütterlicher festigkeit weiter. die zahl der von ihnen gebrachten opfer wächst mit jeder woche. (...) desto fester und treuer werden sie morgen schon, nach neuer enttäuschung und ernüchterung, wieder zu der einzigen partei stehen, die keine kompromisse, keine schwankungen kennt, die ihren historisch vorgezeichneten weg geht, ohne nach rechts oder nach links zu schauen, ohne den feind und die gefahren zu zählen - bis zum siege."
in der "roten fahne" vom 14. januar stellt sie die rhetorische frage:
"war ein endgültiger sieg des revolutionären proletariats in dieser auseinandersetzung, war der sturz der ebert-scheidemann und eine aufrichtung der sozialistischen diktatur zu erwarten? gewiß nicht, wenn man alle momente reiflich in betracht zieht, die über die frage entscheiden. (...) war deshalb der kampf der letzten woche ein fehler? ja, wenn es sich überhaupt um einen absichtlichen ‘vorstoß´, um einen sogenannten ‘putsch´ handeln würde! was war aber der ausgangspunkt der letzen kampfwoche? wie in allen bisherigen fällen (...) eine brutale provokation der regierung! (...) die revolution agiert eben nicht aus freien stücken (...) nach einem schlau von ‘strategen‘ zurechtgelegten plan. (...) vor die tatsache der frechen provokation (...) gestellt, war die revolutionäre arbeiterschaft gezwungen, zu den waffen zu greifen. ja, es war ehrensache der revolution, sofort den angriff mit aller energie abzuschlagen, sollten nicht die gegenrevolution zu weiterem vordringen ermuntert, die revolutionären reihen des proletariats, der moralische kredit der deutschen revolution in der internationale erschüttert werden. (...) wie erscheint die niederlage dieser sogenannten spartakuswoche im lichte der obigen historischen frage? war sie eine niederlage aus stürmender revolutionsenergie und unzulänglicher reife der situation oder aber aus schwächlichkeit und halbheit der aktion?
beides! der zwiespältige charakter dieser krise, der widerspruch zwischen dem kraftvollen, entschlossenen, offensiven auftreten der berliner massen und der unentschlossenheit, zaghaftigkeit, halbheit der berliner führung, ist das besondere kennzeichen dieser jüngsten episode. (...) ‘ordnung herrscht in berlin!‘ ihr stumpfen schergen! eure ordnung ist auf sand gebaut. die revolution wird sich morgen schon ‘rasselnd wieder in die höh richten und zu eurem schrecken mit posaunenklang verkünden: ich war, ich bin, ich werde sein!"
die gesamte für die leserInnen außerhalb berlins bestimmte auflage dieser ausgabe wurde am anhalter bahnhof beschlagnahmt. in der vorerst letzten ausgabe der "roten fahne" am 15. januar 1919 erscheint eine einschätzung von karl liebknecht:
"wir sind nicht geflohen, wir sind nicht geschlagen. und wenn sie uns in bande werfen - wir sind da, und wir bleiben da! und der sieg wird unser sein (...). noch ist der golgathaweg der deutschen arbeiterklasse nicht beendet - aber der tag der erlösung naht. der tag des gerichts über die ebert-scheidemann-noske und für die kapitalistischen machthaber, die sich noch heute hinter ihnen verstecken. himmelhoch schlagen die wogen der ereignisse - wir sind es gewohnt, vom gipfel in die tiefe geschleudert zu werden. aber unser schiff zieht seinen geraden kurs fest und stolz dahin bis zum ziel. und ob wir dann noch leben werden, wenn es erreicht wird - leben wird unser programm; es wird die welt der erlösten menschheit beherrschen. trotz alledem!"
diese ausgabe wurde fast vollständig beschlagnahmt.

2. die mordnacht

am 14. januar wird den erinnerungen wilhelm piecks zufolge nun offenbar doch intensiver darüber nachgedacht, rosa luxemburg und karl liebknecht aus der stadt zu bringen. angesichts der flächendeckenden straßensperren ist es dazu aber zu spät. nur mit mühe gelingt es, überhaupt noch zu einem neuen illegalen quartier in der stadt zu kommen. in der hoffnung, dort vorerst noch von den systematischen hausdurchsuchungen verschont zu bleiben, verbringen rosa luxemburg und karl liebknecht die nacht zum 15. januar 1919 in der wohnung eines kaufmanns, der der uspd angehört, in der mannheimer straße in wilmersdorf. als wilhelm pieck sich dort am abend des 15. januar mit ihnen treffen will, um ihnen falsche papiere für den fall einer hausdurchsuchung zu bringen, ist sie bereits von konterrevolutionären truppen besetzt. wilhelm pieck wird beim betreten der wohnung festgenommen und findet dort rosa luxemburg alleine vor, karl liebknecht ist schon weggebracht worden.
"nach kurzer zeit wurden rosa luxemburg und ich nach dem eden-hotel gebracht. wir wurden schon erwartet, denn vor dem eingang befanden sich einige offiziere und soldaten, die uns mit großem gejohle und geschimpfe empfingen und die sich besonders gegenüber rosa luxemburg in der gemeinsten weise benahmen. ebenso gebärdeten sich die in großer masse im vestibül herumlaufenden soldaten. noch gemeiner benahmen sich die im hotel einlogierten gäste, die auf den korridoren enggedrängt standen und die soldaten gegen die beiden gefangenen aufhetzten. alles deutete darauf hin, daß die erzeugte pogromstimmung hier einen ihrer scheußlichsten ausbrüche finden würde. rosa luxemburg wurde sofort in die erste etage des hotels gebracht, wo ein hauptmann pabst als sogenannter gerichtsherr sie einer vernehmung unterzog.

ich wurde unten im vestibül festgehalten und hörte, daß karl liebknecht sich ebenfalls im haus befand. die offiziere unterhielten sich offen miteinander und mit den soldaten darüber, daß keiner von uns lebend das hotel verlassen würde. nach ungefähr zehn minuten wurde ich ebenfalls nach dem ersten stock gebracht und dort in eine nische gestellt, wobei mir mit erschießen gedroht wurde, falls ich diesen platz verließe. gleich darauf wurde genosse liebknecht von soldaten aus dem verhandlungszimmer nach unten geführt. von den hotelgästen (...) wurde auch er in der gemeinsten weise angepöbelt.

nach weiteren zehn minuten wurde genossin rosa luxemburg nach unten gebracht (...) aus dem vestibül des hotels hörte ich einen großen tumult und den aufschrei einer weiblichen stimme. ein dienstmädchen des hotels kam in die erste etage gestürzt und rief einer ihrer kolleginnen ganz verstört zu: nein, ich werde den anblick nicht wieder los, wie man die arme frau niedergeschlagen und umhergeschleift hat!‘ ein ihr nachfolgender unteroffizier erklärte zynisch: ‘so, die sind erledigt!‘ die hotelgäste wurden aufgefordert, die korridore zu verlassen, das schauspiel war zu ende, eine unheimliche stille setzte ein, die beiden mich bewachenden soldaten wurde von einem einzelnen soldaten, dem ein offizier leise instruktionen gab, abgelöst (...), der (...) den auftrag erhalten hatte, mich im korridor sofort zu erschießen. (...)ich ging (...) kurz entschlossen in das zimmer des hauptmanns pabst, um von diesem meine sofortige freilassung zu verlangen, es kam mir dabei zugute, daß ich einen nicht auf meinen namen lautenden paß mit mir führte. (...) ich (...) gab mich als bürgerlicher journalist aus, und es gelang mir, die offiziere wenigstens insofern zu täuschen, daß sie (...) mich in militärgewahrsam abführen ließen."
von dort kam er auf verschiedenen umwegen ins polizeipräsidium, wo ihm am 17. januar die flucht gelang. die presse titelte postwendend:
"liebknecht auf der flucht erschossen! rosa luxemburg von der menge getötet!"

3. nach der niederlage - nationalversammlung und abwehrkämpfe

paul levi und leo jogiches übernehmen vorerst die leitung der partei, müssen aber aus berlin flüchten, erst nach frankfurt/main, dann nach leipzig. die "rote fahne" kann erst am 12. februar mit einem ausführlichen bericht über die ermordung von karl liebknecht und rosa luxemburg wieder erscheinen. hunderttausende nehmen am 25. januar am trauerzug zur beerdigung von karl liebknecht und 31 weiteren ermordeten genossInnen teil. der trauerzug bewegt sich durch ein dichtes spalier konterrevolutionärer truppen. er ist ein schweigemarsch mit vielen roten fahnen und transparenten, auf denen nur ein wort steht: "mörder !". von den 32 särgen, die mit karl liebknechts sarg in friedrichsfelde beerdigt werden, ist einer leer, er ist für rosa luxemburg, deren leiche erst ende mai im landwehrkanal gefunden wird. für die bergung der leiche wird mathilde jacob eine gebühr zahlen und sie dann gegen noskes widerstand, der rosa luxemburgs leiche nach zossen abtransportieren läßt, um eine obduktion zu verhindern, freikämpfen müssen. als sie die leiche nach einer woche nach berlin überführen kann, bewacht sie sie eine woche lang. hunderttausende kommen auch zu ihrer beerdigung am 13. juni 1919. nach der ermordung von karl liebknecht und rosa Luxemburg setzt für die revolutionäre linke eine schockartige zäsur ein. mit dem zusammentritt der nationalversammlung und in den folgenden wochen und monaten kommt es zu einem neuen aufflammen erbitterter, zum teil wiederum bewaffneter auseinandersetzungen. rosa luxemburg hatte im zusammenhang mit den beginnenden januarkämpfen mit blick auf die vertretern von kpd, uspd und obleuten gemeinsam übertragene leitung darauf verwiesen, es würden
"
  • die allerelementarsten regeln der revolutionären aktion (...) vernachlässigt (...).
  • wenn die massen auf die straße gerufen werden, (...) muß ihnen klar und deutlich gesagt werden, (...) was vorgeht, was von freund und feind getan und geplant wird.
  • (...) aber die massen müssen eben nicht bloß gerufen, sondern auch politisch tätig sein.
"
im zusammenhang mit dem aufruf zum bewaffneten aufstand hatte sie unmißverständlich erklärt:
"der bisherige zustand der mangelnden führung, des fehlenden organisationszentrums der berliner arbeiterschaft ist unhaltbar geworden."
die revolutionäre arbeiterschaft müsse sich
"führende organe schaffen, die auf der höhe sind, die die kampfenergie der massen zu leiten und zu nutzen verstehen,"
und vor allem müsse
"die nächste zeit der liquidierung der usp, dieses verwesenden leichnams, gewidmet werden."
die niederlage in den januarkämpfen hatte sie beschrieben als ergebnis sowohl
"unzulänglicher reife der situation"
als auch von
"schwächlichkeit und halbheit"
"beides! der zwiespältige charakter dieser krise, der widerspruch zwischen dem kraftvollen, entschlossenen, offensiven auftreten der berliner massen und der unentschlossenheit, zaghaftigkeit, halbheit der berliner führung, ist das besondere kennzeichen dieser jüngsten episode."
der so umrissene und für unhaltbar befundene zustand wird nun zum bestimmenden moment der folgenden kämpfe. zwischen februar und april 1919 finden vor allem im ruhrgebiet, in sachsen und thüringen und in württemberg generalstreiks, massenkundgebunden und -demonstrationen statt, dort und insbesondere in halle kommt es zu erbitterten kämpfen. schließlich wird am 13. april in münchen die bayerische räterepublik ausgerufen, die sich gegen die militärische übermacht der konterrevolutionären truppen bis zum 3. mai halten kann. am ende dieser kämpfe ist die novemberrevolution geschlagen, 15.000 kämpfende arbeiterInnen sind in den bewaffneten auseinandersetzungen getötet oder von den konterrevolutionären truppen ermordet worden. franz mehring stirbt am 28. januar 1919, von der niederlage und der ermordung vor allem rosa luxemburgs, mit der er jahrzehntelang eng zusammen gearbeitet und gekämpft hatte, bis ins innerste getroffen. leo jogiches wird am 10. märz in neukölln gefangen genommen und nach moabit gebracht, dort schwer mißhandelt und erschossen.

4. clara zetkins kampf um die kontinuität des revolutionären bruchs

clara zetkin schreibt am 18. januar an mathilde jacob:
"gestern früh kam die entsetzliche kunde (...) ich war fest entschlossen, trotz krankheit, verkehrsschwierigkeiten und rosas abmahnungen nach berlin zu reisen, um dort himmel und hölle zum schutz der beiden teuren, unersetzlichen in bewegung zu setzen. da kamen schon die morgenblätter. alles aus! (...) ich begreif es nicht, daß das leben ohne karl und rosa seinen gang weitergehen kann, daß draussen die sonne scheint (...). mathilde, mathilde, werden wir es tragen können, ohne die beiden, ohne rosa zu leben? der versuch, es zu tun, hat für mich nur einen sinn, dem leben diesen inhalt zu geben: im geist der beiden unter den massen und mit den massen zu arbeiten und zu kämpfen, darüber zu wachen, dafür zu sorgen, daß der geist der gemeuchelten führend bleibt. (...) dazu gehört auch, daß rosas arbeiten gesammelt und herausgebracht werden."
clara zetkin hat vor allem wegen ihrer krankheit am gründungsparteitag der kpd nicht teilnehmen können, schwankte auch bis zuletzt, ob es richtig sei, den bruch zur uspd zu vollziehen, allerdings vertritt sie in allen fragen und überall, wo sie öffentlich auftritt oder funktionen innehat (unter anderem als abgeordnete der verfassungsgebenden württembergischen landesversammlung) beharrlich die inhaltlichen positionen des spartakusbundes. ende februar fährt sie nach berlin, wo vom 2. bis 6. märz ein parteitag der uspd geplant ist, auf dem parteitag hält sie eine mehrstündige rede. in der sie mit der politik der uspd abrechnet. sie sagt gegen ende ihrer rede:
"mich stellt die situation vor die schwerste und bitterste entscheidung meines lebens. wie die dinge liegen, erkläre ich offen: für mich persönlich ist ein weiteres zusammengehen mit der rechten in der usp ein ding der unmöglichkeit. ich sehe mich vor die notwendigkeit gestellt, die grenzlinie zwischen jener richtung und mir mit der äußersten schärfe zu ziehen. fast seit 40 jahren kämpfe ich für das sozialistische ideal. so alt ich bin - und ich habe vielleicht nicht mehr viele tage vor mir -‚ will ich doch die zeit, in der ich noch wirken kann, dort stehen, dort kämpfen, wo das leben ist, und nicht dort, wo mir zersetzung und schwäche entgegenstarren. ich will mich nicht lebendigen geistes vom politischen tod anhauchen lassen."
gleichwohl noch immer von selbstzweifeln verunsichert, ereilt sie bei ihrer rückkehr nach stuttgart die nachricht von der ermordung von leo jogiches. an mathilde jacob schreibt sie am 24. märz: "ja, es ist so, mit l. haben die verbrecher rosa ein zweites mal erschlagen. mit ihm lebte sie uns weiter. was haben wir verloren (...). wir müssen beweisen, daß die partei lebt, auch wenn der mann gefallen ist, daß sie lebt und kämpft."

damit ist ihr entschluß gefallen, sie wird sich nicht mehr davor drücken können, ganz persönlich die kontinuität des revolutionären bruchs zu gewährleisten, schon diktiert sie nach berlin maßgaben, wie die bevorstehenden frauentagsversammlungen organisiert werden müssen und teilt konkrete maßnahmen für die herausgabe einer eigenen frauenzeitung, um deren herausgabe leo jogiches sie vor seiner ermordung gebeten hatte, mit. sie will zumindest für eine begrenzte zeit bis zur verbindlichen regelung aller fragen der weiteren parteiarbeit nach berlin übersiedeln. das allerdings verbieten ihr ihre genossInnen, da sie die Lage in berlin noch immer für zu gefährlich halten. "all diese tage bis zur erschöpfung" arbeitet sie nun, über ihre antriebskraft schreibt sie an mathilde jacob: "oft beschleicht mich die frage, warum gerade ich weiter leben soll".

auf der reichskonferenz der kpd am 29. märz in frankfurt/main wird sie in die zentrale der partei gewählt, sie und paul levi haben sich vollends der verteidigung der kontinuität des revolutionären bruchs verschrieben, die beiden werden auch als die einzigen beiden kommunistischen abgeordneten im ersten reichstag nach der novemberrevolution sitzen.

als ab 1920, clara zetkin hat am 20. juni 1923 dem erweiterten plenum des exekutivkomitees der kommunistischen internationale einen bericht über den
"kampf gegen den faschismus"
gegeben, der praktisch den einzigen relevanten kommunistischen versuch einer antizipierenden faschismusanalyse darstellt, der ansätze für eine fundierte antifaschistische politik der kpd und der internationale hätte bieten können. ausgehend von der grundannahme, daß der faschismus
"keineswegs die rache der bourgeoisie dafür, daß das proletariat sich kämpfend erhob"
sei, sondern
"historisch, objektiv betrachtet, (...) der faschismus vielmehr als strafe"
komme,
"weil das proletariat nicht die revolution, die in rußland eingeleitet worden ist, weitergeführt und weitergetrieben hat,"
stellt sie sich der realität,
"daß träger des faschismus (...) nicht eine kleine kaste"
ist,
"sondern es sind breite soziale schichten, große massen, die selbst bis in das proletariat hineinreichen (...) nur wenn wir verstehen, daß der faschismus eine zündende, mitreißende wirkung auf breite soziale massen ausübt, die die frühere existenzsicherheit und damit häufig den glauben an die ordnung von heute schon verloren haben, werden wir ihn bekämpfen können. (...) tausendköpfige massen strömten dem faschismus zu. er wurde ein asyl für politisch obdachlose, für sozial entwurzelte, für existenzlose und enttäuschte. und was sie alle nicht erhofften von der revolutionären klasse des proletariats und vom sozialismus, das erhoffen sie als werk der ‘tüchtigsten, stärksten, entschlossensten, kühnsten elemente‘ aller klassen, die zu einer gemeinschaft zusammengefaßt werden müssen. diese gemeinschaft ist für die faschisten die nation. (...) vergessen wir nicht, daß der faschismus in italien, ehe er durch akte des terrors das proletariat niederschlug, einen ideologischen und politischen sieg über die arbeiterbewegung errungen hatte (...) wir müssen uns darüber klar sein, daß hier unstreitig wachsende massen einen ausweg aus den furchtbaren nöten der zeit suchen. dabei geht es keineswegs nur darum, den magen zu füllen, nein, die besten elemente von ihnen suchen einen ausweg aus tiefer seelennot. sie begehren neue feste hoffnungen, neue unerschütterliche ideale, eine weltanschauung, auf grund derer sie die natur, die gesellschaft, ihr eigenes leben begreifen (...). wenn ich im sinne dieser gedankengänge sage: ‘heran an die massen!‘, so sei betont, was eine voraussetzung des erfolges ist, wir dürfen das wort goethes nicht vergessen: ‘getretener quark wird breit, nicht stark.‘ wir müssen unsere kommunistsche ideologie ganz stark, ganz klar erhalten. (...) wir dürfen uns nicht breit, quallenartig in die massen ausgießen. das würde zum schädlichsten opportunismus führen (...). von dem augenblicke an, wo wir durch konzessionen an den unverstand der massen - neuer und alter massen - unsere wahre existenz als partei aufgeben, verlieren wir das, was für die suchenden das wichtigste, das bindende ist: die flamme des neuen geschichtlichen lebens, die leuchtet und wärmt, hoffnung gibt und kampfkraft."
hier ist clara zetkin am kern der revolutionären auffassungen ihrer ermordeten genossInnen, ihre ansätze für antifaschistische politik - sind im rückblick eine schallende ohrfeige für die gegen den faschismus gerichtete, wahlweise agitation der kpd - ihre ansätze haben weder in den kpd noch in der internationale auch nur eine ernstzunehmende diskussion auszulösen vermocht.

1932 wird sich die partei ihrer noch einmal bedienen, als alterspräsidentin des reichstags hält sie die eröffnungsrede. eigens zu diesem zweck aus der udssr unter massiven sicherheitsvorkehrungen angereist, wird sie sich die wenigen tage um die eröffnungssitzung herum in illegalen quartieren versteckt halten angesichts der von den nazis ausgelösten pogromhetze gegen die "moskowiterin", die "kommunistische jüdin", die "des hochverrats schuldige" clara zetkin (völkischer beobachter). unmittelbar nach ihrer rede kehrt sie in die sowjetunion zurück, wo sie am 20. juni 1933 stirbt.

5. mathilde jacob

mathilde jacob bleibt nach rosa luxemburgs ermordung - insgesamt weitgehend zurückgezogen - mit clara zetkin und paul levi in kontakt. für paul levi arbeitet sie bis zu dessen tod 1930. damit endet ihre beziehung zur aktiven politik der arbeiterbewegung. zwischen 1933 und 1938 wird es für sie als jüdin immer schwieriger, arbeit zu finden. deshalb ist sie erleichtert, als sie ab 1938 rente beziehen kann. noch immer hütet sie die manuskripte und unterlagen rosa luxemburgs gewissenhaft in ihrer wohnung. die partei hat an ihnen keinerlei interesse. clara zetkins forderung unmittelbar nach ihrer ermordung, rosa luxemburgs schriften müßten unbedingt geschlossen veröffentlicht werden, ist das letzte, woran die partei interesse hätte. mal des rechtsabweichlertums, mal als linksradikale beschimpft, interessiert rosa luxemburg die partei lediglich als märtyrerin. nach kriegsbeginn und angesichts der stetig eskalierenden gefahr, deportiert zu werden, sorgt mathilde jacob unter abenteuerlichen bedingungen dafür, daß sämtliche unterlagen rosa luxemburgs in die usa geschmuggelt werden. sie selbst wird am 27. juli 1942 nach theresienstadt deportiert. sie ist nicht zurückgekommen.

X. schluß

von der geballten, traumatisierenden wucht der niederlage in der novemberrevolution, für die die ermordung karl liebknechts und rosa luxembungs brennpunktartig steht, sollte sich die revolutionäre linke in deutschland bis auf weiteres nicht erholen. nicht, weil dieser rückschlag zwangsläufig den revolutionären prozeß zurückwarf, die erfahrungen von stärke und geschichtsmächtigkeit notwendigerweise auslöschte, sondern weil sie den verlust derer nicht wettmachen konnte, die für den politischen prozeß des kampfes um den revolutionären bruch, der zur gründung der kpd führte, ganz wesentlich die umfassenden vorstellungen entwickelt und ihnen nachhaltig und durchaus auch konfrontativ geltung verschafft hatten. verbunden mit der zermürbung in den real erlittenen niederlagen nach jahren des hungers und der sozialen verelendung im krieg und dem verlust von 15.000 ermordeten genossInnen aus allen bereichen des eben im aufbau befindlichen parteilebens, entsteht eine situation,
in der die kpd

XI. erläuterungen zu einigen namen und begriffen: blanqui - revisionismus und opportunismus - exproptiation der expropriateure

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blanqui
louis-auguste blanqui (1805 bis 1881) war ein stark auf das primat der bewaffneten eroberung der politischen macht orientierender französischer revolutionär, zweimal wegen seiner leitenden teilnahme an aufständen zum tode verurteilt, verbrachte er mit unterbrechungen insgesamt 36 jahre als politischer gefangener in französischen knästen und strafkolonien. in den l830ern initiierte er verschiedene revolutionäre geheimbünde, so auch die "societe des saisons", die mit blanqui und armand barbes als leitung den von militär und nationalgarde niedergeschlagenen aufstand vom 12. mai 1839 organisierte.
über seine rolle in der februarrevolution von 1848 schrieb karl marx:
"die februarrevolution war von arbeitern erkämpft unter dem passiven beistand der bourgeoisie. die proletarier betrachteten sich mit recht als die sieger des februar (...). so wie die februarrepublik mit ihren sozialistischen zugeständnissen einer schlacht des mit der bourgeoisie gegen das königtum vereinigten proletariats bedurfte, so war eine zweite schlacht nötig, um die republik von den sozialistischen zugeständnissen zu scheiden. (...) mit den waffen in der hand mußte die bourgeoisie die forderungen des proletariats widerlegen. (...) das proletariat beschleunigte die entscheidung, als es den 15. mai in die nationalversammlung drang, seinen revolutionären einfluß erfolglos wiederzuerobern suchte und nur seine energischen führer den kerkermeistern der bourgeoisie ausgeliefert hatte. blanqui organisierte diesen überfall auf die nationalversammlung, der die versammlung auflösen und eine neue provisorische regierung einsetzen sollte, in den jahren nach der revolution spielten blanqui und seine genossinnen eine wichtige rolle in der internationalen arbeiter-assoziation (erste internationale)."
karl marx und friedrich engels scAhrieben 1850: "von den französischen revolutionären hat sich namentlich die eigentliche proletarische partei, deren chef blanqui ist, an uns angeschlossen. die delegierten der blanquischen geheimen gesellschaften stehen in regelmäßiger und offizieller verbindung mit den delegierten des bundes, denen sie wichtige vorarbeiten für die nächste französische revolution übertragen haben," blanqui selbst gründete mit anderen revolutionären gefangenen im knast von beileile-en-mer das blanquistische gefangenenkollektiv "societe des amis de l‘egalite". am 24. februar 1851 fand in london das "bankett der gleichen" statt, eine von blanquisten und kleinbürgerlichen emigranten zusammen organisierte internationale kundgebung zum jahrestag der februarrevolution. aus dem knast schickte ihnen blanqui einen trinkspruch, in dem er die gemeinsame kundgebung kritisierte und die kleinbürgerlichen emigranten politisch massiv angriff, woraufhin der trinkspruch kurzerhand unter den tisch fallen gelassen wurde. karl marx und friedrich engels übersetzten diesen trinkspruch und ließen ihn in einer auflage von 30.000 stück drucken und vertreiben. einleitend schrieben sie: "einige elende betrüger des volkes (...) feierten in london den jahrestag der februarrevolution. (...) sie schrieben auch an blanqui, den edlen märtyrer des revolutionären kommunismus, um eine adresse. er antwortete ihnen mit dem folgenden toast", in dem es unter anderem hieß:
"welche klippe bedroht die revolution von morgen? die klippe, an welcher die revolution von gestern gescheitert ist, die beklagenswerte popularität verkappter bourgeois, die die rolle von volkstribunen spielen. (...) wehe uns, wenn am nahen tage des volkstriumphs die vergeßliche nachsicht der massen einen dieser menschen, die ihr mandat geschändet haben, wieder zur gewalt gelangen ließe! (...) dieselben taschenspieler würden wiederkehren, um ihre alten stücke von neuem zu spielen, sie würden den ersten ring bilden in einer neuen kette noch wütenderer reakAtionen. fluch ihnen und rache, wenn sie wiederzuerscheinen wagten! (...) verräter wären diejenigen, die, auf den schultern des proletariats zur regierung erhoben, nicht sogleich folgendes ins werk setzten: 1. die allgemeine entwaffnung der bourgeoisgarden: 2. die bewaffnung und militärische Organisation aller arbeiter. (...) nicht ein einziges gewehr darf in den händen der bourgeois bleiben, ohne das kein heil! (...) wer eisen hat, hat brot. man sinkt auf die knie vor den bajonetten, man fegt waffenlose haufen wie spreu hinweg. frankreich, gespickt mit bewaffneten arbeitern - das ist die ankunft des sozialismus. (...) aber für die proletarier, die sich mit lächerlichen straßenpromenaden, mit freiheitsbäumen, mit wohlklingenden advokatenphrasen die zeit vertreiben lassen, gibt es zuerst weihwasser, dann beleidungen, endlich kartätschen und immer elend! das volk mag wählen!"
als am 31. oktober 1870 die kapitulation der französischen truppen vor der preußischen übermacht und die aufnahme von friedensverhandlungen durch thiers bekannt wurden, kam es zu einem aufstand der pariser arbeiterinnen mit unterstützung von teilen der nationalgarde, sie besetzten das stadthaus und bildeten als revolutionäres machtorgan einen wohlfahrtsausschuß mit blanqui an der spitze. die regierung sagte daraufhin in verhandlungen ihren rücktritt und wahlen zur kommune für den 1. november zu. schlecht organisiert und untereinander zerstritten - und angesichts der zusagen der regierung offenbar auch etwas übermütig - wurde der wohlfahrtsausschuß jedoch entgegen den zusagen der regierung von den regierungstreu gebliebenen teilen der nationalgarde überfallen und der aufstand niedergeschlagen. blanqui kam erneut in den knast und wurde zum tode verurteilt, daher befand er sich auch während des kampfes der pariser kommune im knast in clairvaux, gleich zweimal wurde er bei den wahlen in die kommune gewählt, konnte aber nicht befreit werden. nachdem die kommune als druckmittel zu ihrer verteidigung geiseln, darunter den erzbischof Avon paris, genommen hatte, entstand folgende von karl marx und friedrich engels beschriebene situation: "die kommune hatte aber und abermal angeboten, den erzbischof und einen ganzen haufen pfaffen in den kauf auszuwechseln gegen den einzigen von thiers festgehaltenen blanqui. thiers weigerte sich hartnäckig, er wußte, daß er der kommune mit blanqui einen kopf geben werde, während der erzbischof seinen zwecken am besten dienen würde als - leiche."
nach der niederschlagung der kommune kam es auf dem internationalen kongress in den haag 1872 zum bruch mit den blanquisten. während karl marx und friedrich engels wie die mehrheit der kongressteilnehmerInnen es in auswertung der niederlage der kommune für dringend geraten hielten, das verhältnis von politischer revolution und klassenkampf genauer zu reflektieren und vor allem die revolutionären kräfte in einem systematischen politischen prozeß erst einmal wieder zu sammeln, beharrten die blanquisten auf der notwendigkeit einer schnellstmöglichen bewaffneten rückeroberung der politischen macht in frankreich. als sie davon auf dem kongress keine mehrheit überzeugen konnten, zogen sie sich aus der ersten internationale zurück, in den folgenden zwanzig jahren zersplitterten sie, lediglich in paris hatte eine der aus diesem zerfall hervorgegangenen gruppierungen zusammen mit der strömung der possibilisten (eine auf die unmittelbare durchsetzbarkeit und "machbarkeit" politischer vorstellungen orientierte opportunistische Strömung) noch bis in die 1890er eine relativ breite massenbasis; für die entwicklung der kommunistischen französischen arbeiterbewegung spielten sie aber keine entscheidende rolle mehr, friedrich engels charakterisierte blanqui in einer 1874/75 geschriebenen kritik an der von teilen der blanquisten entwickelten programmatik nach der niederlage der kommune: "blanqui ist wesentlich politischer revolutionär, sozialist nur dem gefühl nach, mit den leiden des volks sympathisierend. aber er hat weder eine sozialistische theoArie noch bestimmte praktische vorschläge sozialer abhülfe. in seiner politischen tätigkeit war er wesentlich mann der tat, des glaubens, daß eine kleine wohlorganisierte minderzahl, die im richtigen moment einen revolutionären handstreich versucht, durch ein paar erste erfolge die volksmasse mit sich fortreißen und so eine siegreiche revolution machen kann (...). blanqui ist ein revolutionär der vorigen generation."
revisionismus und opportunismus
der revisionismus berief sich auf den von karl marx und friedrich engels nach den niederlage der kommune begonnenen reflexionsprozeß zum verhältnis von politischer revolution und klassenkampf. zum beleg, karl marx und friedrich engels hätten im zusammenhang mit diesem reflexionsprozeß ihre vorstellung, der revolutionäre kampf um die soziale revolution stehe für das proletariat als unmittelbare aufgabe auf der tagesordnung, revidiert (daher revisionismus), gelten insbesondere zwei äußerungen. zum einen ihr gemeinsames vorwort zur deutschen ausgabe des kommunistischen manifests von 1872, zum anderen friedrich engels 1895 (wenige monate vor seinem tod) geschriebene einleitung zu karl marx‘ "klassenkämpfe in frankreich", auf diesen entwicklungsstrang bezieht rosa luxemburg sich zur erklärung des revisionismus auch in ihrer rede auf dem gründungsparteitag der kpd.
im vorwort der deutschen ausgabe des manifests von 1872 schrieben karl marx und friedrich engels: "wie sehr sich auch die verhältnisse in den letzten fünfundzwanzig jahren geändert haben, die in diesem manifest entwickelten allgemeinen grundsätze behalten im ganzen und großen auch heute noch ihre volle richtigkeit. einzelnes wäre hier und da zu bessern. die praktische anwendung dieser grundsätze, erklärt das manifest selbst, wird überall und jederzeit von den geschichtlich vorliegenden umständen abhängen, und wird deshalb durchaus kein besonderes gewicht auf die am ende von abschnitt II vorgeschlagenen revolutionären maßregeln gelegt. dieser passus würde Aheute in vieler beziehung anders lauten, gegenüber der immensen fortentwicklung der großen industrie in den letzten fünfundzwanzig jahren und der mit ihr fortschreitenden parteiorganisation der arbeiterklasse. gegenüber den praktischen erfahrungen, zuerst der februarrevolution und noch weit mehr der pariser kommune, wo das proletariat zum erstenmal zwei monate lang die politische gewalt innehatte, ist heute dies programm stellenwesie veraltet. namentlich hat die kommune den beweis geliefert, daß die arbeiterklasse nicht die fertige staatsmaschine einfach in besitz nehmen und sie für ihre eignen zwecke in bewegung setzen kann."
daß die mittel revolutionärer politik taktisch und strategisch stets von den jeweiligen konkreten kampfbedingungen abhängen, liegt auf der hand, daß es nach der niederlage der kom-

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mune geboten war, das konzept der vom proletariat erkämpften politischen revolution als mehr oder minder automatische garantin für die durchsetzung der sozialen revolution zu einer vertieften, prozeßhafteren auffassung vom verhältnis von politischer revolution und klassenkampf weiterzuentwickeln, ebenso, daß karl marx und friedrich engels nachdrücklich wert darauf legten, daß dieser reflexionsprozeß konzentriert und systematisch angepackt wird, verband sich mit der notwendigkeit, angesichts des massakers an den kommune und der damit verbundenen verschiebung des schwergewichts der organisierten arbeiterbewegung von frankreich nach deutschland, alle verfügbaren kräfte zu sammeln und organisiert verbindliche strukturen zu entwickeln. daraus ergab sich ihre mitunter harsche abgrenzung gegen all jene strömungen, die am primat der bewaffneten eroberung der politischen macht festhielten, weil diese sich aus ihrer sicht dem für die fortentwicklung revolutionärer politik notwendigen politischen wie dem für den aufbau der zweiten internationale erforderlichen organisatorischen prozeß gleichermaßen entgegenstellten.
vor diesem hintergrund sind die zugespitzten formulierunAgen von friedrich engels in seiner "einleitung zu marx ´klassenkämpfe in frankreich´" zu verstehen. kurz nach der aufhebung der sozialistengesetze sah sich die sozialdemokratische reichstagsfraktion mit einer wachsenden linksradikalen innerparteilichen opposition konfrontiert. vor diesem hintergrund nahm die fraktion nachhaltigen einfluß auf den an dieser einleitung schreibenden alten engels. in entsprechender art und weise dargestellt, hat das von der fraktion geschilderte gespenst der linksradlkalen kräfte in der partei engels kurz vor seinem tod zu vermeintlich gezielten, deutlichen worten gedrängt. ausgehend vom wachstum der deutschen partei und ihren wahlerfolgen schrieb er: "dies wachstum ununterbrochen in gang zu halten, bis es dem gegenwärtigen regierungssystem von selbst über den kopf wächst, diesen sich täglich verstärkenden gewalthaufen nicht in vorhutkämpfen aufreiben, sondern ihn intakt zu erhalten bis zum tage der entscheidung, das ist unsere hauptaufgabe. (...) die ironie der weltgeschichte stellt alles auf den kopf. wir, die ‘revolutionäre‘, die ‘umstürzler´, wir gedeihen weit besser bei den gesetzlichen mitteln als bei ungesetzlichen und dem umsturz. die ordnungsparteien, wie sie sich nennen, gehen zugrunde an dem von ihnen selbst geschaffenen gesetzlichen zustand, (...) und wenn wir nicht so wahnsinnig sind, ihnen zu gefallen uns in den straßenkampf treiben zu lassen, dann bleibt ihnen zuletzt nichts anderes, als selbst diese ihnen so fatale gesetzlichkeit zu durchbrechen," es gebe nur einen "einzigen weg (...)‚ auf dem man den arbeitern, die sich nun einmal nicht in den strassenkampf locken lassen, vielleicht noch beikommen kann. bruch der verfassung, diktatur, rückkehr zum absolutismus (...). brechen sie also die reichsverfassung, so ist die sozialdemokratie frei, kann ihnen gegenüber tun und lassen, was sie will. was sie dann tun wird - das bindet sie ihnen heute schwerlich auf die nase." diese aussagen von friedrich engels, in denen die sozialdemokratischen fAraktionen und parteiinstanzen fortan den freibrief für ihren - von den revisionistischen ideologen, allen voran bernstein und kautsky, tüchtig idealistisch unterfütterten - legalistischen kurs des "nur-parlamentarismus" (wie rosa luxemburg es nannte) zu erblicken vorgaben, standen jedoch für engels selbst in einem dieser freibriefdeutung durchaus entgegengesetzen bezugsrahmen. im zusammenhang mit seiner kritik am blanquismus hatte engels 1874/75 den deutschen kommunismus charakterisiert: "die deutschen kommunisten sind kommunisten, weil sie durch alle zwischenstationen und kompromisse, die nicht von ihnen, sondern von der geschichtlichen entwicklung erschaffen werden, das endziel klar hindurchsehen." 1894 fügte er an dieser stelle angesichts der erstarkenden revisionistischen strömung hinzu: "‚und verfolgen."
beim revisionistischen chefideologen bernstein heißt dieser satz:
"ich gestehe es offen, ich habe für das, was man gemeinhin unter endziel des sozialismus versteht, außerordentlich wenig sinn und interesse. dieses ziel, was immer es sei, ist mir gar nichts, die bewegung alles."
bernstein fährt fort:
"und unter bewegung verstehe ich sowohl die allgemeine bewegung der gesellschaft, d.h. den sozialen fortschritt, wie die politische und wirtschaftliche agitation und organisation zur bewirkung dieses fortschritts. die sozialdemokratie hat also danach den baldigen zusammenbruch des bestehenden wirtschaftssystems, wenn er als produkt einer großen verheerenden geschäftskrisis gedacht wird, weder zu gewärtigen, noch zu wünschen, was sie zu tun, und noch auf lange zeit hinaus zu tun hat, kt. die arbeiterklasse politisch zu organisieren und zur demokratie auszubilden, und für alle reformen im staate zu kämpfen, welche geeignet sind, die arbeiterklasse zu heben und das staatswesen im sinne der demokratie umzugestalten."
in der demokratie erblickte bernstein dies:
"in der demokratie lernen die parteien und die hinter ihr stehenden klassen bald die grAenzen ihrer macht kennen und sich jedesmal nur so viel vornehmen, als sie nach lage der umstände vernünftigerweise hoffen können, durchzusetzen. selbst wenn sie ihre forderungen etwas höher spannen, als im ernst gemeint, um beim unvermeidlichen kompromiß - und die demokratie ist die hochschule des kompromisses - ablassen zu können, geschieht es mit maß."
bernstein hatte bereits im august 1879 in, "jahrbuch für sozialwissenschaft und sozialpolitik" mit karl höchberg und carl august schramm unter dem titel "rückblicke auf die sozialistische bewegung in deutschland" seine bahnbrechenden überlegungen veröffentlicht. karl marx und friedrich engels schrieben dazu einen rundbrief an august bebel, wilhelm liebknecht und die leitung der deutschen partei, in dem sie, noch ehe der revisionismus, der doch seine wurzeln im nachdenken der beiden alten nach der niederlage der kommune zu haben vorgab, überhaupt zur vollen blüte seines idealistischen wahns heranreifen konnte, die eigentliche bedeutung seiner entwicklungslinien in einer klarsichtigkeit vorzeichneten, der bis heute nichts wesentliches hinzuzufügen ist. dort schreiben karl marx und friedrich engels:
"es läßt an deutlichkeit nichts zu wünschen, (...) es sind die repräsentanten des kleinbürgertums, die sich anmelden, voll angst, das proletariat, durch seine revolutionäre lage gedrängt, möge zu weit gehn. statt entschiedener politischer opposition - allgemeine vermittlung; statt des kampfes gegen regierung und bourgeoisie - der versuch, sie zu gewinnen und zu überreden; statt trotzigen widerstands gegen mißhandlungen von oben - demütige unterwerfung und das zugeständnis, man habe die strafe verdient. alle historisch notwendigen konflikte werden umgedeutet in mißverständnisse und alle diskussionen beendigt mit der beteuerung: in der hauptsache sind wir ja alle einig. die leute, die 1848 als bürgerliche demokraten auftraten, können sich jetzt ebensogut sozialdemokraten nennen. wie jenen die demokratische republik, so liegAt diesen der sturz der kapitalistischen ordnung in unerreichbarer ferne, hat also absolut keine bedeutung für die politische praxis der gegenwart; man kann vermitteln, kompromisseln, philantrophisieren nach herzenslust, (...) die sozialdemokratische partei (...) soll nicht den haß der bourgeoisie oder überhaupt jemandes auf sich laden (...), statt auf weitgehende, die bourgeois abschreckende und doch in unsrer generation unerreichbare ziele gewicht zu legen, soll sie lieber ihre ganze kraft und energie auf diejenigen kleinbürgerlichen flickreformen verwenden, die der alten gesellschaftsordnung neue stützen verleihen und dadurch die endliche katastrophe vielleicht in einen allmählichen, stückweisen und möglichst friedfertigen auflösungsprozeß verwandeln könnten. es sind dieselben leute, die unter dem schein rastloser geschäftigkeit nicht nur selbst nichts tun, sondern auch zu hindern suchen, daß überhaupt etwas geschieht als - schwatzen, (...) dieselben leute, die nie reaktion sehn und dann ganz erstaunt sind, sich endlich in einer sackgasse zu finden, wo weder widerstand noch flucht möglich ist."
der revisionismus hat letztlich keinen inhalt, er ist lediglich funktion: funktion des opportunismus. seine funktionsweise ist die "unterscheidung des legitimen ökonomischen kerns und der häßlichen ‘gewaltsamen‘ schale, die man als etwas zufälliges dem kapitalismus ausreden möchte" (rosa luxemburg), sein erkenntnisleitendes interesse, den vielfältigen "bestrebungen, dem tiger die krallen zu beschneiden und ihm einzureden, daß er sich im eigenen interesse am besten von honig und gemüsen nähren soll" (rosa luxemburg), eine legitimation theoretisch fundierten anstrichs zu liefern. seine aufgabe ist es, mit dem instrumentarium der marxistischen methode der aneignung von erkenntnis über die verhältnisse die notwendigkeit zu deren erkenntnis eingängig zu machen.
peter hacks hat diesen vorgang in einem aufsatz über g. hauptmann beschrieben. mit blick auf den opportunismus fragt er:A
"was war sein wesen? sein wesen war die abschaffung der marxschen gesellschaftslehre und die durchsetzung bürgerlicher denkgewohnheiten und wertvorstellungen. beides hatte langher in den parteien sich vorbereitet, und zwar von der spitze nach unten. der mann, der sich zur aufgabe gemacht hatte, den wissenschaftlichen sozialismus zu beenden, war eduard bernstein; seine beste feindin war rosa luxemburg. sie ärgerte sich entsetzlich über ihn, aus folgendem Grund. wer eine theorie, die wahn ist, bekämpfen will, dem bleibt nichts übrig, als den theoriebegriff überhaupt abzulehnen, und bernstein, in seiner art tücke, enthielt sich aller deutlichen sätze, die luxemburg hätte widerlegen können. wie erleichtert war sie, als bernstein endlich unternahm, marx in einem eigenen buch entgegenzutreten. und wie enttäuscht war sie, als sie es las, ‘wie!‘ ruft sie ganz geguält (in ‘sozialreform oder revolution‘), das ist alles, was ihr zu sagen habt? kein einziger gedanke, der nicht schon vor jahrzehnten von dem marxismus niedergetreten, zerstampft, ausgelacht, in nichts verwandelt worden wäre!‘ wenn sie bernstein zwar immer für einen trottel gehalten hatte, aber daß er gar nichts zu sagen hatte, wunderte sie doch. luxemburg und bernstein, das ist aber kein komödienstoff. es ist eins von den hohen dramen, die die geschichte gelegentlich schreibt. der erdball war zu klein für beide, vielleicht war er für luxemburg allein zu klein, jedenfalls kommt uns naturläufig vor, daß diese große [112] gelehrte von freien andersdenkenden weggeräumt wurde und daß bernstein es war, dem der globus sich zu füßen legte.
was der renegat kautsky den bernsteinschen nichtigkeiten hinzufügte, war das märchen vom ultraimperialismus. (...) das weltweite wirken der großbetriebe, trug er vor, werde zu abrüstung und milderung der leiden führen; ´kautsky hat‘, sagt lenin, ´aus dem marxismus die widerwärtigste und stumpfsinnigste konterrevolutionäre theorie, das schmutzigste pfaffentum gemacht.‘ - kautsky vertrat die friedensfähiAgkeit des monopolkapitals so erfolgreich, daß das proletariat für diese vertrauenswürdige klasse sonder murren in den krieg zog. (...) der zusammensturz der II. internationale ist ein trauriges kapitel (...) die frage bleibt: was bewog die führung eines blühenden vereins, ihn aufzulösen? die antwort bleibt: der konkurrierende verein war, voreiligen erwartungen entgegen, finanziell unerschüttert, (...) von den angriffen, denen der sozialismus seit seiner erdenkung und verstärkt seit seinem eintritt in die wirklichkeit von seiten des großen geldes ohne eine winzige atempause ausgesetzt ist, der gefährlichste ist zugleich der unangestrengteste: das vorzeigen des großen geldes - (...) wie das klima eines landstrichs durch den schatten der gebirge beeinträchtigt wird, die ihn umstehen, so wird das geistige klima einer gruppe oder einer einrichtung oder selbst eines gemeinwesens vom schatten der geldsäcke verschlechtert, die außerhalb von deren rändern ragen.
es ist nicht die regel, es ist die ausnahme, wenn klassenkämpfe in kriegerischer form ausgetragen werden. gewöhnlich zählen die klassen einfach das geld, über das die jeweils andere klasse verfügt; hiernach steigt oder fällt die stimmungswaage, und das einwerfen der laternenscheiben erübrigt sich.
wenn eine bürgerliche klasse kampflos siegt und eine arbeiterklasse kampflos aufgibt, heißt das nicht, daß die kassenwarte der bürgerlichen klasse die vertreter der arbeiterklasse bezahlt haben müssen. (...) der aufmarsch einer sehr großen heeresmacht löst beim soldaten den trieb zum überlaufen aus. der anblick von geld beim feind löst beim politiker und philosophen den trieb aus, wieder in der richtigen reihe zu sein, dort, wo das geld ist, es ist diese unbewußte käuflichkeit, die den menschen vermag, sich aus gründen der selbsterhaltung selbst zu zerstören."

expropriation der expropriateure
die expropriation der expropriateure bezeichnet die enteignung derer, deren eigentum als klasse auf der ausbeutung, also der Apermanenten strukturellen enteignung des proletariats als expropriation der expropriierten beruht, karl marx und friedrich engels schrieben dazu im manifest:
"ihr entsetzt euch darüber, daß wir das privateigentum aufheben wollen, aber in eurer bestehenden gesellschaft ist das privateigentum für neun zehntel ihrer mitglieder aufgehoben; es existiert gerade dadurch, daß es für neun zehntel nicht existiert. ihr werft uns vor, daß wir ein eigentum aufheben wollen, welches die eigentumslosigkeit der ungeheuren mehrzahl der gesellschaft als notwendige bedingung voraussetzt, ihr werft uns mit einem wort vor, daß wir euer eigentum aufheben wollen - allerdings, das wollen wir, (...) der kommunismus nimmt keinem die macht, sich gesellschaftliche produkte anzueignen, er nimmt nur die macht, sich durch diese aneignung fremde arbeit zu unterjochen, (...) die kommunistische revolution ist das radikalste brechen mit den überlieferten eigentums-verhältnissen; (...) das proletariat wird seine politische herrschaft dazu benutzen, der bourgeoisie nach und nach alles kapital zu entreissen, alle produktionsinstrumente in den händen des staats, d.h. des als herrschende klasse organisierten proletariats zu zentralisieren und die masse der produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren. es kann dies natürlich zunächst nur geschehen vermittelst despotischer eingriffe in das eigentumsrecht und in die bürgerlichen produktionsverhältnisse, durch maßregeln also, die ökonomisch unzureichend und unhaltbar erscheinen, die aber im lauf der bewegung über sich selbst hinaustreiben und als mittel zur umwälzung der ganzen produktionsweise unvermeidlich sind."
wissenschaftlich faßt karl marx den prozeß im ersten band des kapitals als negation der negation:
"die aus der kapitalistischen produktionsweise hervorgehende kapitalistische aneignungsweise, daher das kapitalistische privateigentum ist die erste negation des individuellen, auf eigne arbeit gegründeten privateigentums, aber die kapitalistische produktion erzeugt mit Ader notwendigkeit eines naturprozesses ihre eigene negation. es ist die negation der negation. diese stellt nicht das privateigentum wieder her, wohl aber das individuelle eigentum auf grundlage der errungenschaft der kapitalistischen ära: der kooperation und des gemeinbesitzes der erde und der durch die arbeit selbst produzierten produktionsmittel. die verwandlung des auf eigner arbeit der individuen beruhenden, zersplitterten privateigentums in kapitalistisches ist natürlich ein prozeß, ungleich mehr langwierig, hart und schwierig als die verwandlung des tatsächlich bereits auf gesellschaftlichen produktionsbetrieb beruhenden kapitalistischen eigentums in gesellschaftliches, dort handelte es sich um die expropriation der volksmasse durch wenige usurpatoren. hier handelt es sich um die expropriation weniger ursurpartoren durch die volksmasse."

XII. quellen

spartakusbriefe - hrsg. vom institut für marxismus-leninismus beim zk der sed, berlin/ddr 1958
rosa luxemburg, gesammelte werke, berlin/ddr 1951 (2 bände)
rosa iuxemburg, gesammelte werke, berlin/ddr (5 bände), insbes. bd. 2 (1972), bd. 3 (1973) und bd. 4 (1974)
clara zetkin, ausgewählte reden und schriften, berlin/ddr 1957/1960 (2 bände)
karl liebknecht, eine biographie in dokumenten, berlin/ddr 1987
karl und rosa, erinnerungen zum 100. geburtstag von karl liebknecht und rosa luxemburg, berlin/ddr 1971
karl marx, friedrich engels, werke, (mew), berlin/ddr, inbes. bd. 4 (1959), bd. 7 (1960), bd. 17 (1962) und bd. 34 (1966)
w.i. lenin, werke, berlin/ddr insbes. bd. 22 (1960)


die abbildungen auf dem titel
zeigen leo jogiches, rosa luxemburg, clara zetkin und karl liebknecht.

sekundärliteratur
herausragend:
heinz knobloch, meine liebste mathilde, berlin/ddr 1985
gilbert badia, clara zetkin, berlin 1994
peter hacks, der internationale Opportunismus in deutschen reimen, literatur konkret 1990

allgemein:
luise dornemann, clara zetkin, leben und wirken, berlin/ddr 1985
"vorwärts und nicht vergessen" erlebnisberichte aktiver teilnehmer der novemberrevolution, berlin/ddr 1958
die gründung der kpd, - protokoll der wissenschaftlichen tagung des instituts für gesellschaftswissenschaften der parteihochschule "karl marx" und des instituts für marxismus-leninismus am 22 J 23.1.1959 in berlin/ddr
frederik hetmann, rosa l., überarbeitet ausgabe ffm 1987 (nur sehr bedingt und bei intensivem gegenlesen teilweise genießbar - ak kassiber)

nachschlagewerke
dieter fricke, handbuch zur geschichte der deutschen arbeiterbewegung (1869 bis 1917), 2 bände, berlin/ddr 1987
geschichte der deutschen arbeiterjugendbewegung 1904 - 1945, berlin/ddr 1973
geschichte der internationalen arbeiterbewegung in daten, berlin/ddr 1986

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