/Gemeinde/Kolitik/Exzerpte/Kapital Bd I/MARX UND DIE MODERNE SOGENANNTE ÖKOLOGIEFRAGE
KOMMENTAR anstatt eines EXZERPTES KHL 30.6.00
Kapital Band I, MEW 23, Seite 527-530, IV. Abschnitt – Die Produktion des relativen Mehrwerts,
13. Kapitel – Maschinerie und große Industrie 10. Große Industrie und Agrikultur
MARX UND DIE MODERNE SOGENANNTE ÖKOLOGIEFRAGE
"Die Revolution, welche die große Industrie im Ackerbau und den sozialen Verhältnissen seiner Produktionsagenten hervorruft, kann erst später dargestellt werden."
- Siehe hierzu: VII. Abschnitt – Der Akkumulationsprozeß des Kapitals, 23. & 24. Kapitel, MEW 23, sowie VI. Abschnitt, Verwandlung von Surplusprofit in Grundrente, MEW 25
"Hier genügt kurze Andeutung einiger vorweggenommenen Resultate. Wenn der Gebrauch der Maschinerie im Ackerbau großenteils frei ist von den physischen Nachteilen, die sie dem Fabrikarbeiter zufügt, wirkt sie hier noch intensiver und ohne Gegenstoß auf die »Überzähligmachung« der Arbeiter, wie man später im Detail sehn wird."
- Zur `Überzähligmachung´ der Landarbeiter, siehe VII. Abschnitt – Die ursprüngliche Akkumulation, 24. Kapitel, MEW 23; diese setzt sich heute in Asien, Afrika und Süd/Mittelamerika erst richtig durch (Schlagwort: Verstädterung/Megapolen)
- Tatsächlich vermag die Maschinerie die jahreszeitliche Arbeitsteilung der Agrikultur nicht aufzuheben, macht also den Landarbeiter nicht so extrem zum Detailarbeiter, wie sie den Fabrikarbeiter in seiner Detailfunktion als Maschinenanhängsel körperlich auslaugt.
"In der Sphäre der Agrikultur wirkt die große Industrie insofern am revolutionärsten, als sie das Bollwerk der alten Gesellschaft vernichtet, den »Bauer«, und ihm den Lohnarbeiter unterschiebt. Die sozialen Umwälzungsbedürfnisse und Gegensätze des Landes werden so mit denen der Stadt ausgeglichen."
- Hier wird vom Standpunkt des revolutionären Proletariats die (unvermeidliche) Vernichtung der Bauernschaft akzentuiert als geschichtliches aus dem Weg räumen der rückwärtsgewandten wichtigsten gesellschaftlichen Schicht der überkommenen Produktionsweisen. An anderer Stelle spricht Marx vom `bornierten Landtier und Stadttier´. Letzteres städtische mittelständige Individuum hat die moderne Ökobewegung hervorgebracht und nur dieses vermag das beschränkte Landleben des Kleinbauern zu romantisieren und zu idyllisieren
- Die Kapitalisierung der Agrikultur und die Erzeugung ihres Lohnarbeiters durch die Vernichtung des freien Bauers ist der grundsätzliche erste geschichtliche Schritt der Aufhebung des naturwüchsig herausgetriebenen Gegensatzes von Stadt und Land
"An die Stelle des gewohnheitsfaulsten und irrationellsten Betriebs tritt bewußte, technologische Anwendung der Wissenschaft. Die Zerreißung des ursprünglichen Familienbandes von Agrikultur und Manufaktur, welches die kindlich unentwickelte Gestalt beider umschlang, wird durch die kapitalistische Produktionsweise vollendet."
- Folgerichtig wird die permanente kapitalistische Revolutionierung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit begrüßt, in der die zersplitterte private "irrationellste" Kleinstwirtschaft wissenschaftlich als Großbetrieb organisiert wird als Vorbedingung der kommunistischen Produktionsweise. Dagegen verklärt die Ökobewegung technikfeindlich den Kleinproduzenten und dessen individuelle "Freiheit" als scheinbar weniger entfremdet von der Natur, als den Ausweg aus der naturalistisch interpretierten gesellschaftlichen Krise
- Der Kapitalismus löst tendenzmäßig die alte Verknüpfung von Agrikultur und Herstellung von Tuch, Kleidung, Vorratsbehältern, Werkzeugen, etc, also den `Öikos´ vollständig auf und geht zu welt-gesellschaftlich arbeitsteiliger Produktion über auf der Grundlage von Kapital/Lohnarbeit
" Sie schafft aber zugleich die materiellen Voraussetzungen einer neuen, höheren Synthese, des Vereins von Agrikultur und Industrie, auf Grundlage ihrer gegensätzlich ausgearbeiteten Gestalten."
- Daß diese Synthese im Ostblock keinen qualitativ höheren Charakter entwickelte, dies weist unter anderem darauf hin, daß im `Realsozialismus´ die Menschen weiterhin von gesellschaftlichen Mächten beherrscht wurden und keineswegs die Sachen gesellschaftlich beherrschten. Die Ökobewegung verteufelt obige Synthese grundsätzlich und propagiert das "small is beautiful", meint tatsächlich jedoch den privat wirtschaftenden Kleinproduzenten/Handwerker. Ideologisch ist diese Strömung
dem historischen Proudhonismus zuzurechnen
"Mit dem stets wachsenden Übergewicht der städtischen Bevölkerung, die sie in großen Zentren zusammenhäuft, häuft die kapitalistische Produktion einerseits die geschichtliche Bewegungskraft der Gesellschaft, stört sie andrerseits den Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde, d.h. die Rückkehr der vom Menschen in der Form von Nahrungs- und Kleidungsmitteln vernutzten Bodenbestandteile zum Boden, also die ewige Naturbedingung dauernder Bodenfruchtbarkeit. Sie zerstört damit zugleich die physische Gesundheit der Stadtarbeiter und das geistige Leben der Landarbeiter."
- Nachdem zuerst scheinbar fortschritts"gläubig" Tendenzen/Resultate der Kapitalisierung der Agrikultur, die Entwicklung der Städte, die rasante Entfaltung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit angeführt wird, werden nun dialektisch die hiermit verknüpften ökologischen & sozialen Problemlagen dieser Entwicklung scharfsichtig hineingenommen. Die Ökologiebewegung dagegen zerreißt die Einheit von Natur und Gesellschaft einseitig auf den Pol der Natur durch deren abstrakte Überhöhung zum übergreifenden Subjekt eines Naturprozesses, dem sich der anthropologisch festgezurrte, biologistisch festgelegte (alles liegt in den Genen) "Mensch" unterzuordnen hat
"Aber sie zwingt zugleich durch die Zerstörung der bloß naturwüchsig entstandnen Umstände jenes Stoffwechsels, ihn systematisch als regelndes Gesetz der gesellschaftlichen Produktion und in einer der vollen menschlichen Entwicklung adäquaten Form herzustellen."
- Hier drängt wieder einmal die Zuspitzung der Geschichte zur Sprache: die blind naturwüchsigen Umstände lassen als einzigen gesellschaftlichen (& ökologischen) Ausweg die kommunistische, wissenschaftliche Produktionsweise aufblitzen. Der Übergang dorthin fordert allerdings das revolutionäre Handeln der proletarischen Klasse. Dagegen möchte die Ökobewegung das gesellschaftliche Handeln staatsdiktatorisch sogenannten Naturgesetzen unterwerfen, um so "die" Natur als selbstständiges Scheinsubjekt zu "retten"
"In der Agrikultur wie in der Manufaktur erscheint die kapitalistische Umwandlung des Produktionsprozesses zugleich als Martyrologie der Produzenten, das Arbeitsmittel als Unterjochungsmittel, Exploitationsmittel und Verarmungsmittel des Arbeiters, die gesellschaftliche Kombination der Arbeitsprozesse als organisierte Unterdrückung seiner individuellen Lebendigkeit, Freiheit und Selbständigkeit."
- Nun wechselt der Blick von den objektiven Tendenzen über zur Verelendung der Individuen im Zuge der kapitalistischen Form der Durchsetzung der Großindustrie, welche jedoch als Große Industrie an sich an keiner Stelle als montröses Quasisubjekt gesellschaftlicher Herrschaft verdammt wird, wie dies in großen Teilen der Ökobewegung beliebt ist. Vielmehr wird die Große Industrie als Vorbedingung einer Wirtschaftsweise gesehen, in der die radikale Reduktion der gesellschaftlich notwendigen Gesamtarbeit den frei verfügbaren Zeitraum schafft zur Entfaltung der produktiven Triebe und Anlagen eines jeden Individuums
"Die Zerstreuung der Landarbeiter über größre Flächen bricht zugleich ihre Widerstandskraft, während Konzentration die der städtischen Arbeiter steigert."
- Im Unterschied zu den vereinzelten Landarbeitern können sich die städtisch zusammengeballten Arbeiter vereinen, ihre Konkurrenz untereinander im Kampf um ihre Interessen überwinden und zum Totengräber des Kapitalismus werden. Dies gilt heute noch immer trotz zahlreicher geschichtlicher Chiapas-varianten
"Wie in der städtischen Industrie wird in der modernen Agrikultur die gesteigerte Produktivkraft und größre Flüssigmachung der Arbeit erkauft durch Verwüstung und Versiechung der Arbeitskraft selbst."
- Nun, nach der Erfassung der unterschiedlichen und vergleichbaren Resultate von kapitalistischer Großer Industrie und Agrikultur kommt das begreifende Denken erst zur zusammenfassenden Zuspitzung ihres übergreifenden identischen Moments: vorstehend auf die Zerstörung der Arbeitskraft, nachstehend:
"Und jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebne Zeitfrist zugleich ein Fortschritt im Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit. Je mehr ein Land, wie die Vereinigten Staaten von Nordamerika z.B., von der großen Industrie als dem Hintergrund seiner Entwicklung ausgeht, desto rascher dieser Zerstörungsprozeß. Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter."
- Welche modernen bürgerlichen Ökologen haben diese Zusammenhänge und Wechselbeziehungen der Zerstörung von Mensch&Natur, in ihrer Einheit von Natur und Gesellschaftsform bisher überhaupt erfaßt? Jene starren auf die Zerstörung der Natur, wie die Gesellschaftswissenschaftler ausschließlich auf die Zerrüttung der bürgerlichen Gesellschaft.
Menschheitsgeschichtlich geht es um die Erhaltung der Erde als Springquelle des gesellschaftlichen Reichtums, als Leib und Lebensraum der Gattung Mensch, welche selbst Bestandteil der organischen Natur ist und bleibt. Es kann vom menschlichen Standpunkt gar nicht um ein Rechtssubjekt Namens "Natur" als Selbstzweck gehen, da Naturgesetze der Erdgeschichte jenseits menschlichen, bewußten, gesellschaftlichen Wirkens liegen und keinem Zwecke dienen, ausser denen, die die Gesellschaft setzt. Letztere kommt allerdings langfristig nicht umhin, in der technologischen Anwendung der Naturgesetze im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß die den Stoffwechselprozeß Natur-Mensch zerstörenden Momente zu minimieren. Was nun einmal nicht zu haben sein wird ohne die proletarische Revolution als Übergang von der zerstörerischen kapitalistischen zur gemeinsam geplanten gesellschaftlichen Produktionsweise, dem Kommunismus