AUS DEM TEXT Schröder und der Gewerkschaftsvorsitzende Norbert Hansen kennen sich aus gemeinsamen Zeiten im Juso-Bundesvorstand. Ihre damalige und heutige Rolle brachte Schröder auf den Punkt: »Norbert und ich haben früher gemeinsam die Revolution geplant, die wir heute verhindern müssen.« jw 12.11.2004 Inland Hans-Gerd Öfinger Revolution verhindern Kanzler und Transnet-Chef beschworen auf Gewerkschaftskongreß in Berlin gemeinsame Vergangenheit. Delegierte verunsichert Ein Höhepunkt des am Donnerstag zu Ende gegangenen 17. Gewerkschaftstages der Bahngewerkschaft Transnet war die kontroverse Debatte um einen Börsengang der Deutschen Bahn AG. Bundeskanzler Gerhard Schröder nutzte den einzigen Gewerkschaftstag des Jahres, um sich als »Gewerkschaftsfreund« darzustellen und der Öffentlichkeit Bilder der Eintracht zwischen Kanzler und Gewerkschaften zu vermitteln. Mit seinen Aussagen gegen den Irak-Krieg, für die Beibehaltung der Mitbestimmung und für die Einheit von Netz und Betrieb in einer börsennotierten Deutschen Bahn hatte er ohne Mühe eine große Mehrheit der Delegierten auf seiner Seite. Heikle Fragen wie »Hartz IV« oder den Hinweis der Transnet-Jugend auf die schlechte Ausbildungsplatzsituation (»Jugend geht baden«) klammerte der Kanzler aus. Schröder und der Gewerkschaftsvorsitzende Norbert Hansen kennen sich aus gemeinsamen Zeiten im Juso-Bundesvorstand. Ihre damalige und heutige Rolle brachte Schröder auf den Punkt: »Norbert und ich haben früher gemeinsam die Revolution geplant, die wir heute verhindern müssen.« In seinem Grundsatzreferat positionierte sich der Vorsitzende gegen die »Sackgasse« eines gesetzlichen Mindestlohns, für eine Neuauflage einer »konzertierten Aktion« wie in den 70er Jahren sowie für die »Notwendigkeit der Agenda 2010«. Zur Überwindung der Konkurrenzsituation zwischen den drei Bahngewerkschaften gab der Kongreß grünes Licht für das Ziel einer Fusion mit der im Deutschen Beamtenbund angesiedelten Verkehrsgewerkschaft GDBA. Fast eine Stunde lang debattierte der Kongreß über einen vorliegenden Antrag der Bundesbetriebsrätekonferenz, der sich eindeutig gegen jede Form von Privatisierung und Börsengang aussprach. »Der Arbeiter war immer der Verlierer bei vergleichbaren Börsengängen«, gab der Delegierte Werner Salomon zu bedenken. Seit der Gründung der DB AG 1994 seien 200000 Beschäftigte auf der Strecke geblieben. Besser geworden seien vor allem die Managergehälter. Als Antragssteller warnte Alfred Lange, Betriebsrat und Mitbegründer der Initiative »Bahn von unten«, vor dem »Irrglauben«, daß uns jemand Geld gibt, ohne dabei etwas verdienen zu können. Nach den vorliegenden Informationen würden die DB-Aktien keine Volksaktien, sondern gezielt an US-amerikanische Fonds veräußert werden. »Kein US-Fonds kommt vorbei und investiert hier, weil wir umweltfreundlich sind und weil unsere Arbeitsplätze sicher sein müssen«, warnte Lange. Der Delegierte Klaus Zecher brachte es auf den Punkt: »Wir sind keine reine Ware und kein reiner Kostenfaktor, der reduziert werden muß!« Nur ein Redner dieser Debatte sprach von »erfolgreichen Beispielen« für Börsengänge und nannte die Firmen Gildemeister und Intershop. »Ich bin kein begeisterter Börsengänger«, bekannte auch Helmut Kleindienst, der allerdings im Sinne des Antragskommission und des Gewerkschaftsvorsitzenden für Ablehnung des Antrags plädierte. Allgemein kam eine sehr große Verunsicherung der Delegierten über die weitere Zukunft der Bahn zum Ausdruck. Wenn am Ende eine sehr breite Mehrheit dem (neuen und alten) Vorsitzenden folgte und den Antrag ablehnte, dürften dabei viele Delegierte im Stillen gedacht haben: »Der Norbert wird's schon richten.« Hansen argumentierte, daß Transnet mit einem grundsätzlichen »Nein« sich alle Türen zuschlage und nicht mehr ernstgenommen werde. Allerdings lag dem Kongreß auch kein anderer Antrag zu diesem zentralen Thema vor. Nachdem sich aber schon Verkehrsminister Manfred Stolpe und der Kanzler vor den Delegierten grundsätzlich pro Börsengang positioniert hatten und der Minister die Jahreszahlen 2007 oder 2008 nannte, könnte dies der letzte Gewerkschaftstag vor einem Börsengang gewesen sein.