Diethard Behrens


Der kritische Gehalt der

Marxschen Wertformanalyse*




1. Zur Rezeption der Marxschen Wertformanalyse


Die »Kritik der politischen Ökonomie«, insbesondere »Das Kapital«, hatte sich in der alten Arbeiterbewegung keiner allzu großen Beliebtheit und Verbreitung erfreut. Insofern ist es auch kaum erstaunlich, daß die Debatten um einzelne Probleme der »Kritik der politischen Ökonomie« erst im Anschluß an Problematisierungen bürgerlich-akademischer Ökonomen einsetzten. Thematisiert werden das Reduktionsproblem der qualifizierten auf einfache Arbeit, das Wert-Preis-Transformationsproblem und später das Zusammenbruchsgesetz. Die Wertformanalyse und die Geldtheorie haben zumindest bis in die 20er Jahre kein Interesse gefunden. Eine im engeren Sinne sich darauf konzentrierende Diskussion begann dann auch erst im Anschluß an die Veröffentlichung von »100 Jahre Kapital« und Rosdolskys »Entstehungsgeschichte«.1

Die Rezeptionsgeschichte soll hier im einzelnen nicht vorgestellt werden. Es lassen sich aber drei für die deutschsprachige Debatte wichtige Ansätze unterscheiden:

    1. eine traditionell Engelssch-marxistisch-leninistische Interpretationsrichtung, am besten repräsentiert durch Wygodski2

2. eine durch die analytische Philosophie vorgeprägte Rezeption3 und

3. eine von der Kritischen Theorie beeinflußte »hegelmarxistische«.4

Die Debatten drehten sich hauptsächlich um die Frage, was es mit der Wertthorie auf sich habe, um die arbeitswerttheoretische Argumentation, um die spezifische Form der Geldtheorie, die Theorie der Zirkulation oder, vor allem bei Backhaus, um das


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Problem der Einheit von Wert- und Geldtheorie. Aber auch allgemeine Probleme der Darstellung waren Gegenstand von Kontroversen, etwa, was man unter logischer Darstellung, ja Logik überhaupt, unter Dialektik oder dem Widerspruchsbegriff sich vorzustellen habe. Endlich gab es auch eine Diskussion darüber, ob der Aufbau der ersten Kapitel nach dem Muster »historisch-logischer Interpretation«, wie vor allem Engels sie vorgenommen hatte, aufzufassen sei oder ob man diese ersten Kapitel »logisch« interpretieren müsse.

Eine explizite Auseinandersetzung mit den verschiedenen Antworten auf diese Fragen ist hier nicht beabsichtigt.5 Es soll vielmehr ein Schritt zurückgegangen und angefangen werden mit einer »deskriptiven« Darlegung der Wertformanalyse, die versucht, eine Interpretation zu entwickeln, die sich den in der Rezeptionsgeschichte auftauchenden Problemen, wie Widerspiegelungstheorie, logisch-historischer Methode, realuniversalistischer Darstellung kapitalistischer Momente u.a.m. stellt.

Wenn es ihr gelingt, die notwendige Einheit von Wertformanalyse und Geldtheorie zu demonstrieren, so ist damit zugleich eine Aussage über ein mögliches Verständnis von Arbeitswerttheorie als auch eine kritische Position gegenüber klassischen und modernen Ökonomien markiert.



II. Versuch einer Rekonstruktion der Wertformanalyse


Da eine systematische Rekonstruktion der Marxschen Wert- und Geldtheorie nicht vorliegt, muß sich eine Beschränkung auf die Wertformanalyse als bewußte Reduktion begreifen, die sich der Problematik des Anfangs verpflichtet weiß.

Eine zentrale Frage ist hier die nach dem Status der Arbeitswerttheorie bei Marx. Backhaus hatte sich in seinen Aufsätzen bemüht, der klassischen Lesart, die Marx in der Linie von Smith und Ricardo als Arbeitswerttheoretiker zu begreifen suchte und von der behauptet wird, daß ihre Probleme mit dem Aufkommen der subjektiven Wertlehre, des Nutzenkalküls etc. beseitigt seien, eine andere entgegenzustellen, indem er darauf verwies, daß die Marxsche Werttheorie »als Kritik prämonetärer Wert-



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theorien... auf der Darstellungsebene der einfachen Zirkulation essentiell Geldtheorie«6 sei und, weil die akademische Theorie eben die geldtheoretischen Probleme nicht gelöst habe und auch nicht lösen könne, das Schema der Entwicklung: erst objektive Werttheorie, dann subjektive, nicht zutreffend sei. Zu Recht insistiert Backhaus daher auf der Aktualität der Marxschen Theorie, insofern sie nach wie vor auf ungelöste Probleme der Ökonomie verweist.

Damit stellt sich aber auch die Frage, ob die Marxsche Theorie nicht nur als Kritik der Arbeitswerttheorie als Arbeitszeittheorie, wie sie in seiner Proudhonkritik deutlich wird, zu lesen ist, sondern auch auf die klassische Arbeitswerttheorie selbst zielt Es ist ein erkenntnistheoretisches Problem, das sich immer stellt, wie der Rückgang in arbeitsontologische Begründungsstrategien, die doch nur in einen erkenntnistheoretischen oder historischen oder klassentheoretischen Relativismus führen, vermeidbar ist Denn da eine Ontologie so gut wie die andere, warum nicht den Arbeitswert durch einen »Naturwert« ersetzen oder ergänzen? Genausogut, wie den Kapitalismus mit Notwendigkeit aus dem Urtausch entstehen zu lassen, ist es, die Konkurrenzgesellschaft auf Kain und Abel zurückzuführen. Daß das proletarische Lagerdenken schon von sich aus zwei Wahrheiten setzt, ist evident. Historisches Begreifen beginnt aber jenseits von Ontologie und Relativismus.



1. Das Problem des Anfangs: Ware und Arbeit


Die Marxsche Darstellung beginnt nicht voraussetzungslos. Als logische Darstellung7 konzipiert, wird nicht nur ein Bewußtsein methodischer Probleme vorausgesetzt, sondern auch ein Diskussionsstand der Politischen Ökonomie.8 Zwei Theorielemente sind dabei von Bedeutung, die vor allem in der angelsächsischen Tradition wichtig waren: einerseits die Vorstellung von einfacher Zirkulation als ökonomischer Form und einfacher Produktion als deren Implikat und die spezifische Vorstellung von Eigentum und Geld andererseits. Damit sind die Konstituentien des Austauschs gesetzt In der Proudhonkritik9 werden beide kritisch behandelt.



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Es ist also jetzt mit der Marxschen Darstellung selbst zu beginnen.

»Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine >ungeheure Warensammlung<, die einzelne Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Ware.«10

Die Ware ist nützlich Ding und insofern gesetzt in die Funktion des Gebrauchswerts.11 Die »Gebrauchswerthe bilden den stofflichen Inhalt des Reichthums«.12 Im Kapitalismus bilden sie die Gegenstände des Austausches - die »stofflichen Träger des - Tauschwerths.«13

Ist der Tauschwert einerseits als »quantitative(s) Verhältnis« gefaßt4, als mengenmäßig bestimmtes, so scheint er andererseits im Austausch »etwas Zufälliges und rein Relatives«15, so daß damit ein erster Gegensatz als der zwischen quantitativer Bestimmtheit und Variabilität, begrifflicher Unbestimmtheit, entstanden ist. Dieser ist jedoch hier nur benannt, nicht expliziert. Dies ist die Aufgabe der Wertformanalyse. Geht man hier über zum Austausch, so findet dort Gleichsetzung statt, d.h. die Waren »müssen gleich grosse Tauschwerte sein. Es folgt daher erstens: Die gültigen Tauschwerte derselben Ware drücken ein Gleiches aus. Zweitens aber: Der Tauschwert kann überhaupt nur die Ausdrucksweise, die >Erscheinungsform< eines von ihm unterscheidbaren Gehalts sein.«16

Vergleicht man zwei Waren im Austauschverhältnis, ihre Gleichsetzung, so besagt dieser Vergleich, daß »derselbe Werth in zwei verschiedenen Dingen... existiert.«17 Es muß also etwas Gemeinsames geben, daß diese Dinge überhaupt vergleichbar werden. »Beide sind also gleich einem Dritten, das an und für sich weder das eine, noch das andere ist. Jedes der beiden, soweit es Tauschwerth, muss also, unabhängig von dem andern, auf dieses Dritte reducirbar sein. «18

Die »Tauschwerte der Waren (sind also) zu reduzieren auf ein Gemeinsames, wovon sie ein Mehr oder Minder darstellen. «19

Sind die Gebrauchswerte von verschiedener Qualität, so die Tauschwerte von »verschiedener Quantität«.20

Abstrahiert man von den nützlichen Eigenschaften der Produkte, von ihren konkreten Formen, und unterstellt man weiter-



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hin die Notwendigkeit der Vergleichbarkeit, so ist die Basis dieser Vergleichbarkeit, die »Substanz«, nur als Schluß auf ein Zugrundeliegendes, eben jenes ominöse Dritte, zu gewinnen.

Damit Waren einander gleichgesetzt werden können, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein. Da unterschiedliche Qualitäten der Gegenstände sich nicht vergleichen lassen, muß notwendig nicht nur auf jenes Dritte rekurriert werden. Wenn alle Schätzung immer schon eine quantitative Skalierung voraussetzt, muß also vor dem Maßstab als festgelegter Quantität das Maß und die Meßdimension festgelegt sein. Nur letztere bezieht sich auf die Qualität der Dinge. Daß aber eine Meßdimension, die allem Maß zugrundeliegt, ausgewiesen werden kann, bedingt, daß man diese Dimension als den Qualitäten zugrundeliegend beweist, als ihre Substanz.



Exkurs über die Substanz


Die aristotelische Onsia, als Essentia und Substantia21, ist in ihrem begrifflichen Ausgangspunkt folgendermaßen gefaßt:

Als kategorial bestimmte doppelte Substanz ist einmal Substanz als Bezeichnetes gemeint, das auf ein substantiell Zugrundeliegendes verweist, ein bestimmtes Etwas, das selbständig, unabhängig für sich besteht22, somit sich als »einzelne(s) selbständig(es) Seiende(s)«23 präsentiert und sohin einen absoluten Charakter zeigt24, das andere Mal erscheint die sachhaltige Bestimmung dieses Zugrundeliegenden als Substanz.25 Die Einheit beider26 als synonym vorgestellter Substanzen liegt in ihrer »Sachidentität«.27

Verläßt man die kategoriale Ebene und geht zu jener der Realien über, so ist bei Aristoteles Sein hier vielfach gefaßt.28 Dies zieht eine Modifikation des Substanzbegriffes nach sich, insofern als das »einzeIne Seiende« jetzt »Substanz hat«.29 Die Frage nach der begründeten Einheit stellt sich also erneut.

Aristoteles' Lösung liegt in der Analogsetzung beider Momente und dem gleichzeitigen Rückzug auf die Substanz.30 Ist die Substanz erstes Sein31, so ist sie »Wesen eines jeglichen Seienden«32 somit wird sie wieder als »selbstig« und »selbständige Selbstheit«33 gefaßt. Die Substanz wird hier gedacht »als das



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wesenhafte Sein eines jeden Seienden« und enthält somit wieder die Doppelstruktur von Selbständigkeit und Selbstheit.34 Daß ihre Einheit gedacht werden kann, liegt vor allem an der Funktion des Logos der Substanz.35

Er begründet bei der Bestimmung der Substantialität der Substanz die ontologische Identität.36 Die gesuchte Einheit ist durch die Funktion der Synthese des Logos bedingt.37

Da die Gegenstände durch Substanz und Akzidenz in einem bestimmt sind, so sind sie untereinander in Bewegung gesetzt. Naturhafte Substanz ist bewegt. Die naturhafte Substanz selbst enthält zwei Momente: Materie und Wesensgestalt. Es ist das Wesen, das den einzelnen Seienden Substanzcharakte38 verleiht Das Noetische als eines der Momente der naturhaften Substanzen, muß gegeben sein, als Eidos.39 Einzig die göttliche Substanz als unzusammengesetzte ist unbewegt. Ihre Substantialität der Substanz ist in ihr in einfacher Einheit, so daß sie »den Typ des reinen substanziellen Seins selbst«40 repräsentiert und den letzten Bestimmungsgrund aller Substanzen darstellt.

Wenn die Evidenz distinkter Begriffe die Wahrheit des Urteils garantiert, so ist es nicht weit zur Position Spinozas, die die Wahrheit als ihren eigenen Maßstab behauptet; veritas est norma sui et falsi.41 Wahre Ideen werden hier mittels der Bildung der Idee als Idee erkannt. Reflexive Erkenntnis ist damit als methodisches Prinzip ebenso enthalten, wie die Annahme, daß eine solche Reflexion immer auf die Begriffsinhalte zielt. Die Form der wahren Idee wird durch »ihre Zugehörigkeit zum System aller wahren Ideen« bestimmt, sie ist für Spinoza abhängig von der »wahren Idee Gottes«.42 Die Wahrheit der Idee ist also nur durch die Vermittlung zu Gott als Grund und Ursache von allem zu garantieren.43

Die für die Konstitution eines solchen Systems notwendigen Realdefinitionen beziehen sich auf zweierlei: auf Geschaffenes, was die Angabe der Bedingungen der Erzeugung der jeweiligen Begriffe einschließ44, und auf Unerschaffenes, das nur an sich zu begreifen ist, so daß es mit der Substanz koinzidiert. Es ist causa sui.45

So geht auch die »intuitive Einsicht«46 auf die Erkenntnis der »absolut unendlichen Substanz«47 oder Gottes. Substanz bei Spinoza kann jetzt gefaßt werden als die »Unabhängigkeit



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>absolut< zu bildender Ideen«48 oder ist bestimmt durch das, »was in sich ist und durch sich selbst begriffen wird<49. Von hier aus erklärt sich auch das Verhältnis von der einen Substanz - und Spinoza akzeptiert nicht die vielen, sondern nur diese eine als »absolut unendliche Substanz«50 - zu ihren Attributen. Die Attribute sind bei Spinoza das, was »der Verstand von der Substanz als deren Wesen konstituierend erkennt«.51 Sie konstituieren das Wesen der Substanz und sind wie diese unendlich.52

Ist Wahrheit der Maßstab ihrer selbst, wie dann bei den konkreten Gegenständen sie erfassen, ohne lediglich ihre Einstimmigkeit mit der göttlichen Substanz zu behaupten? Kant stellt das Maßstabsproblem im Zusammenhang mit seiner Erörterung des Substanzbegriffes in den »Analogien der Erfahrung« in der »Analytik der Grundsätze« dar.

Wie Erscheinungen zu begreifen sind, wenn sie in der Zeit, denn nur dort können sie unterschieden werden als zugleich oder nacheinander, so ist die Zeit selbst Substrat alles Realen.

»Das Schema der Substanz ist die Beharrlichkeit des Realen in der Zeit, d.i. die Vorstellung desselben, als eines Substratum der empirischen Zeitbestimmung überhaupt, welches also bleibt, indem alles andere wechselt. (Die Zeit verläuft sich nicht, sondern in ihr verläuft sich das Dasein des Wandelbaren. Der Zeit also, die selbst unwandelbar und bleibend ist, korrespondiert in der Erscheinung das Unwandelbare im Dasein, d.i. die Substanz, und bloß aus ihr kann die Folge und das Zugleichsein der Erscheinungen der Zeit nach bestimmt werden.)«53 »Nun kann die Zeit für sich nicht wahrgenommen werden. Folglich muß in den Gegenständen der Wahrnehmung, d.i. den Erscheinungen, das Substrat anzutreffen sein, welches die Zeit überhaupt vorstellt... Es ist aber das Substrat alles Realen, d.i. zur Existenz der Dinge Gehörigen, die Substanz, an welcher alles, was zum Dasein gehört, nur als Bestimmung kann gedacht werden. Folglich ist das Beharrliche... die Substanz in der Erscheinung, d.i. das Reale derselben, was als Substrat alles Wechsels immer dasselbe bleibt.«54 Aber »Substanzen (in der Erscheinung) sind die Substrate aller Zeitbestimmungen.«55

Es gibt aber nur eine Zeit.56 Substanz und Akzidenz sind dabei bei Kant nicht nur Kategorien des Verstandes zur Beurteilung der Erscheinungen57, sie haben weitere erkennt-


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nistheoretische Funktion. Wenn die Zeit nicht nur als äußere gedacht wird, so ist sie mit Kant »reine Form der sinnlichen Anschauung«.58 Sie ist »Form des inneren Sinnes«59, Moment von Gegenstandskonstitution überhaupt. Die Zeit als Substanz, als spezifisches Substrat, ist damit notwendige Voraussetzung aller Erscheinungen, aber zugleich nur im inneren Sinne als notwendige Vorstellung präsent.

Wenn Spinozas Substanz alle Realität enthält, so ist ihr zugleich die Funktion Gottes inhärent. Das absolute Subjekt in dieser Bestimmung hat aber kein Objekt sich gegenüber und erweist sich als unmögliche Denkbestimmung, schreibt Hölderlin an Hegel, dieses auf Fichte münzend, und formuliert darüber hinausgehend die Notwendigkeit, das Prinzip der Negation dem Substanzbegriff anzuheften.60

Bei Hegel wird die Substanz also Subjekt. Sie stellt als Sein die »Bewegung des Sichselbstsetzens oder die Vermittlung des Sichanderswerdens mit sich selbst«61 dar. Als Subjekt ist sie zuerst »reine einfache Negativität«, »Reflexion im Anderssein.62 Indem der Geist als das Wirkliche behauptet, als das Wesen an-gesehen wird, ist er auch als das »in sich selbst Bleibende« bestimmt, als »geistige Substanz«.63 Funktion wahrhafter Substanz ist die Aufhebung seiender Unmittelbarkeit, das Sein der Substanz liegt in der Vermittlung.64 Wenn das Sein der Substanz wesentlich als Negatives bestimmt ist65, so kann diese Form nur in der wissenden Substanz aufgehoben werden. »Denn die Substanz ist das noch unentwickelte Ansich oder der Grund und Begriff in seiner noch unbewegten Einfachheit, also die Innerlichkeit oder das Selbst des Geistes, das noch nicht da ist.«66

In den Prozeß des Wissens ist jedoch die Zeit eingespannt. Die Zeit, sagt Hegel, bleibt solange äußere Bedingung, Moment der Anschauung, erst wenn der Begriff »sich selbst erfaßt, hebt er seine Zeitform auf«.67

Zeit als die »immanente Negativität räumlichen Außereinanderseins«68 impliziert in ihrem Charakter des Veränderlichen wesentlich ein »Inbeziehungsetzen«, das selbst der Zeit unterliegt. Die Unterschiede an der Zeit sind so gesetzt als »Momente des Werdens«. Zeitlichkeit bezeichnet den »immanente(n) Charakter der Dinge selbst«.69 Sie ist seiendes Abstrahieren. Das Innerliche, die Form der Substanz im Bewußtsein, muß sich



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realisieren. Der Erfahrungsbegriff vermittelt Geist zu seinem einem Werden, zu erkennender Bewegung - Substanz wird Subjekt.70 Der Geist trennt sich nun in den reinen Begriff, d.h. die Zeit und in den Inhalt, d.h. die subjektwerdende Substanz als Geist, und hebt beide Momente im Selbst auf.71



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Festzuhalten ist hier, daß es sich verbietet, den Marxschen Begriff der Wertsubstanz ohne Rekurs auf diesen reflexions-philosophischen Horizont zu rezipieren; dies um so mehr, als Marx mit seiner Hegelkritik beansprucht, über ihn hinauszugehen, nicht ihn zu unterschreiten, was bei einem wie immer gearteten empirischen oder nominalistischen Zugriff unweigerlich die Folge ist.



2. Wertsubstanz


»Dass die Substanz des Tauschwerths ein von der physisch-handgreiflichen Existenz der Waare oder ihrem Dasein als Gebrauchswerth durchaus Verschiedenes und Unabhängiges, zeigt ihr Austauschverhältnis... Es ist charakterisiert eben durch die Abstraktion vom Gebrauchswerth.«72

Unterstellt man bei den Waren diese Abstraktion von ihrer körperlichen Form, so bildet ihr »Werthsein... ihre Einheit. Diese Einheit entspringt nicht aus der Natur, sondern aus der Gesellschaft. Die gemeinsame Substanz ... ist - die Arbeit.«73 »Ich sage also nicht, die >gemeinsame gesellschaftliche Substanz des Tauschwerts< sei die >Arbeit<, und da ich weitläufig in besondrem Abschnitt die Wertform, d.h. die Entwicklung des Tauschwerts, behandle, so wäre es sonderbar, diese >Form< auf >gemeinsame gesellschaftliche Substanz<, die Arbeit, zu reduzieren.«74

Nun basiert die ganze klassische Politische Ökonomie auf einer Arbeitswerttheorie, deren immanente Problematik schon bei Smith in der Differenz der Wertbestimmung durch »spended labour« und Wert im Austausch75 deutlich geworden war. Die


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Marxsche Theorie kann also unmittelbar an die Arbeitswerttheorie, wie sie seit Locke durchgängiges Motiv angelsächsischer Theorie darstellt, sich nicht anschließen. Eine davon geschiedene Begründung soll mit der Einführung des Begriffs abstrakt-allgemeiner Arbeit geleistet werden.76 »Als Werthe sind die Waaren nichts als krystallisirte Arbeit.«77 Wert hat ein Gegenstand hier nur soweit »Arbeit in ihm vergegenständlicht

oder materialisiert ist«.78 Im Austausch selbst geht es aber um die Quantität, die Wertgröße.79 Diese wird in allen traditionellen Arbeitswerttheorien durch die Arbeit bestimmt, durch Arbeitszeit Damit scheint das Maßstabsproblem gelöst und zugleich das der Bestimmung der Quantität. Das Ungleichnamige ist gleichnamig geworden.

Es ist dies die Ebene der Argumentation, auf der, unter der Annahme gleicher Arbeit, die Proudhonschen Stundenzettel ausgegeben werden können. Gleichsetzung der Arbeit herrscht. Bei Marx wird aber nicht aufgewandte Arbeit eingesetzt wie in den klassischen Theorien der Politischen Ökonomie, sondern Arbeit in besonderer Gestalt: »Die Masseinheit der Arbeit selbst ist die einfache Durchschnittsarbeit«80 und außerdem »gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit«.81 Hiermit ist eine Argumentation eingeführt, die darauf hinausläuft, daß eine Quantifizierung des Werts auch auf dieser Ebene unmöglich ist.82 Der Rock als Resultat konkreter Arbeit ist nützliches Produkt.83 Arbeit und Natur sind in der Produktion wesentliche Momente.

»Arbeit ist also nicht die einzige Quelle der von ihr produzierten Gebrauchswerte, des stofflichen Reichtums. «84

Es galt aber hier den Warenwert zu bestimmen. Marx hält also fest »Als Werte sind Rock und Leinwand Dinge von gleicher Substanz, objektive Ausdrücke gleichartiger Arbeit«85

Da zugleich aber die konkrete Arbeiten unterschiedliche Tätigkeiten darstellen, unterschiedliche Produkte herstellen, muß unter den Bedingungen des Austausches Arbeitsteilung gegeben sein.86 Abstrahiert man hier wieder von den besondern Formen der Arbeit, so kommt man zum Abstraktum einfacher Arbeit, das mit der Ware gesetzt ist.87 Als Werte sind die Arbeiten also gleichgesetzt.88

»Wenn also mit Bezug auf den Gebrauchswert die in der Ware enthaltene Arbeit nur qualitativ gilt, gilt sie mit Bezug auf die



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Wertgröße nur quantitativ, nachdem sie bereits auf menschliche Arbeit ohne weitere Qualität reduziert ist. Dort handelt es sich um das Wie und Was der Arbeit, hier um ihr Wieviel, ihre Zeitdauer. Da die Wertgröße einer Ware nur das Quantum der in ihr enthaltenen Arbeit darstellt, müssen Waren in gewisser Proportion stets gleich große Werte sein.«89

Quantität scheint hier also endlich gegeben. Doch nur einen Moment im Gang der Darstellung. Sie wird wieder unmöglich, weil als weitere Bestimmung die Modifikation durch die Produktivkraft auftritt. Ist nützliche Arbeit in ihrer Produktivität abhängig vom »Steigen oder Fallen ihrer Produktivkraft«90 so trifft dies auch die Bestimmung der Wertgröße.91

Bis hierher ist die Untersuchung von Ware, Gebrauchswert, Tauschwert, konkreter und abstrakter Arbeit dahin gekommen, daß, wenn erklärt werden soll, wie Werte einander gleichgesetzt werden, Wertgröße quantitativ gesetzt werden kann, die Modifikation von Durchschnittsarbeit, gesellschaftlich notwendiger Durchschnittsarbeit und Entwicklung von Produktivkraft genau dies nicht gestatten. Im Kern steckt diese Unmöglichkeit schon in Marx' doppeltem Arbeitsbegriff.

»Aus dem bisherigen folgt, dass in der Waare zwar nicht zwei verschiedene Sorten Arbeit stecken, wohl aber dieselbe Arbeit verschieden und selbst entgegengesetzt bestimmt ist, je nachdem sie auf den Gebrauchswerth der Waare als ihr Produkt oder auf den Waarenwerth als ihren bloss gegenständlichen Aus-druck bezogen wird. Wie die Waare vor allem Gebrauchsgegenstand sein muss, um Werth zu sein, so muss die Arbeit vor allem nützliche Arbeit, zweckbestimrnte produktive Thätigkeit sein, um als Verausgabung merischlicher Arbeitskratt und daher als menschliche Arbeit schlechthin zu zählen. «92

Die Frage, ob sich die jeweiligen Arbeiten gleichsetzen93 lassen, hatte ergeben, daß die Arbeitswerte der Waren als Arbeitszeiten (spended labour) zu bestimmen, unmöglich ist. Die Arbeiten selbst lassen sich überhaupt nicht gleichsetzen und das Kommensurabilitätsproblem ist auf dieser Ebene nicht zu lösen. Wenn aber die Arbeitswert- und Arbeitszeittheorie eine Unmöglichkeit darstellt94, so schließt sich die Frage an, ob Marx überhaupt wie Ricardo Anhänger einer quantitativen Arbeitswerttheorie gewesen ist. Bis hierher, so kann man zumindest in



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Ansätzen auszuweisen, gestatten die Modifikationen der im Anfang des »Kapitals« eingeführten Bestimmungen eine definitve Bestimmung der Wertgröße nicht. Es ist zu sehen, ob und wenn ja, inwieweit dies in der Wertformanalyse möglich wird.


3. Wertformanalyse


Waren sind jetzt gesetzt in Doppelform als »Naturalform und Wertform.«95 Die Wertgegenständlichkeit der Ware gilt es dabei zu erklären. Diese besteht hier »im gesellschaftlichen Verhältnis von Ware zu Ware.«96 Als einfachstes Verhältnis wird daher das zweier Waren angenommen.97

Sind zwei Waren in ein Austauschverhältnis gesetzt, so aber in unterschiedlichen Funktionen, denn die eine, in dem sie sich auf die andere bezieht, drückt an dieser ihren Wert aus.98 »Der ersten Ware ist als relativer Wert dargestellt, oder sie befindet sich in relativer Wertform. Die zweite Ware funktioniert als Äquivalent oder befindet sich in Äquivalentform.«99

Unterstellt wird bei der relativen Wertform also, daß eine Ware in die Funktion des Äquivalents gerückt wird, von relativer Wertform ausgeschlossen, nur Bezogenes ist. »Nicht sie drückt ihren Wert aus, sie liefert nur dem Wertausdruck andrer Ware das Material.«100

Diese Eingangsbeziehung der Waren zueinander in der Wertformanalyse ist noch ein Stück zu verdeutlichen.




a) Die einfache Wertform (Form 1)

Die einfache Wertform enthält als eine erste Bestimmung, daß der »Werth in einer andren Waare«101 ausgedrückt, daß ihr Wert relativer Wert ist. Die beiden Formen präsentieren sich als unzertrennliche. Die Waren in ihrer Beziehung aufeinander bilden die entgegengesetzten Pole eines Wertausdrucks.102 Wert wird in jeweils anderer Ware ausgedrückt. Diese Beziehung ist allerdings umkehrbar. Die Struktur dieser Beziehung bleibt hierbei doch die gleiche, nur die Waren haben die Rollen, die Stellen gewechselt. In der Fiktion des »Tauschhandels« erschei-


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nen zwar beide gleichzeitig in beiden Funktionen - relativer Wertform und Äquivalentform -, aber nur, weil sie diese für zwei verschiedene Personen, zwei verschiedene Warenbesitzer ausüben, es sich hier in Wahrheit um zwei verschiedene Wertausdrücke handelt.103 Es ist also festzuhalten: »Relativer Werth und Aequivalent sind nur Formen des Werths.«104

Bei der Betrachtung des einfachen Wertausdrucks wird zunächst von quantitativer Bestimmung abstrahiert.105 Obwohl die Waren jetzt qualitativ gleichgesetzt werden, ist ihre Funktion weiterhin unterschiedlich. Nur der Wert der einen Ware wird durch ihre Beziehung auf die andere als ihrem Äquivalent oder mit ihr Austauschbarem ausgedrückt.106 Der Wert erscheint hier vorerst als Beziehung. »Sagen wir: als Werte sind die Waren bloße Gallerten menschlicher Arbeit, so reduziert unsre Analyse dieselben auf die Wertabstraktion, gibt ihnen aber keine von ihren Naturalformen verschiedne Wertform. Anders im Wertverhältnis einer Ware zur andern. Ihr Wertcharakter tritt hier hervor durch ihre eigne Beziehung zu der andern Ware.«107

Wird die eine Arbeit mit einer anderen gleichgesetzt, so reduziert die eine die andere »auf das in beiden Arbeiten wirklich Gleiche, auf ihren gemeinsamen Charakter menschlicher Arbeit.«108 Beide stellen hier »abstrakt menschliche Arbeit«109 dar, menschliche Arbeit überhaupt.110



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Arbeit hat wertbildende Potenz, »aber ist nicht Wert.«111 Nur in dinglicher Form, in geronnenem Zustand ist Wert vergleichbar. In diesem Wertverhältnis gilt qualitative Gleichsetzung.112 Die Waren sind hier vorgestellt als »Träger von Wert«, als »verkörperter Wert, als Wertkörper«.113 Im Wertverhältnis wird die Ware, die in die Funktion des Äquivalents gesetzt, in ihrer natürlichen Form zur Wertform.114 Es zeigt sich also hier, »daß die Gleichsetzung der Ware B mit der Ware A der eigne Wertausdruck der Ware A ist.«115

Tauschwert erscheint hier als Form des Werts, was der Wertabstraktion unmöglich. Er ist in einer Dimension gefaßt durch Austauschbarkeit116, wird bestimmt durch die spezifische Funk-


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tion des Äquivalents im Wertausdruck. Die mit dem Äquivalent zugleich gegebene Austauschbarkeit beinhaltet jedoch noch nicht die Proportion des Austauschs. Arbeitszeit bleibt Bestimmungsgrund der Wertgröße, ganz unabhängig von der Betrachtung der Wertform. Sie ist auf die Ware, die in die Bestimmung relativer Wertform gesetzt, bezogen. Hier findet sich die Wertgröße allgemein ausgedrückt. Anders verhält es sich mit dem Äquivalent. »Aber sobald die Warenart Rock im Wertausdruck die Stelle des Äquivalents einnimmt, erhält ihre Wertgröße keinen Ausdruck als Wertgröße. Sie figuriert in der Wertgleichung vielmehr nur als bestimmtes Quantum der Sache.«117

Marx unterscheidet in der Folge drei Eigentümlichkeiten der Äquivalentform.

»Die erste Eigentümlichkeit, die bei der Betrachtung der Äquivalentform auffällt, ist diese Gebrauchswert wird zur Erscheinungsform seines Gegenteils, des Werts.«118 Die naturale Form der Ware wird zur Form des Werts.119 Zugleich vertritt die in die Äquivalentform gesetzte Ware in der Warenbeziehung etwas Gemeinsames: Wert.120 Dieser erscheint an ihr als Natureigenschaft 121

Wenn verschiedene Arbeiten als ihre allgemeine Eigenschaft menschliche Arbeiten enthalten122, so findet hier, im Wertausdruck, eine Verkehrung statt. »Es ist also eine zweite Eigentümlichkeit der Äquivalentform, daß konkrete Arbeit zur Erscheinungsform ihres Gegenteils, abstrakt menschlicher Arbeit wird.«123

Werden die Arbeiten im Austausch gleichgesetzt, so scheint es, als ob die Privatarbeit unmittelbar gesellschaftlich gefaßt 124 sei. »Es ist also eine dritte Eigentümlichkeit der Äquivalentform, daß Privatarbeit zur Form ihres Gegenteils wird, zu Arbeit in unmittelbar gesellschaftlicher Form.«125 Im Wertausdruck ist also die Gleichheit der Arbeit unterstellt. 126

Es war bis hierhin bei der Analyse des Austauschverhältnisses gezeigt worden, daß der Wert der Ware A qualitativ ausgedrückt wird »durch die unmittelbare Austauschbarkeit eines bestimmten Quantums der Ware B mit dem gegebenen Quantum der Ware A.«127 Erst als Tauschwert wird der Wert der Ware selbständig ausgedrückt.128 Der durch das Austausch-



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verhältnis gegebene Gegensatz von Gebrauchswert und Wert als kategorial immanenter wird nun zu einem äußeren.128 Dies impliziert, daß die Entwicklung der Warenform zugleich Entwicklung der Wertform bedeutet.129



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Es war bisher ausgeführt worden, daß Marx in der Explikation der Form der einfachen Zirkulation, als deren Teile Waren- und Wertformanalyse gelten, von Austausch, Arbeitsteilung und Arbeit als Bedingungen ausgeht. Es waren hierbei - im Kontext einer Theorie der Genesis des Geldes - zwei Punkte als besonders wichtig erachtet worden: das Problem der Marxschen Behandlung der klassischen Arbeitswerttheorie und das der Wertgrößenbestimmung, deren Einheit eine ökonomische Theorie des Werts ergäbe.

Die Marxsche Darstellung verfährt diesbezüglich so, daß sie sowohl die Vorstellung vom Arbeitszeitwert als auch die von der qualitativen Wertbestimmung als unmögliche demonstriert. Indem Marx die Bestimmung der Ware als Ding, in deren Einheit verborgen der Gebrauchswert mit der »Produktion für andere« auf den Austauschprozeß verweist, und als Wert unmittelbarer Wert des Produkts, das durch die Arbeitszeit bestimmt ist, an den Anfang stellt, stellt er sich zunächst auf den Boden der klassischen Politischen Ökonomie.

Während diese im Geiste des angelsächsischen Empirismus von konkreter Arbeit als spended labour und quantitativ fixierter Arbeitszeit ausgeht, insistiert Marx darauf, daß die Arbeitszeit eben nicht als quantitativ bestimmte gegeben ist Die Arbeitszeit wird modifiziert nicht nur durch den »skill« der einzelnen Arbeiter, durch die Arbeitsteilung in der Produktion, durch die gesellschaftliche Arbeitsteilung, sondern auch durch die einzelne Arbeiten unterschiedlich betreffende Produktivität. Auf allen Ebenen herrscht Durchschnittsarbeit. Wertgröße erscheint somit auf dieser Argumentationsstufe nur als »Werth überhaupt«.131

Die Marxsche Analyse, indem sie auf die Durchschnittsarbeit auf den verschiedenen Ebenen rekurrierte und dabei zeigte, daß,


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nimmt man, um die verschiedenen Arbeiten vergleichen zu können, eine einfache Arbeit an, auf die die unterschiedlich qualifizierten Arbeiten zurückführbar sein sollen, diese einfache Arbeit nur als werttheoretische Entsprechung anzusehen ist, demonstrierte zugleich, daß eine Arbeitswerttheorie als Arbeitszeittheorie sich als Unmöglichkeit herausstellen muß. Denn, wenn Arbeit als konkrete Arbeitszeit (spended labour) als Grundlage der Verteilung der Güter wie der Berechtigung auf Güter gedacht wird, läßt sich dies nur denken, wenn man unsinnigerweise gesellschaftliche Durchschnittsarbeit als konkrete behauptet. Dies aber geschieht immer, wenn Produkt und Produktentausch arbeitswerttheoretisch kurzgeschlossen werden. Marx dagegen behauptet, daß nur die Analyse des Austauschs den Zugang zum Problem »Wertsubstanz« eröffnet. Werden dort zwei Waren verglichen, so kann das nur geschehen, wenn eine vergleichbare Dimension, eine Einheit unterstellt wird, ein Drittes, auf das beide zurückführbar sind. Dies schien die Wertabstraktion als Arbeitsgallerte, abstrakte Arbeit, bloßes Substrat. Als Werte waren die Arbeiten qualitativ gleich. Die Wertsubstanz war gefunden. Es zeigt sich aber, daß, selbst wenn man von unterstellten Warenwerten auf eine Wertsubstanz schließt, man trotzdem ihren Wert im Austauschverhältnis nicht bestimmen kann.

Die Form, die der Wert im Wertausdruck auf der Entwicklungsstufe der einfachen Wertform annahm, war die einer Beziehung der einfachen relativen Wertform auf eine andere Ware als Äquivalent. Das Äquivalent diente hier nur als Material für die Ware in der einfachen relativen Wertform, Wert auszudrücken. An ihm wird die Wertgröße gemessen. In dieser Beziehung hat dieses Warenverhältnis aber die gleiche Struktur wie bei der Frage des Vergleichs der Produkte, der Frage nach einem Dritten, der Wertsubstanz. Aus einer Beziehung, die durch die Frage nach dem Substrat, nach einem Zugrundeliegenden gegeben ist, wird eine, die sich an die andere Ware heftet. Die Form, die der Wert hier erhält, richtet sich also nicht mehr auf jene Substanz, die arbeitswertontologischen Lesarten Nahrung zu geben versprach, sondern erscheint als zwischen den zwei Waren gesetzt.132 Das Äquivalent ist somit Materiatur des Werts. Diese symbolisiert zugleich Austauschbarkeit über-



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haupt. Quantitative Wertgröße, die dies Verhältnis erst hinreichend bestimmen könnte, läßt sich nur unterstellen. Sie gerät wegen der notwendigen Modifikationen sofort in den Sog der Unmöglichkeit werttheoretischer Bestimmung. Insofern Austauschbarkeit allgemein nur auf eine Ware bezogen und die Beziehung der Waren austauschbar, erweist sich die einfache Wertform als unzulängliche Form. Einmal ist es die Partikularität, das andere Mal die Relativität, die eine zureichende Bestimmung verhindert.



b) Entfaltete relative Wertform (Form II)


Sind in der einfachen Wertform relative Wertform und Äquivalent nur als einzelne gedacht, so beinhaltet die entfaltete relative Wertform eine Ausweitung. Es gibt jetzt »so viele relative Wertausdrücke«, wie es verschiedene Warenbeziehungen gibt, und ihre Zahl »wächst beständig mit der Zahl neu auftretender Waarenarten.«133

Gab die erste Form »zwei relative Ausdrücke für den Werth zweier Waaren«134 so hat man in der entfalteten Form des relativen Werts eine Reihe von Wertausdrücken. Der Unterschied gegenüber der ersten Form liegt nun darin, daß die Austauschproportion nicht mehr bloß zufällig, sondern daß der Wert gleich groß bleibt, ganz gleich, in welcher konkreten Ware er ausgedrückt wird.135

In der endlosen Reihe der Waren bezieht sich die Ware A auf die Erscheinungsformen der Arbeit in den Warenkörpern. Wert gewinnt hier eine höhere Selbständigkeit. 136 Die zweite Form als »Summe von lauter Gleichungen der ersten Form«137 schließt aber auch die Rückbeziehung der Ware B auf die Ware A ein. Man geht daher zur dritten Form als der umgekehrten oder rückbezogenen zweiten Form des relativen Werts über. Alle Waren beziehen sich hier auf die Ware A.138

Hier scheint man wieder bei der ersten Form angelangt. Es handelt sich aber dieses Mal um die weiter entwickelte Form.139 Alle Waren »drücken ihren Werth jetzt im Material Leinwand aus.«140 Sie setzten sich qualitativ gleich441 und sind nurmehr quantitativ verschieden.142 »Erst in diesem einheitlichen rela­


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tiven Werthausdruck erscheinen sie alle für einander als Werthe und erhält ihr Werth daher erst seine entsprechende Erscheinungsform als Tauschwerth.«143



c) Allgemeine relative Wertform (Form III)


Hier hat man nun mit dem »einheitlichen Werthausdruck die allgemeine relative Werthform».144

Bezieht sich in der Form II die Ware »auf jede einzelne Waare, Rock, Kaffee usw. als ein besonderes Aequivalent und alle zusammen als den Umkreis ihrer besonderen Aequivalentformen«145 - der Schein der mit den Gleichungen gegebenen Gleichheit146 ist hier schon ein Stück mehr befestigt -, so »erscheint die Leinwand« in der Form III »dagegen als die Gattungsform des Aequivalents für alle anderen Waaren.«147 Die Ware A wird somit gleichermaßen zum allgemeinen Äquivalent wie die in ihr verkörperte Arbeit zur allgemeinen Arbeit wird.148

Sind die Waren als Werte Ausdrücke einer Einheit149, so als Gebrauchsgegenstände auf menschliche Bedürfnisse bezogen150, aber nur als Wert ist ihr gesellschaftlicher Bezug gegeben.151 Nur im Austausch erhalten Werte ihre gesellschaftliche Form.

Die Form I ist zum Moment der Form III geworden. Damit wiederholt sich das Problem, daß Wertgröße nur an einem anderen Gegenstand, an anderer Ware ausgedrückt werden kann.152 Auf der Ebene von Form III bedeutet dies, daß die Ware, die sich in allgemeiner Äquivalentform befindet, nicht mit sich selbst in Beziehung gesetzt werden kann. »Vielmehr wird die entfaltete relative Werthform: 20 Ellen Leinwand =1 Rock oder = u Kaffee oder = v Thee oder = usw. jetzt zum specifischen relativen Werthausdruck des allgemeinen Aequivalents.«153

Wenn in der Form III alle Waren »eine von ihrer Naturalform verschiedene Wertform«154 in der Leinwand besitzen und in dieser Form »sich auf einander als Austauschbare«155 beziehen, so ist hiermit ein zugleich allseitiger Vorgang gesetzt. »Indem alle Waaren sich in einer und derselben Waare als Werthgröße bespiegeln, wiederspiegeln sie sich wechselseitig als Werthgrössen. «156

Die Naturalformen der Waren sind durch die Erscheinungs­

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form des Werts157 ebenso vermittelt wie die »Naturalform der Leinwand die Form ihrer unmittelbaren Austauschbarkeit mit allen Waaren, daher unmittelbar ihre allgemein gesellschaftliche Form«158 darstellt.

Die »Form unmittelbarer Austauschbarkeit« ist jedoch »eine gegensätzliche Waarenform«159, denn »allgemeine relative Werthform und allgemeine Aequivalentform (sind) die gegensätzlichen, sich wechselweis voraussetzenden und wechselweis abstossenden Pole derselben gesellschaftlichen Form der Waaren.«160

Dieser Entgegensetzung korrespondiert das Verhältnis von Privatarbeit zu Gesellschaftlichkeit des Austauschs in der Sphäre der einfachen Zirkulation. 161

Im Laufe der Darstellung der Formen hatte sich die Rolle der Leinwand als Inkarnation ökonomischer Form geändext

»Der einfache relative Werthausdruck war der Keim, woraus sich die allgemeine Aequivalentform der Leinwand entwickelte. Innerhalb dieser Entwicklung ändert sie die Rolle. Sie beginnt damit, ihre Werthgrösse in einer andern Waare darzustellen und endet damit, zum Material für den Werthausdruck aller andern Waaren zu dienen.« 162

Dies gilt aber von allen Waren. Man muß also zu Form W übergehen, in der jede Ware gegenüber allen anderen einmal als allgemeines Äquivalent dient.163



d) Form IV


War auf der Ebene von Form III eine quantitative Wertgrößenbestimmung nur insofern möglich, daß, da alle Waren sich zwar auf eine bezogen, aber in dieser nur die Materiatur ihrer eigenen Größe erhielten, sich nur als aliquote Teile von Leinwand darstellen konnten, ihre vergegenständlichte Arbeit nur aliquoter Teil der Leinwandarbeit sein konnte, in der sie ausgedrückt, ohne diese selbst bestimmen zu können, also die Wertgröße gerade nicht in wechselseitiger Quantität des Austauschs gesetzt werden konnte, so wird die quantitative Wertgrößenbestimmung auf der Ebene von Form IV vollends unmöglich. »Stellt aber jede Waare ihre eigne Naturalform allen



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andern Waaren gegenüber als allgemeine Aequivalentform, so schliessen alle Waaren alle von der allgemeinen Aequivalentform aus und daher sich selbst von der gesellschaftlich gültigen Darstellung ihrer Werthgrössen.«164

Die hier aufscheinenden Formen der einfachen Zirkulation und der privaten Arbeit als Voraussetzung des Austauschs, die eine spezifische Verkehrung enthält165, nämlich die Versachlichung gesellschaftlicher Verhältnisse, verweisen auf »gleiche menschliche Arbeit«166.



e) Resümee


Es läßt sich also hier auf das Ausgangsproblem zurückkommen. Vor allem zwei Probleme stehen im Vordergrund:

- die mit der Arbeitswerttheorie verbundene Annahme der Wertgrößenkonstitution und

- die Kommensurabilität im Warenaustausch.

Eines der Probleme der Politischen Ökonomie war, einerseits relative Preise und exchange value bestimmen zu wollen, andererseits von einem Arbeitswert als spended labour auszugehen.

Beide Ausgangsmomente verdanken sich Evidenzen. Die Arbeitswert- als Arbeitszeittheorie versprach eine quantitative Bestimmung der Arbeit vornehmen zu können. Sowohl die Vermittlung der Arbeitswerttheorie mit der Theorie des exchange value erwies sich als schwierig und die Lösung des Quantitätsproblems als unmöglich.

Hielt die klassische Politische Ökonomie individuelle Arbeitszeit fest, so verwies Marx hier darauf, daß die Arbeitszeit nicht nur modifiziert wird durch die Unterschiede der Individuen, ihrer Qualifikationen, des Geschicks, unterschiedliche Tätigkeit in einer Produktionsstätte, in einzelnen Produktionen, sondern daß sie sich als sinnvolle Kategorie nur als Durcbschnittsarbeit erweist, die ihrerseits ständig modifiziert wird durch die Entwicklung der Produktivkraft, endlich, daß sie erst als gesellschaftliche Durchschnittsarbeit sinnvoll bestimmt ist. Arbeitszeit, so wurde also gegen die klassische Politische Ökonomie festgehalten, war zwar das Geheimnis, das hinter der »Waren-



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produktion« steckte, bestimmendes Moment, zugleich aber selbst nicht unmittelbar quantifizierbar. Dies bedeutet, daß die Herleitung ökonomischer Verhältnisse aus Arbeit und Arbeitszeit zwar abstrakt möglich denkbar erscheint, aber ihre konkreten Formen nicht im unmittelbaren Zugriff handhabbar. Damit war aller Theorie, die von arbeitszeitbestimmten Gütern und Produkten ihren Ausgang zu nehmen sucht oder von einer unmittelbaren Tauschsituation ausgeht, eine Absage erteilt.

Wertgröße als Voraussetzung des Austauschs als notwendig erkannt, blieb also dennoch nicht quantitativ und damit auch nicht konkret bestimmbar.167 Sie war hier noch ideelle Setzung.

Wie der Austausch Gebrauchswert voraussetzt und den Tauschwert als Funktionsbestimmung enthält, so sind Wert und Ding bzw. Warenkörper als notwendige Elemente und Bedingung dieses Austauschs gesetzt. Die Wertformanalyse macht sich anheischig, das Dilemma der Politischen Ökonomie zu lösen, indem sie das Kommensurabilitätsproblem, die Frage, wodurch die Waren vergleichbar, was ihr Maß und Maßstab, in den Mittelpunkt rückte.

Um Quantitäten ausweisen zu können, bedurfte es einer einheitlichen Dimension, wertabstraktiv der Wertsubstanz als gemeinsamern, die Vergleichbarkeit garantierendem Substrat der Waren, während Maß und Maßstab sich aus der Analyse der Wertformen ergab. Unterstellt war hier eingangs gesellschaftliche Arbeit als Maß, von dem zugleich gezeigt wurde, daß es als unmittelbares nicht erscheinen konnte. Erst mit der erschlossenen Dimension abstrakter Arbeit, Wertsubstanz, schien dies gewährleistet. Die Bestimmung des Werts konnte innerhalb der Wertformanalyse analytisch zwar eingeführt, aber aufgrund der relativen Struktur der Warenverhältnisse, der Wertformen, konkret und quantitativ nicht vorgenommen werden. Erst mit dem Übergang zum Geld scheint jetzt eine Lösungsmöglichkeit gegeben.168








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III. Der Übergang zum Geld



Mit der Auszeichnung einer Ware als Geld erscheint der Relativismus von Form III und IV beseitigt.169 Wir haben jetzt analog zu Form III die Geldform. Allgemeine Äquivalentform kommt jetzt einer Ware zu.170 »Gold tritt den andren Waren nur als Geld gegenüber, weil es ihnen bereits zuvor als Ware gegenüberstand.«171

Es wird zur Geldware, sobald im Wertausdruck der Warenwelt es eine Monopolstellung innehat. Damit wird der »einfache relative Wertausdruck einer Ware« in bezug auf die Geldware zur »Preisform«.172

Mit der Geldform173 wird die gesellschaftliche Dimension deutlicher. Das Gold als Geldware hat nun neben seinem Gebrauchswert als Ware Gold einen formellen, gesellschaftlichen Gebrauchswert. »Da alle andren Waren nur besondre Äquivalente des Geldes, das Geld ihr allgemeines Äquivalent, verhalten sie sich als besondere Waren zum Geld als der allgemeinen Ware.«174

Wenn die »Äquivalentform einer Ware die quantitative Bestimmung ihrer Wertgröße nicht einschließt«175,so gilt dies auch vom Geld. Damit kommt man zur ersten Bestimmung des Geldes.

»Die erste Funktion des Goldes besteht darin, der Warenwelt das Material ihres Wertausdrucks zu liefern oder die Warenwerte als gleichnamige Größen, qualitativ gleiche und quantitativ vergleichbare, darzustellen. «176

Das Kommensurabilitätsproblem läßt sich als gelöst177 darstellen. »Geld als Wertmaß ist notwendige Erscheinungsform des immanenten Wertmaßes der Waren, der Arbeitszeit.« 178

Der Wertausdruck einer Ware ist jetzt ihr Preis, wohingegen Geld keinen Preis hat.179 »Der Preis oder die Geldform der Waren ist, wie ihre Wertform überhaupt, eine von ihrer handgreiflichen reellen Körperform unterschiedne, also nur ideelle oder vorgestellte Form.«180 Sie bedarf um so mehr des Geldmaterials.181

Warenwerte sind also »vorgestellte Goldquanta«.182 Die Notwendigkeit der Festsetzung eines Maßstabs ist demgegen­

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über willkürlich. Sie nimmt historisch ihren Ausgang von dem Namen der Metallgewichte.183 So ist sie also Maßstab der Preise.

»Als Maß der Werte und als Maßstab der Preise verrichtet das Geld zwei ganz verschiedne Funktionen. Maß der Werte ist es als die gesellschaftliche Inkarnation der menschlichen Arbeit, Maßstab der Preise als ein festgesetztes Metallgewicht.«184

Der Maßstab wird nun staatlich fixiert.185 Wenn der Preis der »Geldname der in der Ware vergegenständlichten Arbeit«186 ist, so ist »der Preis als Exponent der Wertgröße der Ware Exponent ihres Austauschverhältnisses mit GeId«.187

Und so läßt sich die Funktion des Geldes als Maß der Werte und Maßstab der Preise noch einmal präzisieren. »Die Preisform schließt die Veräußerlichkeit der Waren gegen Geld und die Notwendigkeit dieser Veräußerung ein. Andrerseits funktioniert Geld nur als ideelles Wertmaß, weil es sich bereits im Austauschprozeß als Geldware umtreibt. Im ideellen Maß der Werte lauert daher das harte Geld.«188

Es ist bisher gezeigt worden, daß, weil eine Darstellung von Arbeitszeiten als Werten unmöglich, einfache Arbeitswerttheorien sich als falsch erweisen. Es war eingangs die Frage gestellt worden, ob die Arbeitswerttheorie selbst eine taugliche Bestimmung für die Explikation der Marxschen Theorie ist. Es hat sich gezeigt, daß die Marxsche Argumentation mit der Begriftlichkeit und den Vorstellungen der klassischen Ökonmie auch deren Versuche einer arbeitswerttheoretischen Begründung kritisch aufnimmt. Der Bezug auf die Evidenz der konkreten Arbeiten als Bedingung und Element der Ökonomie ist wesentliches Moment dieser Kritik. Entscheidend jedoch ist der Nachweis, daß eine werttheoretische Argumentation sich auf sie nicht gründen kann, vielmehr genötigt ist, den Begriff der abstrakten Arbeit zu entwickeln. Zentral ist die Begründung abstrakter Arbeit. Insofern diese durch die Frage nach dem »Grund« bestimmt ist, erhält sie eine Konnotation zur Arbeit, insofern sie als Schluß auf ein Zugrundeliegendes als Wertconstituens gedacht, ist sie Wertabstraktion in der Funktion als Wertausdruck.

Die Argumentation, die Marxsche Theorie als Arbeitswerttheorie zu begreifen, um das Geheimnis der fetischisierten Formen zu lüften, sie auf menschliche Arbeitszeit zurückzu­


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führen, verstellt den Blick auf die erkenntnistheoretischen und methodischen Operationen aber ebenso wie den auf die Notwendigkeit werttheoretischer Entwicklungslogik, denn diese Arbeit als abstrakte erscheint nicht anders als in der Wertform am einfachen relativen Äquivalent bis zum allgemeinen, bevor sie als veränderte und verselbständigte Gestalt Subjekt des Prozesses geworden scheint, als Geld.

Die weitergehenden Bestimmungen des Geldes189 kritisieren, so wird in der anschließenden Darstellung Marxens deutlich, die jeweils vorausgehende Lösung. Zwar erscheint die Arbeit als »Wertsubstanz« nur im Geld und nur es erfüllt die Funktion, Maß der Werte und Maßstab der Preise zu sein, aber die Maßstabsfunktion, für die ein ideelles Maß zu genügen scheint, gerät in Widerspruch zur Funktion des Geldes als Zirkulationsmittel, die sein Vorhandensein in dinglicher Gestalt voraussetzt. Wird Geld in seiner dritten Bestimmung als Zahlungsmittel eingeführt und damit die nominale Geldfunktion betont, so spitzt sich zugleich der Widerspruch zwischen seiner nominalen und realen Dimension insofern zu, als die nominale Bestimmung in der Finanzkrise material kritisiert wird und die Schatzbildung umgekehrt der Ökonomie die gegenständlichen Werte entzieht, somit ihres Wertcharakters entkleidet.

Geld als Reflexionsbestimmung ist als Selbstzweck schon implicite Kapital und setzt als solches die einfache Zirkulation voraus, als Sphäre, in der es verschwindet, um sich in ihr zu erhalten und zu vermehren. Diese »erste Totalität«190 erweist sich dann ebenso als unmögliche Form wie die Form IV in der Wertformanalyse und in der Folge die Vorstellung vom Kapital als automatischem Subjekt.

Interpretationen, die hier einsetzen191 und die vorhergehenden Teile als metaphysisch, d.h. unerheblich, beiseite schieben, dokumentieren oft bei den vermeintlichen empirisch gehaltvolleren Teilen ihrerseits Unverständnis, so daß sie sich dann bald in einer marxistisch etikettierten Neoklassik wiederfinden.

Wenn man hingegen die Spezifität des Marxschen Werks als Theorie sozialer Gegenständlichkeit behauptet, seine Methode als Aporiendiskussion ökonomischer Begrifflichkeiten ausweisen will, muß man allerdings darlegen, wo Marx in seiner Darstellung »Aporie« ansiedelt und welcher Darstellungslogik er



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folgt. Erst hier wird dann auch deutlich, inwiefern die »Kritik der politischen Ökonomie« die reflexionslogische Begrifflichkeit einer »materialistischen« Kritik unterzieht, ohne deren Horizont zu unterschreiten. Der revolutionäre Gehalt der Marxschen Theorie ist nicht zu erschließen, ohne daß man die Mühen dieses Weges auf sich nimmt. Ihre ontologisierende oder szientisch-nominalistische Verkürzung dagegen befindet sich immer schon im Einverständnis mit den herrschenden Verhältnissen.



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