Proletarische Briefe

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Eine andere Welt ist nötig: Wie könnte sie aussehen?

Eine andere Welt ist möglich und sie ist nötig. Die Widersprüche haben sich derart zugespitzt, dass die breite Masse der Bevölkerung einen grundlegenden Wandel herbeiführen muss, will sie nicht inmitten des Reichtums, der noch nie so groß war wie heute, weiter verelenden. Derzeit beinhaltet jede Reform einen sozialen Rückschritt: Sie mehrt die Not, obwohl die Quellen des Reichtums von Jahr zu Jahr ergiebiger sprudeln. Statt die Früchte ihres Reichtums zu genießen, werden die Menschen gezwungen, länger und intensiver bei weniger Lohn zu arbeiten. Die Peitsche, die den modernen Lohnsklaven antreibt, besteht nicht nur im unmittelbaren Zwang, der im Betrieb durch Vorgesetzte vermittelt wird, sondern auch in der Angst, arbeitslos zu werden. Die Sorge, sozial abzustürzen, ist allgegenwärtig.
Die Arbeitslosigkeit wirklich zu mindern, kann deshalb kein ernsthaftes Ziel einer Regierung sein. Heuchelei auch hier. Denn die "Reformen" bewirken das Gegenteil: Verlängerung der Arbeitszeit, Verschiebung des Renteneintrittsalters und die verschärfte Arbeitshitze erhöhen bei gleicher Arbeitsmenge die Arbeitslosigkeit. Zudem geraten die Beschäftigten um so mehr unter Druck, je schlechter es den Arbeitslosen geht, die dann in ihrer Not bereit sind, jede Arbeit selbst zum niedrigsten Lohn anzunehmen. Die politischen "Reformen" haben System: Sie steigern den Profit durch Verelendung derjenigen, die den Reichtum produzieren. Dies ist das Motte einer kapitalistischen Ökonomie.

Die Notwendigkeit einer grundlegenden gesellschaftspolitischen Veränderung war noch nie so groß wie heute.

Die "soziale Frage" ist nicht nur ungelöst geblieben, die Widersprüche haben sich besonders seit dem "Fall der Mauer" dramatisch zugespitzt. Das Kapital kennt nun keine äußeren Schranken mehr, es braucht keine Sorge mehr zu haben, dass sich ein "Sozialistisches Weltsystem" bei den ausgemergelten proletarischen Massen als sinnvolle Alternative aufdrängen könnte. Die hohe Arbeitslosigkeit hat die Macht der Gewerkschaften und die Kraft des Widerstands vermindert, so dass die Profitgier immer weniger gebremst wird. Zudem wächst dramatisch die Kriegsgefahr. Sozialismus oder Barbarei heißt die Alternative.

Aber wie wäre eine sozialistische Gesellschaft zu gestalten?
Nur aus der Kritik der bestehenden Welt kann die neue Welt gefunden werden. Solch eine radikale Kritik wurde auf unterschiedliche Weise formuliert. Nachfolgend sollen einige Resultate der Marxschen Analyse zusammengestellt werden, soweit sie den Grundriss einer kommunistischen Gesellschaft erkennen lassen.

1) Eigentum und Aneignungsweise

Eine wirkliche Emanzipation, die den bürgerlichen Horizont überschreitet, muss dass Verhältnis der Menschen zur Produktion revolutionieren. Im Vordergrund einer kommunistischen Emanzipation steht die Beseitigung des Privateigentums, soweit es den freien Zugang der Menschen zu der von ihr erzeugten Welt des Reichtums versperrt. Diese Welt besteht aus einer Totalität von sachlichen Produktivkräften wie Fabriken, Maschinen, Büros, Kommunikations- und Verkehrseinrichtungen, die von Arbeitern, Angestellten etc. produziert worden sind, und unter heutigen Verhältnissen überwiegend nicht arbeitenden Privateigentümern gehören.
Solche Eigentümer sehen in dem angeeigneten Reichtum ein bloßes Mittel, ihren Reichtum zu mehren, also Profit, Zins, Dividenden usw. zu erzielen. Dazu benötigen sie Arbeitskräfte, die sie auf dem Arbeitsmarkt einkaufen. Erst auf einem solchen Umweg gelangen die Produzenten zu der von ihnen selbst geschaffenen Welt des Reichtums.
Dort angekommen, gehören sie dem Eigentümer, nicht mehr sich selbst. Die viel gepriesenen menschlichen Freiheiten haben aufgehört zu existieren. Wo das produktive Leben stattfindet, da herrscht Sklaverei. Alle sachlichen und persönlichen Bedingungen der Produktion und mit ihnen auch die Arbeitsresultate gehören den privaten Eigentümern. Die Arbeit ist, wie Marx es nennt, „entfremdet“. Ihr Leben, das die Produzenten während der Produktion in den Gegenstand hineingelegt haben, wird ihnen mit dem Gegenstand weggenommen. Auf diese Weise reproduziert sich auf stets wachsender Stufenleiter der Verlust des Gegenstandes - ihre Eigentumslosigkeit.
Als Gegenleistung für den Verkauf der Arbeitskraft erhalten die Arbeiter einen Lohn, der gerade dazu ausreicht, sich und die Nachkommen zu produzieren, das heißt die Klasse der Lohnabhängigen zu erhalten. Die Differenz aus dem Lohn und dem Wert, den die Arbeiter in der Produktion schaffen, eigen sich die Unternehmer an. Dieser Mehrwert bildet die Quelle aller parasitären Einkommensformen, bilden die Quelle für den Profit, die Zinsen und die Grundrenten und sind zugleich die Quelle allerlei abgeleiteter Einkommen, die sich verschiedene Staatsfunktionäre, Politiker, Ideologen, Manager, Künstler, so genannte Personen des öffentlichen Lebens etc. wechselseitig zuschanzen.
Ein solcher permanenter Diebstahl führt zu einer historisch einmaligen ökonomischen Knechtschaft. Selbst im „finsteren Mittelalter“ behielten die Menschen ihre Produktionsmittel. Dagegen steht der heutige Lohnarbeiter ohne Existenzmittel da, ist vogelfrei, und soll zu aller Demütigung noch das Loblied auf diese “Freiheit des Individuums“ mitsummen.
Dass den Dieben das Handwerk gelegt werden muss, um die eigene Welt des Reichtums für sich selbst zu besitzen, ist eine nur zu berechtigte Forderung, die immer wieder aufgestellt worden ist.
Der freie Zugang zu dieser produzierten Welt des Reichtums besteht in der wirklichen, sinnlichen Aneignung all der Gegenstände, d.h. in der praktischen Beseitigung des Diebstahls.

2) Freie Assoziation der Produzenten

Das moderne Arbeitsleben besteht aus dem Zusammenwirken einer großen Anzahl von Menschen. Heutzutage geschieht diese Kooperation auf ganz merkwürdige Weise.
Erstens wird der kooperative Zusammenhang durch das Privateigentum unterbrochen. Die verselbständigten Teile treten in Konkurrenz zueinander, worin die gesellschaftliche Form der Arbeit die Form der Waren annimmt. Dies beinhaltet, dass der gesellschaftliche Zusammenhang der Arbeit durch ein gesellschaftliches Verhältnis der Arbeitsprodukte vermittelt wird, also nur indirekt besteht. Die daraus erwachsenen Sachzwänge des Marktes treten den Menschen als äußere Zwangsgewalt gegenüber und verhindern, dass die Menschen auf umfassendere Weise, etwa auf der Ebene der gesamten Gesellschaft bewusst miteinander kooperieren. Stattdessen regulieren die anonymen Gesetze des Marktes den gesellschaftlichen Verkehr.
Zweitens sind die in der Produktion vereinigten Menschen nicht Herren ihrer Arbeitsbedingungen, setzen die sachlichen Produktivkräfte nicht gemäß ihrer eigenen Zwecke ein. Den Lohnabhängigen ist dadurch ihr eigener gesellschaftlicher Zusammenhang äußerlich und fremd. Sie fühlen sich unwohl, entfliehen der Arbeit, wo es nur geht, sind frustriert, gelangweilt, werden krank und nur der durch ihren Chef und durch die Arbeitslosigkeit aufgemachte Zwang hält sie an der Arbeit.
Mit der Beseitigung des Privateigentums können die Menschen innerhalb des produktiven Lebens ihre Selbständigkeit gewinnen. An die Stelle einer Fremdgemeinschaft kann eine bewusst gesetzte Assoziation treten. Marx hat im ersten Band des Kapitals den gesellschaftlichen Zusammenhang eines solchen Vereins freier Menschen folgendermaßen skizziert:
„Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Er bleibt gesellschaftlich. Aber ein anderer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsgliedern verzehrt. Er muss daher unter sie verteilt werden. Die Art dieser Verteilung wird wechseln mit der besonderen Art des gesellschaftlichen Produktionsorganismus selbst und der entsprechenden geschichtlichen Entwicklungshöhe der Produzenten. Nur zur Parallele mit der Warenproduktion setzen wir voraus, der Anteil jedes Produzenten an den Lebensmitteln sei bestimmt durch seine Arbeitszeit. Die Arbeitszeit würde also eine doppelte Rolle spielen. Ihre gesellschaftlich planmäßige Verteilung regelt die richtige Proportion der verschiedenen Arbeitsfunktionen zu den verschiedenen Bedürfnissen. Andererseits dient die Arbeitszeit zugleich als Maß des individuellen Anteils des Produzenten an der Gemeinarbeit und daher an dem individuell verzehrbaren Teil des Gesamtprodukts. Die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zu ihren Arbeiten und ihren Arbeitsprodukten bleiben hier durchsichtig einfach in der Produktion sowohl als in der Distribution.“ (Marx, Kapital I, MEW 23, S. 93)
Eine solche kommunistische Gemeinschaft subsumiert unter sich die sachlichen Produktivkräfte, setzt diese gemeinschaftlichen Produktionsinstrumente als Machtmittel auf den Arbeitsgegenstand gemäß ihrer Zwecke ein. Das Fabriksystem dient der produktiven Assoziation als gemeinsames, kolossales Arbeitsmittel. Kein privater Eigentümer hindert die Menschen mehr daran, ihr produktives Leben so zu gestalten, wie sie es gern möchten.

3) Teilarbeit und Teilarbeiter

Die Auflösung der herkömmlichen, durch das Privateigentum aufgesplitterten und in feindliche Konkurrenz gesetzten betrieblichen Zwangsgemeinschaften in miteinander verbundene Arbeiterassoziationen ermöglicht einen völlig neuen Umgang mit den sachlichen Produktivkräften. Die technischen Voraussetzungen dafür sind zusammen mit der großen Industrie entstanden.
Solange das Handwerk die allgemeine Grundlage der Produktion bildete, war die Unterordnung des Produzenten unter einen ausschließlichen Produktionszweig wegen der erforderlichen Spezialkenntnisse eine technische Notwendigkeit. Der Mensch war angekettet an eine Teilarbeit, die er über mehrere Jahre hinweg erlernen musste und die ihn sein Leben lang zum Teilarbeiter stempelte. Eine Aufhebung des Privateigentums hätte an einer solchen Spezialisierung nicht allzu viel ändern können.
Im modernen Fabriksystem ist an die Stelle spezialisierter Arbeiter die Tendenz der Nivellierung und der Vereinfachung getreten. Damit entfällt mehr und mehr die technische Notwendigkeit, die Teilarbeit an bestimmte Arbeitsleute zu befestigen, sie als Teilarbeiter zu ruinieren. Obwohl nun die moderne Industrie das alte System der Teilarbeiter technisch über den Haufen geworfen hat, reproduziert es sich unter dem Regiment des Privateigentums in noch ekelhafterer Form: Alles, was heutzutage an entsprechender Verkrüppelung am Teilarbeiter angerichtet wird, beruht auf dieser kapitalistischen Anwendungsweise.
Mit der Aneignung der Welt des Reichtums durch die miteinander assoziierten Individuen wird die schmerzliche Fessel durchschlagen, die den Produzenten an eine Teilarbeit kettet. An die Stelle des durch die Teilarbeit stumpf gemachten Teilindividuums kann das “total entwickelte Individuum“ (Marx) treten, für das die verschiedenen gesellschaftlichen Funktionen einander ablösende Betätigungsweisen bilden. Morgens mag der Mensch Räder an Lokomotiven montieren, vormittags programmieren, nachmittags die Fabrik streichen, abends kritisieren, ohne lebenslanger Monteur, Programmierer, Anstreicher oder Kritiker zu sein. Die hier individuell, sinnlich angeeignete Totalität von Produktionsinstrumenten führt auch beim einzelnen zu einer entsprechenden Totalität von Fähigkeiten.
Viele der auf der Grundlage des Privateigentums entstandenen, zum Teil sehr komplizierten Arbeiten verschwinden zusammen mit dem Privateigentum und dem Elend, das es anrichtet. Steuer-, Wirtschafts- und Anlageberater, Finanzbeamte, Konjunktur- und Finanzmarkexperten, Makler, Verkäufer, Werbefachleute, Rechtsanwälte, Versicherungskaufleute, Lobbyisten, Journalisten, Unterhalter etc. werden endlich Gelegenheit haben, ihre Lebenskräfte in der Produktion sinnvoller Güter zu genießen.
Keiner wird sich mehr in solche parasitären Teilarbeiten hineinmühen müssen, um irgendwelche Gesetzeslücken, Marktschwankungen, schmutzige Gelegenheiten der Konkurrenz und vieles andere mehr für seinen Auftraggeber auszubeuten.

4) Arbeitszeitverkürzung

Das Privateigentum erzeugt eine ungeheure Verschwendung: Erstens zwingt es einen großen Bevölkerungsteil zur produktiven Untätigkeit. Arbeitslose, Rentner, Teilzeitbeschäftigte haben keinen oder einen völlig unzureichenden Zugang zur Produktion und müssen durch Fernsehen, Zeitschriften, Sport etc. unterhalten, abgelenkt und eingenebelt werden. Jene, die es sich aufgrund ihres Vermögens leisten können, entfliehen der mühevollen Arbeit und führen ein luxuriöses, verschwenderisches und nutzloses Leben jenseits der gesellschaftlichen Produktion. Die Leere ihres Lebens füllt die Kassen von Animateuren, Psychologen, Ärzten, die die überflüssige Not benutzen, um ihre Geschäfte zu machen. Ideologen des Privateigentums verhandeln diesen Skandal unkritisch unter dem Titel “Einfünftelgesellschaft“, und machen der sie bezahlenden Klientel allerlei Vorschläge, wie die durch „Tittytainnment“ abgelenkten Menschenmassen durch weitere Maßnahmen ruhig gestellt werden können.
Dabei bietet eine solche Gesellschaft ungeheure Chancen, die nur bezahlte Ideologen ignorieren können: Wenn bereits ein Fünftel der Bevölkerung ausreichen soll, um alle zu ernähren, warum sollte dann nicht durch Verteilung der Arbeit auf alle Hände eine radikale Arbeitzeitverkürzung möglich sein? Rein rechnerisch könnte die bisherige 40-Stunden-Woche durch eine solche Allgemeinheit der Arbeit auf weniger als zehn Stunden verkürzt werden - bei gleichem Umfang der Konsumgüterproduktion.
Allgemein gilt: Je gleichmäßiger die Arbeit unter alle arbeitsfähigen Glieder der Gemeinschaft verteilt ist, desto kürzer kann für den Einzelnen die Arbeitszeit sein.
Zweitens ruft die Welt des Privateigentums zahlreiche, teilweise besonders scheußliche Arbeiten hervor, die nur dem Privateigentum dienen bzw. an dessen schädlichen Folgen ansetzen. Zu den direkten oder indirekten Dienern des Privateigentums gehören eine große Zahl der Rechtsgelehrten, Rechtsanwälte, Richter, Gefängniswärter, Sachbearbeiter und Ärzte, ebenso Polizisten, Soldaten, Spitzel, Verwalter, Verkäufer, Kassierer, Sozialarbeiter, Manager, Ideologen etc., wodurch das Privateigentum geschützt, seine Übertragung gefördert, seine Verwertung erzwungen und einige seiner schädlichen Folgen repariert werden.
Würden diese mühevollen, für das Wohlergehen der Menschen überflüssigen und meist schädlichen Arbeiten eingespart, dann wäre eine weitere radikale Arbeitszeitverkürzung möglich. Welch paradiesische Zustände ließen sich bereits heute und sofort herrichten, würde nur endlich das Privateigentum ausgeräumt?
Das Privateigentum vernichtet selbst in friedlichen Zeiten ungeheure Produktivkräfte, hemmt deren Entwicklung. Es ist zur Schranke der Produktivkräfte geworden. Diese Schranke der Reichtumsproduktion zu brechen, bildet den ökonomischen Gehalt des Kommunismus.

5) Arbeit und Lebensgenuss: Über die Aufhebung der Arbeit

In unserer Welt des Privateigentums bilden Arbeit und Lebensgenuss einen prinzipiellen Gegensatz: Die Arbeit ist Erwerbsarbeit. Sie vollzieht sich in aller Regel als Lohnarbeit unter fremden Bedingungen und für fremde Zwecke, sie reduziert das Individuum auf eine Teilfunktion, ruiniert seinen Körper und Geist und erfordert dann weitere “Reparaturarbeiten“. Wenn der Mensch arbeitet, gehört er nicht sich selbst, sondern anderen. Unter der Knute des Privateigentümers besitzt er keine Chance, seine produktive Lebenstätigkeit zu genießen. Entsprechend schal und leer ist die Freizeit, die nur kindische, ermüdende oder gar brutale Genüsse zulässt. Abgetrennt von der produktiven Tätigkeit und ihrem eigentlichen Inhalt, bemüht man sich dann darum, den an sich inhaltslosen Tätigkeiten wenigstens die Illusion eines Inhalts zu geben.
Unter selbst gesetzten Bedingungen und Zwecken besteht kein Grund mehr, dass der Gegensatz von Arbeit und Lebensgenuss fortexistiert. Die große Industrie mit ihren einfachen Arbeitsoperationen liefert technisch die Möglichkeit, dass die Arbeit nach Art und Dauer frei gewählt werden kann. Und die Beseitigung der Fremdherrschaft in der Arbeit durch die Herstellung einer Assoziation der Produzenten schafft die notwenigen Voraussetzungen, dass die Menschen solche Möglichkeiten der modernen Produktivkräfte auch tatsächlich für sich selbst nutzen.
Die Arbeit tritt nicht länger dem Genuss und dazu als eine ihn deformierende Macht gegenüber, sondern vollendet den Genuss, indem sie ihn in sich auflöst. In dieser neuen produktiven Form des Genießens verschwindet der aus der Ordnung des Privateigentums bekannte Gegensatz von gesellschaftlichem und individuellem Leben. Der Mensch muss nicht mehr die Gesellschaft als Mittel seiner Zwecke missbrauchen. Seine persönliche Lebensäußerung - gleichgültig ob gemeinschaftlich oder individuell vollzogen - wird zu einer bewussten Betätigung seines gesellschaftlichen Lebens. Die anderen treten nicht länger, wie in der Welt des Privateigentums, als äußere Beschränkung, als Konkurrenten und damit als Feinde auf, sondern als Voraussetzung und Bedingung für die Entfaltung einer reichen Individualität.
Damit eröffnen sich neue Dimensionen des Genießens: Nicht nur die individuelle Lebensäußerung in der Produktion und die Betrachtung des geschaffenen Produkts werden genossen, auch der Genuss der anderen, den das Individuum sowohl während seiner produktiven Tätigkeit als auch durch das Produkt vermittelt, wird mit der Beseitigung der privateigentümlichen Verkapselung der Menschen erfahrbar.
Mit seiner individuellen Lebensäußerung hat jeder Einzelne die Lebensäußerung des anderen geschaffen, sich also als individuelles Gemeinwesen betätigt und zugleich verwirklicht.
Solch eine Gemeinschaft ist der Kommunismus.






Guenther Sandleben

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