Der 'Rosenfrühling', Ausgangspunkt für den Bodenkrieg gegen Afghanistan
Rußland und die USA als Verbündete im Krieg, der sich noch etwas hinzieht

Ein kleiner Luftlandeplatz bei dem afghanischen Dörfchen Gulbahar ("Rosenfrühling"), 50 km nördlich von Kabul, soll Ausgangspunkt für den von den USA geleiteten Bodenkrieg werden. Von dort sollen die Kämpfer der Nordallianz endlich größere Mengen Munition erhalten, um für die USA das Terrain zu erobern. Bislang haben sie nur einige alte Gewehre und Panzer, aber keine Munition, und so spielen sie derweil Volleyball.
Das soll sich nun ändern. Es sind bereits drei (!) russische Hubschrauber von den Amerikanern aufgekauft, um sie aus Tadjikistan, wo sie gegenwärtig stationiert sind, auf dem Luftlandeplatz des Rosenfrühlings zu deponieren. Das ist aber erst der Anfang, denn zwischen Rußland und den USA wurde jetzt ausgemacht, daß russisches Equipment, darunter große Mengen Munition für die noch aus dem zehnjährigen Krieg der Sowjets übriggebliebenen Raketenabschußrampen, von den USA und anderen westlichen Staaten der "Anti-Terrorkoalition" gekauft und den Kämpfern der Nordallianz zur Verfügung gestellt wird. So kommt's billiger. Da kann auch Deutschland endlich mitmachen. Herr Eichel wird vielleicht etwas maulen, aber die Sicherung unser aller "andauernder Freiheit" ist uns das wert.
Dann kann's ja endlich am Boden, und damit preiswerter, losgehen! Die US-Bürger haben die Luftbombardements bislang mit 13 Milliarden Dollar finanziert. Der militär-industrielle Komplex mit Dick Cheney und Donald Rumsfeld an der Spitze haben ihren Schnitt gemacht, und man soll ja auch nicht übertreiben, sonst kippt die Stimmung bald um. Dick Cheney hat sich bereits verkrochen, aber Donald Rumsfeld läuft noch frei herum. Attentate auf beide müssen befürchtet werden.
Nun ist es an den Kämpfern der Nordallianz, ihr Leben für die Interessen anderer zu opfern, aber ihre Kräfte werden durch die größte Operation US-amerikanischer und britischer Spezialeinheiten unterstützt, die die USA und Großbritannien jemals in Gang gesetzt haben. Dabei soll Afghanistan in britische und US-Sektoren eingeteilt werden (von einem russischen Sektor ist hier, wie seitens Pakistan befürchtet, keine Rede). Australische, französische (Fremdenlegionäre) und türkische Spezialeinheiten werden in die britischen und US-Spezialeinheiten integriert.
Diese Entwicklung ist ein Produkt des Sieges der "Falken", angeführt von der Nationalen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, die gegen den umsichtigeren, realistischeren Außenminister und General a.D. Colin Powell die Oberhand behalten hat. Die Falken meinen, daß eine begrenzte Militäraktion bei gleichzeitiger Verhandlungsdiplomatie nichts gebracht habe.
Auf den Ramadan wird bei der Kriegsplanung selbstverständlich keine Rücksicht genommen, wohl aber auf das christliche "Fest der Liebe", auf Weihnachten! Bis Weihnachten müssen die USA aus innenpolitischen Gründen etwas erreicht haben. Dann gibt es in Afghanistan starke Schneefälle und Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt - also eine richtig romantische Winterweihnachtslandschaft. Wir werden sie zu gegebener Zeit auf CNN bewundern können. Die älteren Deutschen kennen solche Situationen, beipsielsweise in der "Deutschen Kriegsweihnacht 1942", da man das Fascholied "Hohe Nacht der klaren Sterne" anstimmte, derweil deutsche Soldaten in den Schützengräben Rußlands ihre letzte Zigarette anzündeten.
Bis Weihnachten müsse eine Schneise in die Front der Taliban geschlagen sein, dann könne man vielleicht eine Pause einlegen und mit den Taliban, möglichst mit Unterstützung der Vereinten Nationen, verhandeln. Was Osama bin Laden von diesen hält, hat er in seinem letzten Interview für al-Jazeera kundgetan. Es wäre verwunderlich, wenn ein durchschnittlicher afghanischer Kriegswinter an dieser Meinung etwas änderte. Die "Anti-Terrorkoalition" hat es mit Tausenden von Freiwilligen aus mehr als dreißig islamischen Nationen zu tun. Einige haben eine zwanzigjährige Kampferfahrung gegen die Sowjetunion und gegen die afghanischen Mudjaheddin. Seinerzeit wurden sie dabei ausgebildet und finanziert durch die USA und die CIA, durch Osama bin Laden und die al-Qaeda sowie durch Paktistan und die ISI. Für diese Kämpfer gibt es kein Zurück, entweder, sie fallen, oder sie werden gefangen, in ihr Land zurückgeschickt und dort höchstwahrscheinlich exekutiert.
Von Rußland wird keine bedeutendere Hilfe kommen, denn dieses Land ist für einen zweiten Afghanistankrieg nicht stark genug. Es reicht ja nicht einmal für den zweiten Tschetschenienkrieg. 250 000-Mann-starke Bodentruppen, die einen Krieg unter afghanischen Bedingungen führen und dabei siegen könnten, besitzt Rußland derzeitig nicht. Soviele wären aber nötig. In Tschetschenien ist bis heute nicht klar, wie's weitergehen soll. Veraltete politische und militärische Strategien haben dort keine Lösung gebracht. Eine Rekrutierung von russischen Soldaten zur Teilnahme am Bodenkrieg in Afghanistan würde zu innenpolitischen Unruhen in Rußland führen. Blieben russische Freiwillige, die für Dollars von den USA angeworben werden könnten. Allerdings können wir uns nicht vorstellen, daß die USA in einer Region, die sie dem Einflußbereich Rußlands unter großem militärischen und finanziellen Einsatz endgültig entziehen will, ausgerechnet russische Kämpfer einsetzen wird. Für Rußland wäre es besser, nicht als Berater oder gar als Teilnehmer in dem schmutzigen Krieg mitzuwirken. Dieser Ansicht ist auch Rußlands Verteidigungsminister Sergej Iwanow. Jedenfalls meinte dies Mikhail Khodaryonok, von der Nezavisimaya Gazeta, noch vor zwei Tagen.
Den USA sind auf Grund ihrer Absichten in der Region die Russen als Verbündete nicht geheuer. Man nimmt nur das Nötigste. Da halten sie sich lieber an die Usbeken und deren Altkommunisten Islam Karimow. Zur Vorbereitung der durch den usbekisch-stämmigen afghanischen General Rashid Dostum geleiteten, unmittelbar bevorstehenden Offensive zur Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Mazar-e-Scharif bringen die USA Hubschrauber und Kriegstechnik in großen Mengen nach Usbekistan. Mazar-e-Scharif soll Amerikas Hauptmilitärstützpunkt in Afghanistan werden, so eine Art Camp Bondsteel. Bei er Einrichtung kann Dick Cheneys Firma Brown&Roots wieder Milliardenumsätze machen.
Schon jetzt gibt es Verträge zwischen den USA und Usbekistan zum Auftanken der strategischen Bomber, und das ist erst der Anfang von Verhandlungen über Erdöl- und Benzinlieferungen zwischen dem Pentagon und Usbekistan. Nach der Eroberung von Mazar-e-Scharif soll eine neue Erdöl-Pipeline von Teremez nach Usbekistan gebaut werden, um eine systematische Versorgung der US-amerikanischen taktischen Bomber und Hubschrauber zu gewährleisten. Hierfür bedarf es der Zeit. Wann die US-Militärbasen funktionsfähig sein werden, hängt sehr stark von den Ergebnissen des Einsatzes der Nordallianz ab.
Die Nordallianz wird den USA und einigen auserwählten Mitgliedern der "internationalen Staatengemeinschaft", zusammengeschlossen in der "Anti-Terrorkoalition" zur Herstellung der "andauernden Freiheit" schon zur weiteren Vorherrschaft in der Welt verhelfen. Fragt sich nur, was von dem Augenblick an geschieht, da die Kommandeure und Kämpfer der Nordallianz merken, daß für sie fast nichts als Dreck und Tod bei der Sache rumkommt?
Der Beitrag wertet aus:
- Hawks push unfamiliar allies into a belligerent embrace, by Chris Stephen and Tim Judah in Gulbahar, Afghanistan, 4.11.2001 - http://www.observer.co.uk
- Russia Not Strong Enough for Another Afghan War, by Mikhail Khodaryonok, Nezavisimaya Gazeta, 2.11.2001 - http://www.therussianissues.com
- In Allies We Trust, by Vladimir Georgiev, Strana.ru, 2.11.2001 - http://www.therussianissues.com
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Autorin: Dr. Gudrun Eussner, Berlin 04.11.2001
Foto: AK Foto
Quelle: © Philosophischer Salon, Berlin
www.kalaschnikow.de
Update: Berlin Mo., 05.11.2001
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